In der Folge schiessen Feedback-Tools in App-Form wie Impraise, Loopline oder Youlab wie Pilze aus dem Boden, um die revolutionsfreudigen Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre neuen Performance-Management-Ansätze umzusetzen. Auch ein Schweizer Produkt will in diesem neuen Markt mitmischen. Die Schweizer Jungunternehmer Mischa Riedo und Lucien Brahier haben im September 2015 das Feedback-Tool «QuercusApp» auf den Markt gebracht. Die cloudbasierte App soll ein fortlaufendes 360-Grad-Feedback ermöglichen, dieses archivieren und Mitarbeitenden einen konstanten Impuls bei ihrer Entwicklung geben. Zudem soll es Führungskräfte dabei unterstützen, die eigenen Leute spezifisch zu coachen. Mittlerweile nutzen rund zwanzig Unternehmen aus der Schweiz, Finnland, Holland, England und Deutschland das Tool. «Zu unseren Kunden gehören Werbeagenturen, Webagenturen, eine Anwaltskanzlei, zwei Consulting-Unternehmen und ein Mischkonzern», so Riedo. Mit der Feedback-App können sich Mitarbeitende und Führungspersonen jederzeit gegenseitig Feedback geben und um Feedback bitten. Jedes Feedback wird einem Projekt, Meeting oder Gespräch zugeordnet. Dabei können für jede Stelle spezifische Skills definiert werden, die für den jeweiligen Mitarbeitenden zentral sind.
Gesunder Menschenverstand
Ebenfalls bewertet werden können individuelle Ziele sowie die Einhaltung von Firmenwerten. «Was diese Skills, Ziele und Werte sind und wie sie näher beschrieben werden, entscheidet der Kunde: Inhaltlich lässt sich unser Tool komplett massschneidern», erklärt Riedo. Mitarbeitende und Vorgesetzte können sich gegenseitig auf einer Skala bewerten, diese Bewertungen aber auch mit Kommentaren anreichern. «Das steigert die Qualität des Feedbacks signifikant», so Riedo. Bei etwa einem Drittel der Feedbacks werde die Kommentarfunktion genutzt. Ein grosser Vorteil des Tools sieht Riedo darin, dass das Feedback zeitnah und spezifisch erfolgt: «Feedbackgeber und -nehmer wissen genau, um welches Projekt, welchen Skill, welches Ziel oder welchen Wert es geht.» Dies stehe im totalen Kontrast zu den traditionellen Jahresendgesprächen, in denen das Feedback grösstenteils veraltet und unspezifisch sei.
Macht die Digitalisierung die zwischenmenschliche Kommunikation im Performance Management bald überflüssig? Riedo verneint: «Unser Tool soll die zwischenmenschliche Kommunikation auf keinen Fall ersetzen. Im Gegenteil: Es fördert regelmässige Gespräche durch eine fundierte Basis.» Ebenfalls nicht ersetzen solle das Tool den gesunden Menschenverstand der Vorgesetzten. «Es ist klar, dass es auch beim 360-Grad-Feedback Verzerrungen geben kann – beispielsweise, wenn sich einzelne Mitarbeitende gegenseitig immer nur positiv oder negativ bewerten», sagt Riedo. «Vorgesetzte sollen nicht alles für bare Münze nehmen, sondern die Feedbacks einordnen und vor allem auch Kommentare als Qualitätsindikator verstehen.»
In welchem Rahmen die App mit zwischenmenschlicher Kommunikation kombiniert wird, ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. «Man kann zum Beispiel auch das Jahresendgespräch auf dem Feedback-Tool aufbauen», so Riedo. «In jedem Fall hat die App für Führungspersonen den grossen Vorteil, dass sie beim Mitarbeitergespräch 80 bis 90 Prozent der Daten durch fortlaufendes Feedback schon gespeichert hat – womit sich die Vorgesetzten voll auf das Coaching konzentrieren können.» Mitarbeiter dagegen können ihre Leistung das ganze Jahr über kontinuierlich einordnen und verbessern. Die «Insight»-Funktion des Tools gibt einen Überblick über alle bisherigen Feedbacks. Einerseits können damit Mitarbeitende ihre eigene Leistung auswerten, andererseits erhalten Führungspersonen laufend einen Überblick über die Stärken und Schwächen ganzer Teams oder einzelner Mitarbeitender.
Soll man das 360-Grad-Feedback mit Boni- und Lohnratings koppeln? Das komme auf das Unternehmen und auf seine Grösse an, meint Riedo. Von «demotivierenden Forced Rankings» rät er jedoch dezidiert ab. Ein «one size fits all»-Ansatz sei jedenfalls das Schlechteste, was man machen könne.
