Change-Projekte

Ohne ein Engagement des Top Managements gelingt die digitale Transformation nicht

Bei der digitalen Transformation von Unternehmen handelt es sich um einen mehrdimensionalen Changeprozess, der fortlaufend synchronisiert werden muss. Das setzt auch ein starkes Engagement des Top-Managements voraus. Dieses fehlt oft. Das ergab eine Befragung der CIOs und IT-Leiter von Unternehmen.

Unternehmen stellen im Betriebsalltag immer wieder fest, dass bei Projekten, die auf eine digitale Transformation ihrer Organisation abzielen, die angestrebten Ziele nicht oder nur teilweise erreicht werden.

Dies war für die auf das Themenfeld Change und Transformation spezialisierte Unternehmensberatung Kraus & Partner der Anlass, mittels einer Befragung der für den Erfolg der digitalen Transformationsprojekte in ihren Unternehmen verantwortlichen Personen zu erkunden,

  • wie zufrieden diese mit dem Verlauf der digitalen Transformationsprozesse in ihrer Organisation sind,
  • wo aus ihrer Warte die grössten Schwachstellen liegen und
  • was ihres Erachtens für deren Beseitigung erforderlich ist.

65 CIOs und IT-Leiter von Unternehmen befragt

Befragt wurden insgesamt 65 für die digitale Transformation in ihrer Organisation verantwortliche Personen in Unternehmen mit jeweils mehr als 1000 Mitarbeitenden. Von diesen waren 22 Prozent Mitglieder des Vorstands bzw. der Geschäftsleitung ihrer Organisation und knapp 67 Prozent hatten in ihr die Position des CIOs bzw. IT-Leiters oder -Leiterin inne. Bei den restlichen 11 Prozent handelte es sich weitgehend um die Leiter oder Leiterinnen solcher Fachbereiche wie der Produktion oder des Vertriebs. All diese Personen wurden zunächst mit einem Online-Fragebogen befragt, um eine statische Auswertung der Daten zu ermöglichen. Danach wurden mit etwa einem Drittel von ihnen vertiefende narrative Interviews geführt, um die Erkenntnisse zu vertiefen.

Ein Ergebnis der Befragung war: Die Befragungsteilnehmenden stufen den Reifegrad der Digitalisierungsstrategie ihres Unternehmens auf einer Skala von 1 (existiert nicht) bis 10 (exzellent) mit einem Mittelwert von 6.36 ein. Das heisst, das Gros von ihnen erachtet ihre Organisation zwar schon auf dem Weg, jedoch bezüglich der digitalen Transformation noch vor grossen Herausforderungen stehend. Dessen ungeachtet zeigten sich 36 Prozent der Befragten mit dem aktuellen Stand der Digitalisierung in ihrer Organisation «zufrieden» und 4 Prozent sogar «sehr zufrieden».

 

Grafik zur Planung des Digitalisierungsvorhabens

 

Die Technik ist nicht die grösste Herausforderung

Bei der Frage in welchen Bereichen sich bei der bisherigen Transformation ihrer Organisation die grössten Schwierigkeiten ergaben, ässerten nur 13 Prozent die Technik bzw. Komplexität der Aufgabe sei die grösste Erfolgsbarriere gewesen. Weit häufiger wurden folgende Themenbereiche genannt:

  • kulturelle Veränderung im Unternehmen (24 Prozent)
  • Schwierigkeiten bei der Integration von Business und IT (21 Prozent)
  • mangelnde Kompetenzen und mangelndes Fachwissen (18 Prozent)
  • mangelnde Unterstützung und mangelndes Verständnis auf der obersten Leitungsebene (14 Prozent)

 

Grafik zu den Herausforderungen der Digitalisierung

 

Das heisst, in der Regel liegen die zentralen Herausforderungen – anders als oft vermutet – nicht in der technischen Umsetzung der angestrebten Problemlösung.

Als grösste Hürden bei der Umsetzung erachten die Befragten denn auch die Veränderungsresistenz der Organisation (31 Prozent) und die mangelnde Digitalisierungskompetenz (23 Prozent), gefolgt von einer unzureichenden Ausstattung mit Ressourcen (19 Prozent) und einem ungenügenden Alignment der Stakeholder (12 Prozent). Das heisst, zu 85 Prozent liegen die zentralen Hürden für eine erfolgreiche Umsetzung der Digitalstrategie ausserhalb des unmittelbaren Beeinflussungsfelds des IT-Bereichs.

