Arbeit und Recht

Richtig und gut vorbereitet sein für interne Untersuchungen

Viele Unternehmen haben eine Stelle bezeichnet, bei der Vorfälle oder unangemessene Verhaltensweisen gemeldet werden können. Doch nicht immer sind die Unternehmen auch ausreichend darauf vorbereitet, für den Fall, dass eine Meldung eine interne Untersuchung erfordert.

Die Art der Vorfälle, die eine unternehmensinterne Untersuchung auslösen können, ist vielfältig. Einerseits können es schlechte Verhaltensweisen gegenüber Teamkolleginnen und -kollegen sein, die einer näheren Abklärung bedürfen, andererseits negative Verhaltensweisen gegenüber dem Unternehmen selbst, insbesondere vermögensschädigende Handlungen.

Oft zu viel des Guten

Eine interne Untersuchung ist eine breit angelegte Sachverhaltserhebung. Nicht jede interne Abklärung ist deshalb gleichzusetzen mit einer internen Untersuchung. Eine solche ist dann gerechtfertigt, wenn ein Verhalten oder ein Vorgang von einer gewissen Schwere vorliegt. Aufgrund der oftmals sehr ausgedehnten Compliance-Tätigkeiten neigen Unternehmen dazu, nach jeder Meldung sogleich eine interne Untersuchung zu lancieren. Zu inflationär angesetzte Untersuchungen können jedoch dazu führen, dass die Mitarbeitenden diese nicht mehr ernst nehmen oder aber, dass bereits kleinere Unstimmigkeiten gemeldet werden, mit der Erwartung, diese müssten umgehend unternehmensweit untersucht werden. Beide Varianten liegen nicht im Interesse des Unternehmens.

Vorbereitung ist alles

Jedes Unternehmen sollte sich für eine allfällige interne Untersuchung vorbereiten. So müssen die Schritte nach einer Meldung definiert sein. Hilfreich sind grafische Prozessbeschriebe, mit denen dargestellt wird, was nach einer Meldung konkret geschieht und welche Stellen involviert werden. Die einzelnen Untersuchungsschritte können in einem Untersuchungsplan kurz beschrieben werden. Weiter sollte grundsätzlich geklärt werden, ob Personenbefragungen durch interne Stellen, wie zum Beispiel HR oder Legal, oder durch eine externe Fachperson erfolgen sollen. Interne Stellen müssen zwingend für diese Aufgabe geschult werden und externe Partnerinnen und Partner müssen wissen, dass sie bei einer internen Untersuchung aufgeboten werden und kurzfristig Kapazität zur Verfügung stellen sollen. Die Befragung durch eine externe Person verhilft in der Regel zu mehr Offenheit und Objektivität, zudem werden interne Vertrauensbeziehungen nicht belastet. Ist für die Untersuchung spezielles Fachwissen erforderlich, bietet sich ebenfalls eine externe Unterstützung an.

Jede interne Untersuchung führt zu Unruhe und Unsicherheit. Es ist daher das zentrale Interesse des Unternehmens, zeitnah aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen. Abgesehen von wenigen sehr aufwendigen und im Öffentlichkeitsinteresse stehenden Fällen sollte eine interne Untersuchung innert weniger Wochen abgeschlossen sein. Die Untersuchung soll genügend Erkenntnisgewinn zutage bringen, damit die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber entscheiden kann, ob Massnahmen, insbesondere personelle, ergriffen werden müssen.

