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Nochmals durchstarten
Als Netzwerkexpertin berät Petra Rohner Fach- und Führungskräfte bei der Neuorientierung. Worauf es dabei ankommt.
«Standortbestimmungen werden oft nicht gemacht, weil sie weitere Aktionen nach sich ziehen», sagt Petra Rohner, Inhaberin der PR Consulting GmbH. (Bild: iStock)
Frau Rohner, Sie helfen auch älteren Arbeitnehmenden (Ü50) dabei, sich beruflich neu auszurichten. Welche Herausforderungen stellen sich dieser Altersgruppe?
Petra Rohner: Arbeitnehmende ab 50 befassen sich oft zu wenig mit den heute geltenden Arbeitsmarktanforderungen und verkennen, dass ihre Ausbildung und ihr Lebenslauf nicht mehr mit den Anforderungen einer vergleichbaren Position übereinstimmen: Jüngere Stellensuchende bieten vielfach jene Ausbildungen, die Rekrutierende bei der Besetzung einer Stelle als erforderlich erachten. Die vielfältigen Erfahrungen der älteren Arbeitsuchenden gehen dagegen oft nur aus ihren Zeugnissen hervor und sind für Recruiter nicht leicht einzuordnen.
Hinzu kommt eine zusätzliche Hürde: Viele Grossunternehmen nutzen bei der Personalsuche technische Hilfsmittel wie Rekrutierungsplattformen oder Bewerbungstools, bei denen Eckdaten wie Ausbildung, Alter und Lohnvorstellung Selektionskriterien darstellen. Um von Recruitern und Personalverantwortlichen gefunden zu werden, müssen ältere Stellensuchende deshalb ihre Erfahrungen in Netzwerken sichtbar machen. Ohne das sinken ihre Chancen auf ein Erstgespräch markant. Die letzten zehn bis fünfzehn Jahre im Berufsleben erfordern zudem häufig eine Neuorientierung. Menschen, die diesen Schritt wagen und in einer neuen Branche und einer anderen Position von vorne beginnen, sind aber vielfach gesellschaftlichem Unverständnis ausgesetzt.
In einem Blogbeitrag schrieben Sie, dass viele Ü50 in Panik geraten, weil sie Angst hätten, entlassen zu werden, und ziellos Weiterbildungen besuchen, um das zu verhindern ...
Ältere Mitarbeitende besuchen oft Kurse, mit denen sie ihre Position zu sichern glauben, statt mit der Personalabteilung und den direkten Vorgesetzten herauszufinden, welche Kompetenzen das Unternehmen künftig braucht, und zu signalisieren, dass sie Neues lernen wollen. Da das Weiterbildungsangebot in der Schweiz sehr umfangreich und auch teilweise verwirrend ist, investieren Mitarbeitende somit oft Geld in Aus- oder Weiterbildungen, die in den Augen ihrer Arbeitgebenden nicht zielführend sind.
Was wären geeignetere Vorgehensweisen?
Ab einem gewissen Alter sollte jeder Arbeitnehmende eine Standortbestimmung machen und seine aktuelle Position und seine Fähigkeiten emotionslos und selbstkritisch hinterfragen. Es empfiehlt sich zudem, die Zukunftsmöglichkeiten im Unternehmen zu betrachten. Allenfalls bietet sich die Gelegenheit, sich um eine andere Position zu bewerben, wo man seine Qualifikationen gewinnbringend einsetzen kann. Gelingt die Neuorientierung nicht aus eigenem Antrieb, sollte man sich von einer externen Fachperson unterstützen lassen. Spätestens wenn das Unternehmen seine Stellenprofile aktualisiert und überprüft, ob die Anforderungen noch mit dem Stelleninhaber zusammenpassen, sollten Arbeitnehmende jedoch das Gespräch mit ihrem Vorgesetzten suchen.
Meist wissen HR-Verantwortliche, wenn sich beispielsweise bei Führungskräften Lücken zwischen den Anforderungen, ihren Kompetenzen und Weiterbildungen auftun. Meist unternehmen sie aber nichts dagegen. Weshalb?
Standortbestimmungen werden oft nicht gemacht, weil sie weitere Aktionen nach sich ziehen. Was nützt es aber, wenn klar wird, dass eine Kaderperson an einer anderen Position geeigneter wäre, ihr aber keine entsprechende Stelle angeboten werden kann? Also sieht man über die Probleme hinweg, solange es geht, denn die Neupositionierung eines Kadermitglieds betrifft in aller Regel auch andere Abteilungen. Zudem setzen Führungspositionen oft eine hohe Kompetenz in einem Fachgebiet voraus. Eine Rochade zwischen verschiedenen Abteilungen ist deshalb nur selten möglich.
Daneben werden Standortbestimmungen oft vom HR an die Vorgesetzten delegiert. Diese drücken sich vor der Verantwortung, weil sie damit überfordert sind. Dies, weil es oft Führungskräfte betrifft, die seit Jahren im Unternehmen arbeiten und die auf die Loyalität ihrer Kollegen zählen können. Solche Situationen lösen sich häufig erst, wenn Jahre später glaubwürdige Gründe für eine Frühpensionierung oder eine Kündigung gefunden werden. Anders sieht es aus, wenn eine Stelle frei wird und diese mit einem von einer Neuorientierung betroffenen Kadermitglied intern besetzt werden kann. Da in den meisten Fällen jedoch erst viel zu spät mit den Betroffenen gesprochen wird, werden solche Chancen meist vertan.
Nicht alle Firmen warten ab …
Das stimmt. Ich kenne Unternehmen die unabhängig von Funktionsstufe und Position mit allen Mitarbeitenden über fünfzig eine Standortbestimmung durchführen. In den daraus resultierenden Gesprächen werden die Zukunft der Mitarbeitenden im Unternehmen sowie Entwicklungsmöglichkeiten besprochen. Daneben setzen immer mehr Unternehmen auch auf Angebote von Bestplacement-Firmen. Dabei werden Führungskräfte nicht nur bei der Standortbestimmung und der Neupositionierung im Betrieb unterstützt, sondern erhalten auch Hinweise auf nötige Weiterbildungen.
Was wünschen Sie sich von Personalverantwortlichen im Umgang mit älteren Arbeitnehmenden?
Ich wünsche mir, dass sie die Situation mit den älteren Mitarbeitenden offen ansprechen und die nächsten Jahre im Unternehmen gemeinsam planen. Die wenigsten Mitarbeitenden über fünfzig haben heute noch die Illusion, in den nächsten fünfzehn bis zwanzig Jahren in ihrer Position bleiben zu können. Die Angst, die Stelle zu verlieren, verhindert das Beschreiten neuer Wege jedoch oft. Aus diesem Grund suchen Betroffene das Gespräch mit den Personalabteilungen oder den Vorgesetzten nicht. Bestehende Chancen werden damit von beiden Seiten nicht genutzt.