Eine Synchronisierung der Massnahmen fehlt oft

Dies scheint auch an einem mangelnden Engagement der Unternehmensleitungen für die digitale Transformation zu liegen. Diese Vermutung legen die Antworten der Befragten auf die Frage nahe,

  • wer aktuell der zentrale Treiber und Treiberinnen des digitalen Transformationsprozesses in ihrer Organisation ist und
  • wer dies sein sollte.

Die Ist-Situation stellt sich für die Befragungsteilnehmende wie folgt dar: 48,1 Prozent, also fast die Hälfte von ihnen, erachten aktuell die CIOs bzw. IT-Leiter oder -Leiterin als die zentralen Transformationstreibenden. Der Unternehmensleitung hingegen schreiben nur 20,4 Prozent diese Rolle zu. Dabei sollten nach Auffassung von weit über zwei Dritteln der Befragten (73,0 Prozent) die Unternehmensleitungen die zentralen Treiber der Transformation sein.

 

Grafik zu den Treiber der Digitalisierung

 

Dass dies nicht der Fall ist, dürfte auch eine Ursache dafür sein, dass den Befragten zufolge nur in jedem sechsten Unternehmen eine systematische Synchronisierung der angestrebten Ziele zwischen dem Top-Management und den Leitern der IT-Bereiche erfolgt.

Integrierter digitaler Transformationsansatz wird unverzichtbar

Eine entsprechende Koordinierung bzw. Synchronisierung wird jedoch nach Auffassung der Befragten immer wichtiger, weil – aufgrund solcher externer Einflussfaktoren wie der KI sowie der allgemeinen technologischen und gesellschaftlichen Entwicklung – auch bei den aktuellen Digitalisierungsstrategien der Unternehmen selbst oft ein großer Changebedarf besteht. Diesen erachten 82 Prozent der Befragten als so gross, dass es eines integrierten Ansatzes der digitalen Transformation bedarf, der die vier Ebenen

  • Strategie und Werte,
  • Technologie und Architektur
  • People und Organisation sowie
  • Alignment und Steuerung umfasst.

 

Grafik integrierte digitale Transformation

 

Ein solcher Ansatz wird ihnen zufolge zunehmend unverzichtbar, da, wenn eines dieser vier Handlungsfelder vernachlässigt wird, das Potenzial der digitalen Transformation nicht ausgeschöpft wird und die strategischen Entwicklungsziele nicht erreicht werden.

Die Technologie darf nie zum Selbstzweck werden

Dabei zeigte sich in den narrativen Interviews laut Aussagen der beiden Studienverfasser Prof. Dr. Georg Kraus und Paul Schwefer immer wieder: Laut Auffassung der Befragungsteilnehmer hängt der Erfolg der digitalen Transformation «nicht primär davon ab, die die richtigen Technologien zu kennen». Die zentralen Erfolgsfaktoren sind vielmehr

  1. Die technischen Möglichkeiten können in einen unternehmerischen Wert übersetzt werden.
     
  2. Die daraus abgeleiteten Unternehmensziele spiegeln sich in den Massnahmen zur Kultur-, Organisations- und Personalentwicklung wider und sind auf die Notwendigkeiten abgestimmt, die sich aus dem Anspruch einer erfolgreichen Transformation ergeben.
     
  3. Das Kompetenzlevel speziell des obersten Managements ist ausreichend, um die notwendigen Wechselwirkungen bei den Elementen Unternehmensstrategie, Wertgenerierung, Technologie und Architektur sowie Kultur-, Organisations- und Personalentwicklung selbst aktiv zu steuern.
     
  4. Die Implementierung wird von einer Steuerung begleitet, die sicherstellt, dass das Vorgehen, die Geschwindigkeit und die Zielerreichung dauerhaft synchronisiert sind.

Das heisst wiederum: Die Technologie darf nie als Selbstzweck gesehen werden. Sie muss vielmehr stets als ein Mittel zum Erreichen der unternehmerischen Ziele verstanden werden – «und dies muss sich», so die beiden Studienautoren Kraus und Schwefer, «wiederum in der Transformationsstrategie widerspiegeln».

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Dr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner. Er ist unter anderem Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence, der St. Gallener Business-School und der technischen Universität Clausthal.

Weitere Artikel von Georg Kraus
Paul Schwefer

Paul Schwefer arbeitet als Associate Expert für die Unternehmensberatung Kraus und Partner, Bruchsal (www.kraus-und-partner.de). Die Arbeitsschwerpunkte des studierten Mathematikers und der langjährigen Führungskraft in multinationalen Konzernen liegen in den Bereichen Innovation, Restrukturierung, Turnaround und Digitale Transformation.

Weitere Artikel von Paul Schwefer