HR Today Nr. 7&8/2017: HR als Gastgeber

«Service im Blut»

Zu Gast im Park Hyatt Zürich lud HR Today drei HR-Leader mit Wurzeln in der Hospitality-Branche zum Gedankenaustausch: Gastgeberin Stephanie Hürttle, Area Director of HR Hyatt, Richard Oehler, stellvertretender Direktor beim HR der Stadt Zürich, und Lorenzo Plumettaz, frischgebackener HR-Chef bei Manor.

Im HR finden sich klassischerweise Juristen und Psychologen, interessanterweise aber auch viele Persönlichkeiten mit einem Background in der Hotellerie und Gastronomie. Frau Hürttle, wie sind Sie ins HR gekommen?

Stephanie Hürttle: Eigentlich hatte ich nach dem Abitur tatsächlich ein Psychologiestudium in Betracht gezogen, mich aber zugunsten von mehr Praxisbezug für die Hotelfachschule Luzern entschieden, weil mich der duale Ansatz einer Berufslehre kombiniert mit akademischen Elementen reizte. Während des Studiums durchlief ich verschiedene Stationen in Küche, Housekeeping, Restauration und an der Réception. Mein letztes Kaderpraktikum absolvierte ich 2007 im damals frisch eröffneten Park Hyatt Zürich in der Personalentwicklung der HR-Abteilung sowie im Sales-Marketing-Team. Dabei stellte ich fest, dass der Sales-Marketing-Bereich, der bei den meisten Studenten hoch im Kurs stand, überhaupt nicht mein Ding war, weil er weniger kreativ war, als ich dachte. Ich merkte, dass mich Mitarbeiterthemen mehr reizen und ich mich dort viel stärker entfalten kann. So trat ich 2007 nach Abschluss der Hotelfachschule im  Park Hyatt Zürich als Training-Manager meine erste Stelle an. Dabei wollte ich ursprünglich nie in einem Hotelkonzern arbeiten, da diese eher standardisiert und kühl auf mich gewirkt haben. Diese Standardisierung, die Hotels in den 80er- und 90er-Jahren erfolgreich gemacht hat, ist längst passé. Mittlerweile bin ich seit zehn Jahren bei Hyatt. Und es macht mir noch immer ungemein Spass, in einem Unternehmen zu wirken, das derart in Bewegung ist, den Mitarbeiter wirklich ins Zentrum stellt und Perspektiven eröffnet. So erhielt ich nach drei Jahren die Chance, als Director of HR und Mitglied der Geschäftsleitung die Personalabteilung des Park Hyatt Zürich zu übernehmen. Seit 2014 bin ich als Area HR Director verantwortlich für die Schweiz, Italien, Holland und Marokko.

