Mikrotrends

Schluss mit den HR-Buzzwords: Warum sie mehr schaden als nützen

Von «Quiet Quitting», «Anti-Perks», «Rage Applying» bis hin zu «The Great Regret»: Ständig tauchen neue Buzzwords auf, unhinterfragt aus einflussreichen, aber fremden Märkten wie den USA übernommen. Aufgebläht durch Social Media, werden diese Mikrotrends schnell zum vermeintlichen Massenphänomen. Wo bleibt der Realitätsbezug?

In den vergangenen Jahren haben sich im Reich der Personalabteilungen und im HR-Kosmos zahlreiche Buzzwords eingenistet. Diese sprachlichen Stilblüten versprechen Beschreibungen und Lösungen für die Hürden moderner Arbeitswelten. Doch während sie anfänglich als hilfreiche Instrumente zur Trendanalyse galten, sind sie mittlerweile zu einer Quelle der Verwirrung und Oberflächlichkeit mutiert. Es lohnt sich, einen kritischen Blick hinter die Fassade der HR-Buzzwords zu werfen und zu beleuchten, welche Auswirkungen sie auf das tiefere Verständnis der realen Problematiken von Unternehmen haben.

Fassadenschau der Buzzword-Kultur

In der Social-Media-Welt tauchen immer wieder neue Begriffe auf, die das Arbeitsverhalten der Mitarbeitenden beschreiben und oftmals eine gewisse Haltung widerspiegeln, wie etwa «Quiet Quitting» und «Bare Minimum Monday». Doch leider werden diese HR-Buzzwords allzu oft oberflächlich verwendet, ohne dass ihre tatsächliche Bedeutung und Auswirkung wirklich verstanden werden.

Die Verwendung der Schlagworte wird zu einer reinen Modewelle, bei der die Worte selbst an Bedeutung gewinnen, aber ihre praktische Anwendung und tiefergehende Interpretation vernachlässigt wird. Dadurch geraten wir in einen Strudel der Oberflächlichkeit, in dem die Diskussionen von trendigen Schlagworten beherrscht werden, die letztendlich wenig Substanz bieten. Statt auf fundierte Analysen und wirkungsvolle Lösungsansätze zu setzen, dominieren die Konversationen um Begriffe wie «Great Resignation» (deutsch: die grosse Kündigungswelle) und «Acting your wage» (deutsch: entsprechend der Gehaltsklasse Leistung erbringen), ohne dass die eigentlichen Herausforderungen und deren Bewältigung im Fokus stehen.

Es ist wichtig, diese Buzzword-Kultur im HR-Bereich kritisch zu hinterfragen und den wahren Kern hinter den Begriffen zu erkennen. «Quiet Quitting» beispielsweise beschreibt die leise Abwendung von Mitarbeitenden, die innerlich bereits gekündigt haben, aber äusserlich noch anwesend sind. «Bare minimum Monday» hingegen spiegelt die Einstellung wider, dass Arbeitnehmende lediglich das Nötigste leisten, um den Montag zu überstehen. Doch allein die Verwendung dieser Begriffe reicht nicht aus, um die eigentlichen Probleme, wie Leistungsdruck, fehlende Motivation oder Identifikation mit dem Unternehmen, anzugehen und nachhaltige Veränderungen herbeizuführen.

#nofilter

Der Einfluss von sozialen Medien auf die Buzzword-Kultur im HR-Bereich ist nicht zu unterschätzen. Buzzwords werden von einzelnen Personen geschaffen und in den unendlichen Wirren der sozialen Medien verbreitet. In unserer schnelllebigen Zeit werden Mikrotrends so mit atemberaubender Geschwindigkeit zu vermeintlichen Massenerscheinungen stilisiert. Dabei verführen sie uns dazu, oberflächlichen Phänomenen eine überproportionale Bedeutung beizumessen, während die wahren Herausforderungen und Probleme im Hintergrund verblassen. Durch diese verzerrte Wahrnehmung werden wir von einer gründlichen und fundierten Auseinandersetzung mit den eigentlichen Fragestellungen abgelenkt.