Keine bedingungslose Anonymität notwendig

Die mit der internen Untersuchung beauftragte Stelle ist freier, als dies die Strafverfolgungsbehörden sind. Auch sind die Vorgaben des Strafprozesses nicht auf privatrechtliche Untersuchungen anwendbar (BGer 4A_368/2023). Das ist gut so und erleichtert insbesondere die Befragung in formeller Hinsicht. Und dennoch, ein Seitenblick zum Strafverfahren lohnt sich allemal. So kann zum Beispiel die Anonymität der Hinweisgebenden in Frage gestellt oder diese auf ein informelles Verfahren beschränkt werden. Denn auch die vermeintliche «Täterin» oder der vermeintliche «Täter» sollten in ihren Rechten geschützt sein und es ist auch nicht immer sinnvoll, den Hinweisgebenden – wie sehr häufig praktiziert – in allen Belangen absolute Anonymität zuzusichern. Abgesehen davon, dass mit einer solchen Whistleblower-Politik ein schädliches, von Misstrauen geprägtes Betriebsklima geschaffen wird, kann so gar nicht viel erfragt werden. Bei internen Untersuchungen entsteht oft der Eindruck, es gehe nur um das sture Einhalten von Compliance-Vorschriften statt um die Abklärung, ob der zur Last gelegte Sachverhalt dringende Massnahmen zum Schutz des Unternehmens oder der anderen Mitarbeitenden verlangt.

Sinnvoll kann es sein, den Meldeprozess zu unterteilen in eine informelle Phase und eine formelle Phase. In der informellen Phase können Hinweise anonym eingereicht werden, wonach die zuständigen Stellen über das weitere Vorgehen entscheiden. Demgegenüber sollte in der formellen Phase die oder der Hinweisgebende ihre oder seine Identität bekanntgeben müssen. Eine interne Untersuchung im eigentlichen Sinn sollte erst im formellen Teil des Prozesses stattfinden. Das bedeutet aber nicht, dass der informelle Teil nicht wichtig wäre – im Gegenteil, denn hier können Vorabklärungen getätigt und in vielen Fällen bereits Lösungen erzielt werden.

Pflichten der Mitarbeitenden

Nachdem das Einleiten einer internen Untersuchung beschlossen wurde, werden die Personen zur Befragung eingeladen. Es hängt von den konkreten Gegebenheiten ab, ob die Einladung vorab geschickt oder ob ohne Vorankündigung zum Gespräch gebeten wird. Es besteht keine Pflicht der Arbeitgeberin oder des Arbeitgebers, über den Gesprächsinhalt vorgängig zu informieren. Es kann aber sinnvoll sein, mit der Einladung anzudeuten, dass es um eine Befragung geht und wer diese führt. In der Einladung sollte darauf hingewiesen werden, dass die Teilnahme der Mitarbeitenden an der Befragung eine Pflicht ist. Diese ergibt sich aus der sogenannten Treuepflicht. Diese gilt aber nur für angestellte Mitarbeitende. Personen ausserhalb des Unternehmens oder solche, die aus dem Unternehmen ausgetreten sind, können nicht zur Mitwirkung verpflichtet werden. Dieser Umstand kann gegebenenfalls dazu führen, dass bei einer an sich gerechtfertigten fristlosen Kündigung zuerst eine Freistellung ausgesprochen werden muss, um die betreffende Person weiterhin befragen zu dürfen.

Zu Beginn der Befragung sollten die Mitarbeitenden über ihre Rechte und Pflichten aufgeklärt werden. Ein Aussageverweigerungsrecht steht ihnen nicht zu. Es liegt auf der Hand, dass Geschick und Erfahrung dabei helfen, dass die Mitarbeitenden tatsächlich zur Aussage motiviert werden. Befragungen sollten immer einzeln und nicht in Gruppen durchgeführt werden. Zudem macht es oft Sinn, diese durch eine neutrale, externe Person durchführen zu lassen.

Fazit: Informationen einholen sind Priorität

Unternehmen müssen sich auf interne Untersuchungen vorbereiten. Es muss klar definiert sein, was nach einer Meldung passiert, welche Stellen involviert werden und wann und wie die Mitarbeitenden befragt werden. Oberstes Ziel ist es, Informationen zu gewinnen, sodass das Unternehmen entscheiden kann, welche Personalmassnahmen zu ergreifen sind.

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Brigitte Kraus ist ­Inhaberin der Agentur konzis. Sie ist Juristin und Unternehmenskommunikatorin und begleitet Unternehmen in Ver­änderungssituationen, ­insbesondere bei Betriebsübernahme, Neuausrichtung, Personal­massnahmen sowie bei der Gesprächsführung und Verhandlung mit Gewerkschaften und Arbeitnehmer­vertretungen.

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