Richard Oehler: Ich komme aus einer Ostschweizer Textilkaufmann-Familie, die international tätig war. Deshalb bin ich schon als Kind mit der Familie sehr viel gereist und war dabei auch in vielen Hotels unterwegs. Für mich war bereits im Alter von 13 Jahren klar, dass ich Hoteldirektor werden will. Das bin ich auch gezielt angegangen mit einer Ausbildung an der Hotelfachschule Lausanne. Nach dem Aufbau einer Gastronomie-Treuhand-Firma in Liechtenstein und einem Engagement bei Swissôtel im Food&Beverage-Bereich habe ich im Hotel St. Gotthard in Zürich meine erste Personalleiterstelle angetreten. Das war relativ anspruchsvoll. Danach wurde ich von Mövenpick abgeworben, wo ich als Corporate Director HR & Training für die Hotelgruppe mit damals rund 30 Häusern international Trainingprogramme für Management-Trainees aufbaute und weltweit Eröffnungen begleitete. Ein Direktor sagte mal zu mir: «Wenn du als HR wirklich mitreden willst mit uns hier am Tisch, dann musst du selber einen Betrieb führen, sonst bist du nicht auf dem gleichen Level.» Das hatte was für sich. So schickte mich der CEO nach Ägypten, wo ich für Mövenpick Ressorts nach Ende des ersten Golfkriegs Hotelbetrieb mit wirtschaftlichen Herausforderungen übernehmen konnte: Golfkrise, keine Gäste, falsche Marketing-Strategie. Der Vertrag war auf zwei Jahre angelegt, aber es hat mir dort unten so gut gefallen, dass es fünf Jahre wurden. Ich hatte die totale Ruhe, musste einfach Gewinn bringen und die Kundenzufriedenheit sicherstellen – ansonsten hatte ich freie Bahn. Dann kam der Terroranschlag in Luxor, wo viele der Opfer meine Gäste waren. Womit das Geschäft ruiniert war. Mövenpick hat mich an den Hauptsitz zurückgerufen und mir die gesamte HR-Verantwortung, sowie die Schulung der operativen Standards in Kombination mit der Kundenzufriedenheit übertragen. Das war eigentlich die perfekte Position für mich und eine enorm spannende Zeit. Vor acht Jahren hat man bei Mövenpick im Rahmen einer Dezentralisierungsstrategie das Headoffice für massgebende Positionen verschlankt. Das war der Zeitpunkt, meine beruflichen Weichen neu zu stellen. Wobei ich feststellen musste, dass es für mich in der Schweizer Hotellerie gar nicht so einfach war, interessante Jobs zu finden. An den spannenden Stellen bleiben die Leute oft bis zur Pension oder man hat Respekt vor Leuten, die lange im Ausland waren, weil man nicht abschätzen kann, wie lange sie es in der Schweiz aushalten. So habe ich die Verantwortung als stellvertretender Direktor im zentralen HR der Stadt Zürich übernommen, welches für das HR der Stadt mit 30 000 Mitarbeitern zuständig ist. Meine Hauptverantwortung besteht darin, dass alle 30 000 am Ende des Monats pünktlich und korrekt ihren Lohn erhalten. Nebst der Payroll bin ich namentlich auch für die IT, die Finanzen, das Personal und das Facility Management verantwortlich. Auch wenn ich gerne an meine Zeit in der Hotellerie zurückdenke, habe ich den Eindruck, den Cut zur richtigen Zeit geschafft zu haben.

Herr Plumettaz, wie verschlägt es einen gelernten Koch ins HR?

Lorenzo Plumettaz: Ich bin in einer Künstlerfamilie aufgewachsen. Meine Eltern waren Profimusiker. Ich hatte ebenfalls eine künstlerische Ader und das Bedürfnis, etwas mit den Sinnesorganen zu machen, aber bloss nicht als Musiker! So bin ich auf Koch gekommen. Ich habe im Berner Oberland in einem Fischspezialitäten-Hotel-Restaurant meine Lehre gemacht. Da entstand  die Vision, dass ich Hoteldirektor werden möchte. Deshalb habe ich in Zürich die Hotelfachschule Belvoirpark besucht und bin danach 1998 bei Mövenpick in Regensdorf als Food& Beverage-Koordinator eingestiegen. Mit meinem Mentor bin ich darauf gekommen, dass es für die Fortsetzung meiner Karriere gut wäre, mir auch Skills in Verkauf, Betriebswirtschaft oder HR anzueignen. Da war die HR-Leiter-Stelle im Hotel Zürich Airport frei, weil die Topkandidatin abgesagt hatte. So habe ich diese Stelle übernehmen dürfen. Nach drei Jahren musste ich entscheiden, ob ich auf der HR-Schiene bleibe oder die Karriere zum Hoteldirektor weiterverfolge. Weil sich bei der Swisscom die Möglichkeit eröffnete, in einer strategischen HR-Position im Fixnet-Bereich das HR-Businesspartner-Modell aufzubauen, bin ich definitiv im HR gelandet. Danach konnte ich bei Ford Schweiz und später für ganz Europa die HR-Gesamtverantwortung übernehmen. Dort beschäftigte ich mich aufgrund der damaligen Baisse mit Stellenabbau und Restrukturierung, danach aber auch mit dem Aufbau – vorwiegend in Osteuropa, wo wir Fabriken übernahmen. Das war sehr spannend. Nach sieben Jahren bei Ford war ich allerdings vor allem vom Reisen doch sehr müde. Ich wollte eigentlich eine Pause einlegen und stiess stattdessen als HR-Chef zu Rheinmetall Air Defence. Das habe ich vier Jahre gemacht und mich im Dezember entschieden, das Unternehmen Anfang des Jahres zu verlassen. Seit anfangs Mai bin ich bei Manor. Der Detailhandel und die Firma befinden sich in einer Transformationsphase. Dies mit einem neuen CEO und einer Besitzerfamilie, die aktiv viele Ideen für den Change  einbringt – also alles herausfordernde Themen auf der Agenda.

