Betriebliches Gesundheitsmanagement

«Sagen, was Sache ist»

Kann das Management der Betrieblichen Gesundheit tatsächlich das Versprechen einlösen, alle Menschen über alle Lebensphasen hinweg gesund zu erhalten? Thomas Braun, Gründer der Beratungsfirma Sokrates Group, über die Möglichkeiten und Grenzen des BGM.

Herr Braun, braucht jedes Unternehmen ein BGM?

Thomas Braun: In Wirklichkeit hat jede Organisation ein BGM. Die Frage ist nur, ob es explizit so genannt wird und welche Wirkung es zeigt. In gut geführten Organisationen ist es Bestandteil der Führungsarbeit. Ein Unternehmen, das mit seinen Produkten, Lieferantenbeziehungen und Herstellungsprozessen Sinn stiftet und den Menschen zwischenmenschliche und monetäre Wertschätzung zukommen lässt, betreibt eine sehr wirksame Gesundheitsvorsorge. Am Ende geht es darum, dass Menschen im Arbeitsprozess würdevoll altern und mit den Kollegen im Betrieb verbunden bleiben, auch wenn sie krank sind oder invalid werden. Die Gesundheit der Mitarbeitenden entscheidet über deren körperliche und psychische Leistungsfähigkeit und bildet damit einen wichtigen Erfolgsfaktor für das Unternehmen. Sich Gedanken zu machen und zu überlegen, wo man als Unternehmen steht, ist sicher eine lohnende Investition.

Wie wird klar, ob ein Unternehmensproblem ein BGM-Problem ist?

Es stellt sich überhaupt die Frage, ob es BGM-relevante Probleme gibt. BGM ist aus meiner Sicht eine Massnahme und kein Ziel. Somit gibt es keine BGM-Ziele, die nicht gleichzeitig Organisationsziele sind. BGM ist ein Massnahmenbündel, um Organisationsziele und Werte zu erreichen und zu schützen. Jede Organisation sollte sich überlegen, ob sie eine BGM-Taskforce braucht, um das Gleichgewicht im Unternehmen wieder herzustellen. Ich glaube, dass die meisten Störfaktoren in der Organisation, in der Personalentwicklung oder sogar in der Sinnhaftigkeit eines Geschäftsfeldes stecken.

Zur Person

Thomas Braun ist Gründer der Sokrates Group. Mit dem «SokratesMapConcept» hat er eine Methode entwickelt, um auch in schwierigen Führungs- oder Verhandlungssituationen die relevanten Informationen möglichst rasch, vollständig und konstruktiv nachvollziehbar zu visualisieren. Die Instrumente kommen heute in der Industrie, in Dienstleistungsbetrieben sowie in der Verwaltung und Politik zum Einsatz.

Wann ist ein BGM erfolgreich?

Nur wenn über alle Hierarchiestufen die Einsicht herrscht, dass die Gesundheit der Mitarbeitenden tatsächlich ein bedeutender Erfolgsfaktor ist, wird das BGM seine Wirkung entfalten. Deshalb sollten die BGM-Aspekte auch in den Leitbildern, im Projektmanagement und in Weiterbildungen enthalten sein. Ohne ein explizites «BGM-Picture», das in allen Köpfen ständig erneuert wird, geht es nicht.

Wodurch unterscheiden sich erfolgreiche Unternehmen von weniger erfolgreichen?

Ohne transparente Kommunikation nützt jedes BGM-Konzept nichts und kann dann sogar Schaden anrichten. Menschen brauchen Orientierung. Das vermittelt ihnen Sicherheit. Transparente Kommunikation ist da der entscheidende Schlüsselfaktor, gerade auch, weil die Arbeitswelt immer komplexer wird. Alle Mitarbeitenden müssen wissen, was von ihnen und wofür erwartet wird. Wenn nur schon ein bisschen unehrlich oder verklausuliert kommuniziert wird, hat das unmittelbare Auswirkungen auf jeden Mitarbeitenden und löst mehr oder weniger Stress aus. Transparente Kommunikation heisst, die Karten auf den Tisch zu legen und klipp und klar zu sagen, was Sache ist. Zugleich gibt es Wechselwirkungen zwischen der Unternehmensstruktur und den einzelnen Menschen. So schleppt ein Mitarbeitender seinen Stress vom Büro nach Hause und trägt seine Sorgen vom Bett zum Sitzungszimmer. Während der Arbeitsplatz bestimmt kein therapeutischer Ersatz ist, kann er andererseits eine gesundheitsfördernde Wirkung entfalten, wenn diese Wechselwirkungen berücksichtigt werden. Grundsätzlich gilt jedoch, dass eine Organisation zuerst ihre strukturellen «Hausaufgaben» machen muss, bevor das BGM eingesetzt wird. Ohne diese Grundvoraussetzung läuft das BGM Gefahr, zuerst hohe Erwartungen zu schüren und danach zu Enttäuschungen zu führen, deren Folgen auch betriebswirtschaftlich nicht erwünscht sind.

Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur?

Eine Unternehmenskultur, die sich für das «Andere» respektvoll interessiert, unterstützt die Selbstregulierung der Menschen und dadurch auch deren Gesundheit. Wo sich die Menschen nicht nach ihrer eigenen Logik entfalten können und das Abweichen vom Erwarteten durch Routine gestraft wird, hat dies gesundheitliche Auswirkungen. Zwar verdienen Organisationen ihren Ertrag mit Routinen, doch mit der kreativen Auseinandersetzung sichern sie sich ihre langfristige Existenz.

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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