Kommunikation entscheidet
Auch, ob die Feedbacks zwischen den Mitarbeitenden anonym erfolgen, kann jedes Unternehmen selbst entscheiden. «Welcher Weg sich besser eignet, ist vor allem von der Firma und ihrer Kultur abhängig», so Riedo. Stehe ein Unternehmen mit seiner Feedback-Kultur noch eher am Anfang, sei die anonyme Lösung zum Einstieg vermutlich etwas einfacher – die Anonymität senke die Hemmschwelle. Damit das Tool erfolgreich ist und tatsächlich auch genutzt wird, sei die Kommunikation bei der Einführung entscheidend. Hier spiele HR eine wichtige Rolle. «Was habe ich davon?» Diese Frage stelle jeder Mensch, der mit einer Veränderung konfrontiert werde. «Deshalb ist es wichtig, sowohl Führungskräften als auch Mitarbeitenden die Vorteile, die ihnen das Tool bringt, bewusst zu machen.»
Um missbräuchliches Feedback zu vermeiden, gibt es in der App einen «Melden»-Button. «Dieser hat bei unserem Tool aber noch nie jemand betätigt», sagt Riedo. Häufig werde jedoch der «Danke»-Button geklickt: Damit können sich die Empfänger ihre Wertschätzung für besonders hochwertiges Feedback ausdrücken – beim Feedback-Gebenden kommt diese in Form eines E-Mails an mit dem grossgedruckten Inhalt: «Thanks, you are awesome!»
Vier Fragen an Mario Dini, COO und Partner, IT-Logix AG
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Mario Dini: Wir führen zweimal pro Jahr ein klassisches Mitarbeitergespräch durch, das nun durch die App ergänzt wird. Wir wollen die Frequenz von Feedbacks erhöhen und breiter abstützen. Dadurch können wir in den Gesprächen gezielter wichtige Themen besprechen. Dank der direkten Feedbacks der Arbeitskollegen können wir schnell die Stärken und Verbesserungspotenziale identifizieren und diese dann thematisieren. Unsere Organisation kommt ohne klassische Linienführung aus, wir setzen stark auf Selbstverantwortung und -organisation und übertragen unseren Mitarbeitenden viel Verantwortung und Vertrauen. Daher gleicht unsere Führungsphilosophie sowieso eher einem kontinuierlichen Coaching als dem klassischen «Command & Control». Die App ist dafür ein hervorragendes Hilfsmittel.
Wie haben Sie die App in Ihrem Unternehmen eingeführt und wie haben Sie dabei kommuniziert?
Wir nutzen die App seit Mai 2016 – zuerst in einer Testphase mit etwa zehn Nutzern und seit August in der ganzen Firma. Die Testphase hat dazu gedient, das Tool und den dazugehörenden Prozess kennenzulernen. Die Test-Nutzer habe ich persönlich geschult und dann Ihrem Glück überlassen – die App ist sehr intuitiv zu bedienen. Bei Gelegenheit habe ich mittels persönlicher Rückfrage die Befindlichkeiten sowie Rückmeldungen über das Tool eingeholt. Die Einführung habe ich dann in den regulären Mitarbeitergesprächen gemacht, damit Sinn und Zweck individuell erklärt und Fragen direkt beantwortet werden konnten. Natürlich nehmen gewisse Personen eine besondere Rolle ein, da sie die Akzeptanz eines solchen Tools und Prozesses stark beeinflussen können. Bei uns haben einige Seniors und Partner diese «Influencer»-Rolle und wurden speziell dafür geschult.
Sie sind als COO bei IT-Logix unter anderem für HR zuständig. Welche HR-Aufgaben und Herausforderungen kamen im Zusammenhang mit der Einführung und der Nutzung der App auf Sie zu?
Die Definition des Prozesses und die dazugehörende Kommunikation waren die wichtigsten Schritte für die Einführung. Nun geht es vor allem darum, den Prozess zu begleiten, bei Fragen zu helfen und die Adoption des Tools zu fördern. Neue Mitarbeitende werden im Rahmen des Ramp-up-Prozesses bereits in der Probezeit mit unserer Feedbackkultur – inklusive App – vertraut gemacht.
Koppeln Sie die App mit Mitarbeiter-Rankings oder Compensation&Benefits?
Mitarbeiter-Rankings sind meines Erachtens weder zeitgemäss noch effektiv – und auch kein gutes Management-Instrument. Daher verzichten wir auf People-Analytics und nutzen diese Zeit, um mit den Mitarbeitenden zu sprechen, sie zu begleiten oder auch einfach, um sie ungestört ihre Arbeit machen zu lassen. Auch im Bereich der Benefits vertreten wir eine andere Philosophie. Künstliche Anreizsysteme, gerade finanzieller Natur, sind meiner Meinung nach ein sehr heikles Instrument, das schnell unerwünschte Auswirkungen haben kann. Wir glauben, dass wir mit der Rekrutierung und auch dem Exit-Management über zwei viel mächtigere HR-Instrumente verfügen, die dafür sorgen, dass wir über eine motivierte, engagierte Truppe verfügen. Die Feedbacks sollen zur persönlichen Entwicklung dienen und nicht dazu, seinen Bonus zu maximieren. (af)