Frau Hürttle, könnten Sie sich vorstellen, eines in einer anderen Branche im HR zu arbeiten?

Hürttle: Wer weiss, es gibt viele spannende Branchen. Was ich in der Hotellerie im HR allerdings unheimlich interessant finde, ist der Ansatz der Gleichstellung von externen und internen Kunden. Ein Approach, der gerade bei Hyatt intensiv gelebt wird. Dieses Verhältnis glaubwürdig zu organisieren, ist äusserst anspruchsvoll. Wir versuchen, mit unseren Mitarbeitern so umzugehen, wie wir erwarten, dass sie auch mit den Gästen umgehen. Das hilft uns, mögliche Distanzen zu überbrücken.

Stephanie Hürttle, Area Director of HR Hyatt, Schweiz, Holland, Italien, Marokko

[[{"fid":"24932","view_mode":"default","fields":{"format":"default","field_file_image_alt_text[und][0][value]":false,"field_file_image_title_text[und][0][value]":false,"field_image_description[und][0][value]":""},"type":"media","field_deltas":{"1":{"format":"default","field_file_image_alt_text[und][0][value]":false,"field_file_image_title_text[und][0][value]":false,"field_image_description[und][0][value]":""}},"link_text":null,"attributes":{"height":"500","width":"500","style":"width: 300px; height: 300px; float: left;","class":"media-element file-default","data-delta":"1"}}]] In Stuttgart in einem handwerklichen Familienbetrieb aufgewachsen, erwägt Stephanie Hürttle (34) nach dem Abitur ein Psychologiestudium, entscheidet sich aber für die Hotelfachschule Luzern. Während der Ausbildung durchläuft sie verschiedene Stationen in Küche, Housekeeping, Restauration und an der Réception. Im frisch eröffneten Park Hyatt Zürich absolviert sie 2007 ein Kaderpraktikum in der HR-Abteilung, wo sie ihre Leidenschaft für die Personalentwicklung entdeckt. Nach Abschluss der Hotelfachschule tritt sie dort als Training-Manager ihre erste Stelle an.

Nach drei Jahren in der Personalentwicklung erhält sie 2010 die Chance, als HR Director die Personalabteilung zu übernehmen, und wird Mitglied der Geschäftsleitung des Park Hyatt Zürich. Parallel dazu absolviert sie einen MAS in Business-Psychology an der Fachhochschule für angewandte Psychologie in Olten. 2014 tritt sie ihre aktuelle Position an als Area Director of Human Resources mit der Länderverantwortung für Schweiz, Italien, Holland und Marokko.

Was meinen Sie mit «Distanzen»?

