Outplacement trotz Fachkräftemangel: wichtiger denn je
«Warum sollen Unternehmen für Outplacement Geld ausgeben? Es herrscht doch ein Fachkräftemangel.» Eine weitverbreitete Meinung, jedoch zu kurz gedacht.
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Es gehört in der Schweiz schon lange zum guten Ton, Betroffene im Kündigungsfall mit Outplacement zu unterstützen. Ein Unternehmen zeigt damit nicht nur soziale Verantwortung, sondern leistet auch einen Betrag zur Arbeitgeberattraktivität. Sozial engagierte und vertrauenswürdige Arbeitgebende stehen bei Kandidaten hoch im Kurs. Schon diese Argumente müssten ausreichen, um ins Outplacement zu investieren. Dennoch ist es verführerisch zu argumentieren, dass Gekündigte im ausgetrockneten Arbeitsmarkt leicht wieder eine Stelle finden. Auch die neue von Rundstedt-Arbeitsmarktstatistik zeigt, dass die durchschnittliche Suchdauer nach einer Kündigung 2021 mit 5,3 Monaten im Vergleich zu 2020 mit 6,9 Monaten massiv abgenommen hat. Weshalb also Geld in ein Outplacement-Programm stecken?
Fachkräftemangel als Symptom
Der Fachkräftemangel ist in der Schweiz keine Folge der demografisch bedingten Verknappung der Arbeitskräfte, obwohl schon vor 30 Jahren davor gewarnt wurde. Bisher konnte dieser Engpass in der Schweiz jedoch gut mit immigrierten Arbeitskräften kompensiert werden. Betrachtet man die zunehmende strukturelle Arbeitslosigkeit in der Schweiz, wird schnell klar, dass es sich volkswirtschaftlich nicht um eine Knappheit, sondern um ein Marktungleichgewicht handelt. Das gleichzeitige Auftreten des Fachkräftemangels und der strukturellen Arbeitslosigkeit ist Zeichen und Symptom eines tiefgreifenden Strukturwandels. Immer mehr Menschen passen mit ihrem Profil, ihren Erfahrungen und Kompetenzen sowie ihrer Arbeitsweise nicht mehr zu den Anforderungen der Märkte und der Business-Modelle. Während Unternehmen also verzweifelt nach neuen Fachkräften suchen, werden zunehmend Menschen mit fehlender Beschäftigungsfähigkeit vom Arbeitsmarkt gedrängt.
Arbeitnehmende müssen sich neu erfinden
Kündigungen gehören in einem liberalen Arbeitsmarkt zum Alltag. Deshalb ist es für Gekündigte nicht einfach zu erkennen, inwieweit sie sich um ihre Beschäftigungsfähigkeit Sorgen machen müssen. Ein rascher Erfolg bei der Stellensuche kann eine falsche Sicherheit vermitteln. Eigenverantwortliche Arbeitnehmende müssen sich laufend Gedanken um ihre Marktfähigkeit machen und in diese investieren. Das ist in der Praxis leider eine Seltenheit. Deshalb ist eine Kündigungssituation ein guter Moment, Marktattraktivität und -fähigkeit zu hinterfragen, zu prüfen und notwendige Massnahmen in die Wege zu leiten. Ein grundlegender Strukturwandel wie die digitale Transformation bedeutet für viele Menschen, sich neu zu erfinden und auf dem Arbeitsmarkt anderweitig auszurichten. Ein bisschen Coaching genügt dafür nicht. Es braucht professionelle Unterstützung von Marktexperten, einen fokussierten Prozess, zuverlässige Marktinformationen und ein verbindliches Projektmanagement. Eine berufliche Neuorientierung soll Betroffenen zudem nicht irgendeine Anschlusslösung verschaffen, sondern ihre berufliche Existenz nachhaltig sichern.
Mehr Mobilität
Die Karriereplanung und die Steuerung der Beschäftigungsfähigkeit werden schwieriger. Einerseits weil die Arbeit immer flexibler und unverbindlicher wird, andererseits weil die Veränderungsdynamik derart zunimmt, dass ein Blick in die Zukunft schwierig ist. Erfolgreich sind jene Fachkräfte, die sich rasch anpassen, neu positionieren und sich auf Neues einlassen.
Das HR in der Pflicht
Wenig zielführend ist ein Budget für ein Upskilling. Betroffene sind damit häufig überfordert und stecken das Geld in Weiterbildungen, die ihre Beschäftigungsfähigkeit nicht steigern und sie langfristig nicht weiterbringen. Voraussetzung für eine marktorientierte Neuorientierung ist die strukturierte Auseinandersetzung der Arbeitnehmenden mit ihrem Profil, ihren Kompetenzen, ihren Präferenzen und den künftigen Anforderungen des Arbeitsmarkts. Eine kompetente Begleitung ist dabei der Schlüssel zum Erfolg.