Schwierige Gefühle im fremden Land: Welche Unterstützung brauchen Expats?

Expatriierte, kurz Expats, sind Mitarbeitende von Schweizer Firmen, die für eine gewisse Zeit in einer Filiale im Ausland arbeiten. Dort übernehmen sie neue Kunden, haben wichtige Schnittstellenfunktionen und werden in der ausländischen Arbeitswelt auf vielseitige Weise beruflich herausgefordert. Doch in der spannenden neuen Welt erleben sie immer wieder auch schwierige Situationen, auf die sie nicht vorbereitet sind, und für deren Bewältigung sie eigentlich Unterstützung bräuchten.

Im Ausland sind die Expats mit einer neuen Umwelt, mit der Integration in eine neue (Arbeits-)kultur und unter Umständen auch mit neuen Familienverhältnissen konfrontiert. Man muss sich im neuen Heim einleben, den neuen Ort kennenlernen, die staatlichen Strukturen verstehen und neue Freunde finden. Zudem verändert sich die Konstellation der Partnerschaft, denn in den meisten Fällen kann der Partner oder die Partnerin keine Arbeitsstelle im neuen Land finden und muss sich neu orientieren. Auch die Arbeitswelt ist eine vollkommen andere. Die Firma ist zwar dieselbe, doch oft gibt es in anderen Ländern andere Organisationsstrukturen, neue Ansprechpartner, neue Vorgesetzte und vollkommen neue Umgangsformen. Bei all den spannenden neuen Aufgaben erleben Expats häufig schwierige Gefühle, die ihnen in diesem Ausmass weniger bekannt oder sogar neu sind wie zum Beispiel Wut, Frust, Angst oder das Gefühl von Ohnmacht.

Emotionen erfolgreich regulieren

Im Heimatland haben die Expats gelernt, mit den erlebten Gefühlen umzugehen und sie in einer angemessenen Art und Weise zu äussern. Die Fähigkeit, die eigenen Gefühle zu erkennen und zu regulieren, die sogenannte Emotionsregulationskompetenz, ist im Arbeitsalltag sehr wichtig. Für das Zusammenarbeiten und -leben ist es zudem hilfreich, Gefühle sozial verträglich auszuleben, also sie im gegebenen Kontext verständlich einzubetten. Gerade im Kontakt mit Menschen aus anderen Kulturen ist diese Fähigkeit besonders relevant, da es hier schnell zu unangepasster Kommunikation und zu irritierenden Konflikten kommen kann. Expats erleben in ihrer Relocation-Zeit täglich eine speziell intensive Art der Zusammenarbeit. Die neuen Erfahrungen, die neue Lebenssituation, sowie die hohen Erwartungen der Firma an ihre Mitarbeitenden im Ausland, können sie stark fordern, manchmal auch überfordern.

Wenig Unterstützung durch die Firmen

Wie die Wissenschaft zeigt, kann eine erfolgreiche Regulation von negativen Gefühlen die Wahrscheinlichkeit eines Arbeitsabbruchs im Ausland verringern. Die Emotionsregulationskompetenz ist daher zentral für einen erfolgreichen Auslandaufenthalt. Trotzdem wird das Thema in heutigen firmeninternen oder -externen Trainings- und Unterstützungsangeboten kaum beachtet. Eine erfolgreich abgeschlossene Masterarbeit in Angewandter Psychologie an der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften konnte nun zeigen, wie wichtig es wäre, die Themen «Gefühle» und «Emotionsregulation» in Unterstützungsangebote für Expats aufzunehmen. In umfangreichen Interviews wurden Expats in Indien gefragt, was ihre Firmen tun können oder bereits tun, um sie im Bereich der Emotionsregulierung zu unterstützen. Die Resultate zeigen, dass sich die Expats grundsätzlich Unterstützung in allen Phasen des Auslandsaufenthalts (Vorbereitung, Aufenthalt, Rückkehr) wünschen, jedoch in jeder Phase andere Themen relevant sind. Gerade die Schwierigkeiten bei der Rückkehr in die Schweiz werden häufig unterschätzt, da erwartet wird, dass alles so ist wie vor dem Auslandaufenthalt. Durch die neuen Erfahrungen im Ausland ist jedoch normalerweise eine Reintegration erforderlich, die ebenfalls sehr anstrengend sein kann. Ausnahmslos alle Expats betonen die Wichtigkeit des Austauschs mit anderen Expats, da hier – im Sinne von «geteiltes Leid, halbes Leid» – schwierige Erfahrungen und Gefühle besprochen und letztere besser eingeordnet werden können. Zudem sollten ihrer Meinung nach Themen wie «Gefühle im Zusammenhang mit einem Auslandaufenthalt» und «Umgang mit schwierigen Gefühlen» in bereits vorhandene Kompetenztrainings aufgenommen werden. Da die Schwierigkeiten sehr individuell sind (Familiensituation, Gegebenheiten des Landes, Dauer des Aufenthaltes, etc.) scheint Unterstützung, die auf die individuellen Bedürfnissen der Expats angepasst ist, am vielversprechendsten. Dafür bieten sich Coachings oder Mentorings besonders an – idealerweise mit einem Coach/Mentor, der selbst über Arbeitserfahrungen im Ausland und psychologische Grundkenntnisse verfügt und helfen kann, Emotionen zu regulieren, kulturelle Eigenarten zu verstehen und Austauschmöglichkeiten zu vermitteln.

Das können Firmen tun

Vor dem Aufenthalt:

  • Geben Sie den Expats neben kulturellen Hintergrundinformationen auch Informationen zum Thema Gefühle im interkulturellen Setting.
  • Bieten Sie Trainings zur Aneignung von spezifischen Bewältigungsstrategien an (z.B. Achtsamkeitstrainings).
  • Sprechen Sie mit Ihren Expats über mögliche Schwierigkeiten und Konsequenzen auch im privaten Bereich. Zu wissen, dass die eigene Veränderung auch Familie und Freunde betrifft, kann Verständnis fördern und den Druck, nicht zu versagen, verringern.

Während dem Aufenthalt:

  • Bieten Sie den Expats Möglichkeiten, sich mit anderen Expats und Einheimischen auszutauschen.
  • Arrangieren Sie Coachings/Beratungen, die von den Expats nach Bedarf in An-spruch genommen werden können.
  • Bieten Sie Ihren Expats auch während des Aufenthalts Möglichkeiten, sich neue Emotionsregulationsstrategien anzueignen (z.B. durch Achtsamkeitstrainings, Coachings oder spezielle E-Learning Programme)
  • Unterstützen Sie Ihre Expats bei konkreten Problemen wie Familienthemen oder Wohnungssuche am neuen Ort und wieder daheim.
  • Suchen Sie das Gespräch mit Ihren Expats: Fragen Sie nach ihren Gefühlen und Schwierigkeiten – auch wenn solche Frageninhalte ungewohnt sind.

Nach dem Aufenthalt:

  • Sprechen Sie mit den Expats über Schwierigkeiten bei der Rückkehr und unter-stützen Sie sie wo immer möglich.
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Simone von Ah, MSc, hat ihr Psychologiestudium mit Schwerpunkt Arbeits- und Organisationspsychologie im Februar 2016 abgeschlossen. Ihre Forschungsinteressen liegen unter anderem bei der interkulturellen Psychologie.

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Verena Berchtold-Ledergerber, Dipl. Psych. FH/SBAP, Dozentin im Bereich Studium & Forschung. Begleiterin von themenbezogenen Arbeiten im Masterstudium.

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