Hürttle: In unserem Business geht es darum, die Gäste mit Enthusiasmus und Empathie zu begeistern. Die Herausforderung besteht gerade in der Luxushotellerie darin, dass viele Mitarbeiter GAV-konforme Mindestlöhne haben. Gleichzeitig zahlt ein Gast vielleicht 800 Franken für eine einzige Übernachtung. Für diese Gäste auf charmante Weise ein Erlebnis zu kreieren und eine emotionale Bindung herzustellen, braucht es viel Leidenschaft – sei es als Zimmermädchen oder Servicefachkraft. Im Grunde verkaufen wir Essen, Trinken und Übernachtungen. Es sind nicht die Strategen, die im Background sitzen, sondern die Mitarbeiter an der Front, die den Unterschied machen. Unser Ziel ist es, die Mitarbeiter so zu unterstützen, dass sie eben an dieser Front Höchstleistungen abrufen und sich gleichzeitig wohl fühlen, frei bewegen und authentisch wirken können.

Oehler: Der Aspekt dieser Distanz ist tatsächlich interessant. Man kann es sich in der Hotellerie tatsächlich nicht leisten, den Mitarbeiter und den Kunden anders zu behandeln. Die Begeisterung und die Haltung machen die Essenz der Hospitality-Branche aus. Darin unterscheidet sich diese Industrie fundamental von anderen.

Richard Oehler, stv. Direktor HR Stadt Zürich

[[{"fid":"24933","view_mode":"default","fields":{"format":"default","field_file_image_alt_text[und][0][value]":false,"field_file_image_title_text[und][0][value]":false,"field_image_description[und][0][value]":""},"type":"media","field_deltas":{"1":{"format":"default","field_file_image_alt_text[und][0][value]":false,"field_file_image_title_text[und][0][value]":false,"field_image_description[und][0][value]":""}},"link_text":null,"attributes":{"height":"500","width":"500","style":"width: 300px; height: 300px; float: left;","class":"media-element file-default","data-delta":"1"}}]] Im St. Galler Rheintal in einer Textilkaufmann-Familie aufgewachsen, ist Richard Oehler (58) schon als Kind viel auf Reisen und in Hotels unterwegs. Bereits mit 13 Jahren weiss er, dass er Hoteldirektor werden will. Er absolviert die Hotelfachschule Lausanne, die er mit einer Wirtschaftsausbildung in Zürich, Paris und London ergänzt. Nach dem Aufbau einer Gastronomie-Treuhand-Abteilung in Liechtenstein steigt er bei Swissôtel im Food&Beverage-Bereich ein.

Danach tritt er im Hotel St. Gotthard in Zürich seine erste Personalleiterstelle an. Zwei Jahre später wird er von Mövenpick Hotels & Resorts abgeworben und startet als Corporate Director HR & Training. Nach Ende des Ersten Golfkriegs schickt man ihn nach Ägypten, wo er einen Hotelbetrieb übernimmt und fünf Jahre führt. Nach dem Terroranschlag in Luxor wird er in die Schweiz zurückgerufen und übernimmt für die Mövenpick Hotelgruppe die ganze Eröffnungs- und Schulungsverantwortung mit viel Reisetätigkeit in Europa sowie im Nahen, Mittleren und Fernen Osten. Kurz vor seinem 50. Lebensjahr verlässt er Mövenpick wegen einer Umstrukturierung und kehrt in die Schweiz zurück, wo er als stellvertretender Direktor bei HR Stadt Zürich das zentrale HR der Stadt mitgestaltet.

Haben Kandidaten bei Ihnen eigentlich bessere Chancen, wenn sie aus der Gastgeber-Branche kommen?

