Persönlichkeitsverletzung des Arbeitnehmers
A ist im April 2006 bei der Zahnarztpraxis B (Arbeitgeberin) als Zahnarztassistentin eingestellt worden. Ihr Vorgesetzter C, ein dort angestellter Zahnarzt, wurde immer jähzorniger, was ab Herbst 2010 zu Personalabgängen führte. So kündigten drei Arbeitnehmende wegen Krankheit aufgrund von Depressionen und der schlechten Arbeitsatmosphäre.
BGE 4D_72/2017, Urteil vom 19. März 2018
Das Urteil
Ein erneuter Wutausbruch von C führte im Oktober 2010 dazu, dass die damals schwangere A einen Arzt aufsuchte, der ebenfalls Depressionen beziehungsweise schwere depressive Episoden diagnostizierte. A war ab diesem Zeitpunkt zu 100 Prozent arbeitsunfähig und kündigte das Arbeitsverhältnis mit B nach der Geburt ihres Kindes per Ende Juli 2011.
Im August 2012 klagte A beim Bezirksgericht gegen B und forderte wegen einer Persönlichkeitsverletzung eine Genugtuung in der Höhe von 10 000 Schweizer Franken. Zur Begründung führte A an, dass sie sich von C verfolgt gefühlt und im letzten Monat ihrer Tätigkeit auch Angst vor C gehabt habe. Das Bezirksgericht wies die Klage ab. A reichte beim Kantonsgericht Berufung ein, welches B zur Bezahlung einer Genugtuungssumme von 6000 Schweizer Franken verurteilte.
Dagegen machte B mit einer Beschwerde vor Bundesgericht geltend, dass die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz willkürlich sei, da die Depressionen von A nicht auf den Arbeitsplatz, sondern auf die Schwangerschaft zurückzuführen gewesen seien.
Gemäss Art. 328 Abs. 1 OR sind Arbeitgeber verpflichtet, die Persönlichkeit ihrer Arbeitnehmenden zu schützen. Insbesondere ist auf ihre Gesundheit zu achten und ihnen Schutz vor sexueller Belästigung und Mobbing zu gewähren. Bei einer Persönlichkeitsverletzung haben Arbeitnehmende gemäss Art. 49 OR einen Anspruch auf Genugtuung. Die Praxis definiert Mobbing als eine Aneinanderreihung von Äusserungen und/oder feindlichen Handlungen, die während einer längeren Zeit wiederholt werden, um den Betroffenen am Arbeitsplatz auszugrenzen oder auszuschliessen.
Gemäss Bundesgericht müsse das gesamte Verhalten von C geprüft werden, um festzustellen, ob er A gemobbt habe. Eine Persönlichkeitsverletzung könne auch vorliegen, wenn sich Vorfälle ereignen, die einzeln betrachtet noch akzeptabel sind, die sich jedoch während des Arbeitsverhältnisses anhäufen oder steigern: etwa durch abschätzige Bemerkungen über den Gesundheitszustand oder das Gewicht oder Wutausbrüche über die Gehörprobleme von A.
Der ärztlich festgestellte natürliche Kausalzusammenhang zwischen den Depressionen von A und den Problemen am Arbeitsplatz könne durch die Behauptung von B., die Depressionen seien auf die Schwangerschaft von A. zurückzuführen, nicht durchbrochen werden. Deshalb sei die von der Vorinstanz festgestellte Persönlichkeitsverletzung zu bejahen. Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab.
Konsequenz für die Praxis
Arbeitgebern ist zu empfehlen, Arbeitnehmende in Bezug auf Mobbing und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu schulen, zu überwachen, zu sanktionieren sowie eine Vertrauensstelle für Betroffene zu bezeichnen, um die Geltendmachung von Genugtuungsansprüchen und ungewünscht hohe Fluktuationen zu vermeiden.