Hinzu kommt, dass trotz unserer globalisierten Welt Modeworte aus anderen Sphären nicht automatisch auf unsere Region übertragbar sind. Nicht jeder Trend aus anderen Ländern, vorrangig den USA, schwappt nach Deutschland über oder ist hier gleich zu behandeln. Die Arbeitskultur in den USA etwa ist oft von einem hohen Leistungsdruck, langen Arbeitszeiten und einer stärkeren Fokussierung auf individuellen Erfolg geprägt. Im Gegensatz dazu legen Unternehmen im DACH-Raum mehr Wert auf Work-Life-Balance, eine ausgeprägte soziale Absicherung, strikte Arbeitszeitregelungen und eine stärkere Betonung der Teamarbeit. Angesichts dieser unterschiedlichen Arbeitswelten gilt es zu erkennen, dass Social-Media-Trends und Buzzwords aus den USA nicht einfach eins zu eins auf die hiesige Arbeitskultur übertragbar sind. Es bedarf einer differenzierten Betrachtung, um ihre Relevanz und Anwendbarkeit im DACH-Kontext zu bewerten.

Die Internet-Propheten

Wie viele andere Trends von Social Media können auch HR-Buzzwords eine Eigendynamik bekommen und zuletzt sogar zur «selbsterfüllenden Prophezeiung» werden. Wenn wir immer wieder bestimmte Begriffe und Konzepte betonen und ihnen viel Aufmerksamkeit schenken, bekommen sie tatsächlich eine Bedeutung und beeinflussen unser Verhalten. Das Ganze wird dann zu einem Kreislauf, bei dem die Buzzwords selbst zu Handlungen und Entscheidungen führen. Das kann gute oder schlechte Folgen haben. So kann es sein, dass sowohl Mitarbeitende als auch Führungskräfte sie ernst nehmen und ihr Verhalten danach anpassen. Wenn das Management etwa Angst hat, dass die Mitarbeitenden zum Wochenstart aufgrund von «Bare Minimum Monday” weniger leisten, sind sie eventuell versucht, dem mit mehr Meetings oder Aufgaben entgegenzuwirken. Damit wird jedoch nicht auf ein echtes Problem reagiert, sondern auf einen diffusen Trend, der von den Mitarbeitenden nicht nachgeahmt wird. Im schlimmsten Fall reagieren die Angestellten auf die vermehrte Arbeitslast mit Ressentiments, was zu eben der Verhaltensweise führt, die ursprünglich unterstellt wurde.

Wenn die Buzzwords auf vernünftigen Ideen basieren und uns helfen, besser zusammenzuarbeiten, dann ist das natürlich eine positive Entwicklung. Wenn sie uns allerdings in eine Scheinwelt locken und wir die echten Probleme vergessen, dann ist das äusserst kritisch. Deshalb ist es wichtig, darüber nachzudenken, was diese Buzzwords wirklich bedeuten und wie sie unsere Arbeitskultur beeinflussen. So können wir sicherstellen, dass sie uns wirklich weiterbringen.

Eine kritische Haltung einnehmen

Um die Effektivität von HR-Massnahmen zu maximieren, bedarf es einer kritischen Geisteshaltung, die sich nicht von leeren Worthülsen leiten lässt. Unternehmen sollten vielmehr auf umfassende Datenanalysen und tiefgehende Erkenntnisse setzen, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Indem sie Daten zur Mitarbeiterfluktuation, -zufriedenheit und internen Kommunikationsströmen sammeln und auswerten, können sie wertvolle Einsichten gewinnen. Diese ermöglichen es, Muster zu erkennen, die tief verwurzelten Ursachen von Problemen aufzudecken und nachhaltige Lösungen zu entwickeln. Nur durch eine datengestützte Herangehensweise können Unternehmen ihre HR-Strategien kontinuierlich verbessern und die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden effektiv erfüllen.

Der reine Fokus auf HR-Buzzwords ist daher unzureichend, um wirkliche Herausforderungen in Unternehmen zu bewältigen. Unternehmen sollten sich von der blossen Oberflächlichkeit lösen und eine tiefgehende Herangehensweise annehmen. Es gilt, die verführerische Faszination der Buzzwords zu überwinden und stattdessen auf solide Analysemethoden und eine ganzheitliche Betrachtung der HR-Strategie zu setzen. Nur so können nachhaltige Lösungen entwickelt werden, die die wahren Bedürfnisse der Mitarbeitenden und des Unternehmens erfüllen.

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Karim Gharsallah
Karim Gharsallah ist HR Project Manager bei Tellent. Nach seinem Bachelor in angewandter Psychologie entdeckte er seine Leidenschaft für die Welt der Talentakquise. Karim baut mit Begeisterung leistungsstarke Teams in herausragenden, schnell wachsenden Organisationen auf, in denen Geschäfts- und Personalentwicklung die gleiche Priorität besitzen. Geboren und aufgewachsen in Apeldoorn in den Niederlanden, eröffnet ihm seine Niederländisch-Tunesische Abstimmung eine globale und diverse Perspektive. linkedin.com/in/karimgharsallah
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