Oehler: Absolut. Ich nehme eigentlich nur solche Leute. (Heiteres Gelächter) Nein im Ernst, es kommt darauf an, für welche Bereiche. Wenn ich für den Empfang rekrutiere, nehme ich bevorzugt Leute aus der Hotellerie. Weil sie sich gewohnt sind, rund um die Uhr einsatzbereit zu sein, und wissen, wie man auf Leute zugeht. Wenn wir hingegen einen Arbeitsrechtler suchen, suchen wir eine Juristin oder einen Juristen. In der Personalentwicklung suchen wir eher Psychologen. Bei HR Stadt Zürich haben wir hoch spezialisierte Mitarbeiter mit absolut vertieftem Fachwissen, aber sehr wenige Leute, die obendrauf auch über einen generalistischen Überblick verfügen. Als ich vor acht Jahren zu HR Stadt Zürich kam, habe ich festgestellt, dass wir Probleme hatten, gewisse Vorhaben umzusetzen, weil mit politischen oder gesetzlichen Vorgaben relativ enge Rahmenbedingungen geschaffen wurden. Die IT musste das dann irgendwie umsetzen und im System abbilden. Diese Interssensgruppen haben sich kaum untereinander abgestimmt und mussten an einen Tisch gebracht werden. Deshalb sind Leute mit einem generalistischen Ansatz für Lösungsfindungen so wichtig, weil sie sich in verschiedene Interessen hineinfühlen können. Da kann es durchaus ein Vorteil sein, wenn man eine Ausbildung in der Hotellerie und Gastronomie absolviert hat. Nicht zuletzt auch wegen der Stressresistenz, die gerade in der Küche oder an der Front besonders gefragt ist. Das ist auch die Ausbildung, an die ich mich heute noch am meisten erinnern kann. In den Stosszeiten kann man nicht noch lange diskutieren. Es wird befohlen und wenn geliefert wird, muss einfach alles stimmen. In der Gastronomie braucht es enorm viel Stressresistenz und Kommunikation hinter und vor den Kulissen, damit alles reibungslos funktioniert. Und das Ganze in extrem hierarchischen Strukturen.

Hürttle: Den Punkt mit den hierarchischen Strukturen finde ich interessant. Diese sind ja gerade in der Küche noch sehr verbreitet. Ich bin gespannt, wie sich das in Zukunft entwickeln wird. Gerade bei Berufseinsteigern, die eine Kochlehre abgeschlossen haben, beobachte ich zunehmend den Trend, dass sie diese starren Hierarchien ablehnen und partizipativere Arbeitsformen suchen. Das fordert uns als Arbeitgeber. Deshalb gilt es zu versuchen, die klassischen Strukturen aufzubrechen. Das ist gerade in der Küche nicht ganz einfach. Denn die traditionellen Hierarchiestufen sind Ausdruck einer gewachsenen Kultur. Zudem herrscht in der Küche teilweise immer noch eine spezielle Tonalität, die sich zwar stark gesänftigt hat, aber trotzdem noch präsent ist. Da kommt es zunehmend zu einem Clash der Werte, weil der Nachwuchs viel mehr Mitsprache und kollaborative Arbeitsformen einfordert.

Plumettaz: Es ist ja paradox. Die Reputation des Kochberufs ist dank Kochsendungen phänomenal gestiegen. Junge Leute, die sich für den Kochberuf interessieren, werden oft von kreativen Typen wie Jamie Oliver inspiriert, treffen in der Realität aber auf ein traditionelles Hierarchie-system, wo sie sich zuerst auf unterster Stufe einordnen müssen, was die Begeisterung rapide bremsen kann. Ich hatte in meiner Ausbildung selbst einen Chefkoch, der im Stress mit Kochtöpfen um sich warf. Das ruft in der Tat nach einem Wandel. Dass die Küche extrem hierarchisch organisiert ist, bietet auf der anderen Seite aber durchaus auch Vorteile, weil dies eine klare Karriereplanung ermöglicht: Man fängt als Lehrling an, steigt als Demi-Chef de Partie ein und durchläuft diverse Posten und Stufen bis zum Souschef, bevor man Chefkoch wird. Das gibt auch eine gewisse Sicherheit und eröffnet Perspektiven. Was definitiv für Leute mit Gastronomiehintergrund spricht, ist die Belastungsresistenz. Wenn alle auf einmal essen wollen, ist «Highlife in der Hütte». Dann muss man mit Emotionen umgehen können. Leute mit dieser Erfahrung sind in der Berufswelt adaptiver und oft souveräner unterwegs. Es ist aber nicht so, dass ich deswegen im HR nur Leute mit Gastro- oder Hotelleriehintergrund einstellen würde.

