Betriebliches Gesundheitsmanagement – Prozesse

Schlüsselfaktor Prozessmanagement

Nicht optimal abgestimmte Prozesse wirken in einem Unternehmen wie Sand im Getriebe und beeinflussen das Wohlbefinden der Mitarbeitenden. Doch wie ortet man Schwachpunkte und wie geht man damit um? Stimmen aus der Praxis.

Während Grossunternehmen ihre BGM-Prozesse professionell dokumentieren, stossen kleinere und mittlere Unternehmen bei BGM-Zertifizierungen häufig auf Schwierigkeiten, denn oft haben diese ihre Prozesse nicht «verschriftlicht». Wie stellt man nun bei diffuser Sicht fest, wo man im Betrieblichen Gesundheitsmanagement am besten ansetzt, um mit geringem Auf­wand den grösstmöglichen Nutzen zu erzielen?

Fehlerbehaftete Prozesse aus der Innensicht zu erkennen, ist nicht ganz einfach. Oft fehlt dafür die nötige Distanz zum täglichen Geschehen. «Im Gespräch zwischen einem externen Assessor und der Unternehmensleitung kommt jedoch vieles zutage», versichern Eric Bürki, Projektleiter, und Monica Basler, Assessorin bei der Gesundheitsförderung Schweiz, einstimmig und nennen gleich mehrere Beispiele: So hätten etwa viele Unternehmen in der Praxis zwar den Umgang mit Kurz- und Langzeitabsenzen geregelt, diese würden jedoch von den Führungspersönlichkeiten oft ganz unterschiedlich umgesetzt, erklärt Bürki. «Das HR steht einer solchen Situation dann oft hilflos gegenüber.» In der Kommunikation zeigen sich solche Ungereimtheiten vor allem durch Widersprüche und nicht kongruente Aussagen.

Unklare Zielsetzungen und unstrukturiertes Planungsvorgehen, unklare Zuständigkeiten sowie zur Gänze fehlende Auswertungen seien weitere Indikatoren für mangelhafte Prozesse, ergänzt Monica Basler. «Häufig macht und macht und macht man. Auch wenn weniger manchmal mehr wäre», führt die Assessorin aus. «Es wird nicht durchdacht, was man mit einer Massnahme erreichen will, die Ziele sind nicht klar formuliert und auf die Zielgruppen angepasst. Damit wird es schwer nachzuweisen, was eine Massnahme gebracht hat.» Oft würden BGM-Verhaltensmassnahmen zudem nicht mit den BGM-Verhältnissen in Einklang gebracht: «Wenn mir ein Unternehmen eine Burnoutprophylaxe bezahlt, ich aber mit immer mehr Mails überhäuft werde und von mir erwartet wird, dass ich am Sonntag-abend antworte, empfinde ich BGM als zynisch.»

Mit wenigen Tools zum Überblick

Damit die Unternehmen selbständig eine Standortbestimmung durchführen können, stellt die Gesundheitsförderung Schweiz verschiedene Instrumente zur Verfügung:

1. Self-Assessment-Tool

«Mit dem Self-Assessment-Tool macht das Unternehmen eine Auslegeordnung über die ganze Organisation hinweg. Dabei werden viele Struktur- und Prozessmängel sichtbar. In diesem Kontext merkt ein Unternehmen beispielsweise, dass sich die Geschäftsleitung nicht oder zu wenig mit Ge­­sund­heitszahlen auseinander setzt.

2. S-Tool und KMU-vital

Erhebungsinstrumente wie das «S-Tool» oder die Mitarbeiterbefragung von «KMU-vital» zeigen bis zur Abteilungsstufe, wo Handlungsbedarf besteht.

3. Assessment-Bericht

Weitere Hinweise zu Brennpunkten erhalten die Unternehmen in einem etwa 30-seitigen Assessment-Bericht. Dort werden die Stärken und Potenziale des BGM festgehalten und grundsätzliche Empfehlungen abgegeben.

Im Zentrum des eigentlichen Assessments steht die Frage, ob das BGM im Unternehmen tatsächlich gelebt wird oder bloss Einzelmassnahmen ergriffen werden. Vertieft betrachtet wird in diesem Zusammenhang, ob das BGM in der Geschäftsleitung und in der Führung verankert ist, langfristig Ressourcen für das BGM gesprochen wurden, ob ein Case Management existiert und Wiedereingliederungen geplant werden. Auch die Ergebniskontrolle ist ein Thema. Existieren Ziele, die regelmässig überprüft werden? Lernt das Unternehmen aus deren Auswertung und passt es die BGM-Strategie regelmässig an? «Unternehmen, die bereits nach EFQM oder ISO zertifiziert sind, haben es da schon leichter, da vieles bereits ausgearbeitet wurde und im Zertifizierungsprozess des «Friendly Workspace» übernommen werden kann», bemerkt Monica Basler.

Brennpunkte im Unternehmen erkennen

Zu wissen, wo anzupacken ist, ist bereits die halbe Miete. Wie setzt man nun die richtigen Prioritäten? Einerseits deuten bereits die Erkenntnisse des Self-Assessments und die Empfehlungen des Assessment-Berichts auf Brennpunkte im Unternehmen hin. Andererseits liefert die Gewichtung der Kriterien des «Friendly Workspace»-Labels weitere Anhaltspunkte: So werden Prozesse, welche die Unternehmenspolitik betreffen, mit 20 Prozent gewichtet, während die Planung des BGM beispielsweise nur 15 Prozent der Gesamtpunktzahl ergibt.

Welche Prozesse zuerst angepackt und wie diese in der Praxis ausgestaltet werden sollen, ist den Unternehmen beim Assessmentprozess freigestellt. Auch, wie lange die Assessmentvorbereitung dauert. «Die Dauer bis zur Zertifizierungsreife eines Unternehmens ist unterschiedlich. Das hängt weitgehend davon ab, wie gross ein Unternehmen ist, welche Geschäftsaktivitäten es betreibt und was es heute bereits für die Gesundheit der Mitarbeitenden tut», erläutert Bürki. Wichtig sei, dass das Projekt breit abgestützt sei und über das HR hinausgehe: «Idealerweise hat jemand der GL darin Einsitz. Ansonsten besteht die Gefahr, dass das BGM zu einer Alibiübung wird.»

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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