Lorenzo Plumettaz, Chief Human Resources Officer, Manor

[[{"fid":"24934","view_mode":"default","fields":{"format":"default","field_file_image_alt_text[und][0][value]":false,"field_file_image_title_text[und][0][value]":false,"field_image_description[und][0][value]":""},"type":"media","field_deltas":{"1":{"format":"default","field_file_image_alt_text[und][0][value]":false,"field_file_image_title_text[und][0][value]":false,"field_image_description[und][0][value]":""}},"link_text":null,"attributes":{"height":"500","width":"500","style":"width: 300px; height: 300px; float: left;","class":"media-element file-default","data-delta":"1"}}]] Als Sohn zweier Schweizer Profimusiker wächst Lorenzo Plumettaz (47) hauptsächlich in der Nähe von Frankfurt auf. 15-jährig tritt er im Berner Oberland in einem Fischspezialitäten-Hotel-Restaurant in Sigriswil eine Kochlehre an. Nach der Lehre, Militär und ersten Stellen in der Luxushotellerie (u.a. Victoria Jungfrau Interlaken und Dolder Zürich) entscheidet er sich für die Hotelfachschule Belvoirpark, mit dem klaren Ziel, Hoteldirektor zu werden. 1998 steigt er im Mövenpick-Kongresshotel in Regensdorf als Food&Beverage-Koordinator ein.

1999 übernimmt er die HR-Leiter-Stelle im Mövenpick Hotel Zürich Airport und absolviert den Bachelor in Betriebswirtschaft. Statt die Karriere zum Hoteldirektor weiterzuverfolgen, wechselt er 2002 zur Swisscom, wo er für den Fixnet-Bereich das HR-Businesspartner-Modell mit aufbaut. Gleichzeitig absolviert er an der ZHAW in Winterthur den Executive Master HR. 2003 übernimmt er bei Ford Schweiz die HR-Leitung, bevor er fünf Jahre lang für Ford Europa die HR-Verantwortung trägt. 2013 wechselt er als HR-Chef zu Rheinmetall Air Defence, wo er bis Februar 2017 tätig ist. Seit Anfang Mai 2017 ist er Chief Human Resources Officer bei Manor.

Es gibt zahlreiche Analogien zwischen der Hotellerie und HR. Das zeigt sich selbst in der Terminologie. Etwa wenn man den Begriff «Onboarding» bertrachtet...

Oehler: ... da habe ich ein gutes Beispiel: Wenn die Hotelgäste zu Stosszeiten am Frontoffice in der Schlange auf den Check-in warten müssen, nerven sie sich, wenn sie nicht irgendwann als Gast wahrgenommen werden. Diese Wartezeit kann man aber extrem entschärfen, indem man möglichst früh den Blickkontakt sucht. Das schafft automatisch Verständnis. Analog zur Rekrutierung: Ein Kandidat gibt sich bei seiner Bewerbung viel Mühe, um eine möglichst gute Falle zu machen, und danach geht die Wartezeit los. Mit E-Recruiting-Tools erhält man heute zwar postwendend automatisch eine Antwort, aber es gibt dennoch noch viele Fälle, wo Kandidaten vier bis sechs Wochen warten müssen, bis sie eine substanzielle Antwort erhalten. Da verpasst man vielerorts eine grosse Chance und riskiert, dass viel Frustrationspotenzial entsteht. Wenn ich es schaffe, gute Leute zeitnah abzuholen, und signalisiere, dass man sich für den Kandidaten interessiert, schafft dies eine ganz andere Qualität und Bindung.

Hürttle: Das erleben wir tagtäglich. Wenn wir einem Kandidaten nicht innerhalb von 24 Stunden eine Antwort geben, bewirbt er sich in der Regel woanders. Da ist die Geschwindigkeit absolut ausschlaggebend. Erst wenn es uns gelingt, diese Analogie von Guest- und Candidate-Experience herzustellen, schafft man Glaubwürdigkeit am Arbeitnehmermarkt. Die Herausforderung besteht darin, das Ganze dann auch noch mit der nötigen Emotionalität zu tun. Es ist unser Markenzeichen, die Gäste über Emotionen zu begeistern und so eine enge Kundenbindung aufzubauen. Dasselbe versuchen wir gegenüber unseren Mitarbeitern. Wenn Kandidaten zum Gespräch kommen, werden sie nicht zum Personaleingang gebeten, sondern betreten das Hotel durch den offiziellen Eingang. Dabei werden sie wie ein Stammgast bereits beim Hereinkommen vom Concierge mit dem Namen begrüsst. Wir müssen heute aktiv um die Kandidaten kämpfen und haben den Ehrgeiz, entlang aller Touchpoints von A bis Z einen Wow-Effekt zu kreieren. Wir wollen die Mitarbeiter begeistern und schauen, dass sie das Haus auch erleben können. Neue Mitarbeiter dürfen zum Beispiel einmal bei uns im Hotel übernachten, essen und auch die Familie ist eingeladen. So wollen wir Identifikation schaffen. Denn es ist der Mitarbeiter, der am Gast verkauft.

Plumettaz: In der Qualitätsgastronomie und -hotellerie war es schon immer das oberste Credo, dem Gast die Wünsche von den Augen abzulesen. Das schreiben wir auch im HR gerne in unseren Visionen und Missionen nieder. In der Realität ist es aber doch oft so, dass Mitarbeiter beim Onboarding eine Flut von Formularen ausfüllen müssen. Es fehlt oft der Mut zu mehr Flexibilität. Deshalb überlegt man sich ja, das Facility-Management, IT und HR enger zu verzahnen und die Schnittstellen durchlässiger zu gestalten. Gewisse Arbeitgeber wie die Postfinance oder die Mobiliar fassen das unter den Begriff «Arbeitswelt». Ich glaube, das ist die richtige Entwicklung. Wir sollten mit unseren Prozessen viel flexibler auf Mitarbeiterwünsche reagieren. Vielleicht wie man in einem Familienhotel auf Gästewünsche reagiert – egal ob es um den Parkplatz, einen Apero oder auch nur um einen Regenschirm geht. Wir sollten im HR anstreben, unsere Dienstleistungen kundenorientierter aus einem Guss geben zu können, und dabei auch wagen, Grenzen aufzubrechen und teilweise auch zu überschreiten. Immer mit dem Ziel, dass der interne Kunde am Ende happy ist. Ich glaube, wir brauchen insgesamt etwas mehr Mut, über Silo-Grenzen hinweg zu arbeiten, und sollten die Mitarbeiter auch dazu ermutigen, Verantwortung zu übernehmen. In der Hotellerie und Gastronomie ist es aufgrund der beschränkten Personalkostenbudgets üblich, dass der einzelne Mitarbeiter mehr Kompetenzen und Verantwortung übernehmen muss. Da herrscht in der Hospitality-Branche deutlich mehr Agilität als anderswo. Davon können auch andere Sektoren lernen.

Oehler: Das ist in der Tat ein wesentlicher Unterschied. In der Hotellerie versucht man die sogenannte Ownership zu übernehmen. Der Kunde möchte nicht hören, wo er seinen Auftrag oder Wunsch erledigt bekommt, sondern er wünscht sich einen Ansprechpartner, der den Auftrag entgegennimmt und besorgt ist, dass dieser umgesetzt wird. Es ist eine Frage der Haltung. Da spielt es keine Rolle, ob man im HR arbeitet oder als Servicekraft. Es geht um die Grundhaltung und darum, Ownership und Verantwortung zu übernehmen.

Hürttle: Ich gebe Ihnen vollkommen Recht, dass es um die Haltung und einen bestimmten Mindset geht. Das ist aber auch eine Frage der Führung. Welche Kompetenzen und Entscheidungsspielräume geben wir jemandem, wo vertrauen wir und welche Restriktionen sind unerlässlich? Wir merken derzeit, dass es für junge Führungskräfte gar nicht so einfach ist, mit den gelockerten Standards und den damit einhergehenden Freiheiten umzugehen.

Können Sie das an einem Beispiel illustrieren?

Hürttle: Ein typisches Beispiel ist das äussere Erscheinungsbild. Die Frage: Was ist ein eleganter Stil? In der Fünfsternehotellerie erwarten die Gäste mit Recht ein gewisses Erscheinungsbild. Aber wie definiert man das? Wir merken, dass sich die Mitarbeiter mit klaren Vorgaben – wie wir sie früher definierten – häufig sicherer fühlen: Offene Haare? Nein. Nagellack? Nein. Kette? Nein. Heute überlassen wir es den Mitarbeitenden, ob sie ihre Nägel lackieren, wie sie ihre Haare tragen, Hose oder Rock anziehen. Klar muss es elegant und gepflegt sein, aber man muss auch sich selber sein können, um die Begeisterung auf den Gast zu übertragen. Das ist bloss ein kleines Beispiel, um den Mindshift zu veranschaulichen. Beim Umbruch geht es um weniger Vorgaben und mehr Raum für Authentizität. Dennoch beobachte ich, dass eine gewisse Sehnsucht nach Policies, Procedures und Handbüchern besteht, die Sicherheit bieten. Wir haben verhältnismässig junge Führungskräfte, die in solchen Fragen viel Coaching brauchen. Sie haben viel mehr Freiheiten als frühere Führungsgenerationen. Es fehlt ihnen manchmal  an Mut und Seniorität, diese Freiräume auch zu nutzen.

Plumettaz: Es braucht aber schon auch gewisse Kriterien und KPI, die keine Flexibilität zulassen. Etwa wenn man den Ausbildungsstand einer Organisation ermitteln will. An eine gewisse Guidance müssen sich die Mitarbeiter halten, sonst können wir nicht führen und steuern.

Hürttle: Absolut, gerade in der Personaldiagnostik. Da folgen wir auch ganz klar strukturierten Vorgaben. Hier in der Stadt Zürich liegt in der Luxushotellerie der Benchmark des Personalaufwands gemessen an den Gesamtaufwendungen bei 42 bis 45 Prozent. Da können wir uns bei der Personalauswahl keine Fehler leisten. Die Produktivität wird zu Recht haarscharf gemessen. Wir können genau berechnen, wie viel Zeit ein Zimmermädchen im Zimmer verbringt, wie viel Zeit ein Servicemitarbeiter beim Gast ist und wo der Umsatz erzielt wird. Insofern ist HR stark in Fragen der Produktivität und Performance involviert und bei uns auch deswegen Teil der Geschäftsleitung. Wir sind im HR ständig damit beschäftigt, die Produktivität zu erhöhen, Synergien zu schaffen und das Outsourcing von Leistungen zu prüfen. Gleichzeitig gilt es, interessante Arbeitsinhalte und neue Arbeitsformen zu schaffen. Dabei muss ich in der Geschäftsleitung knallhart betriebswirtschaftlich argumentieren.

Plumettaz: Es gibt in der Schweiz wohl keine Unternehmen, wo die Personalkosten kein Thema sind. Da sitzen alle im gleichen Boot. Deshalb ist die Frage sehr relevant, was dabei der Beitrag von HR ist. Es ist wichtig, dass die Shareholder anerkennen, dass HR in einer Organisation ein wichtiger Enabler ist. Deshalb sind im HR betriebswirtschaftliches Know-how und ein gewisses Entrepreneurship unabdingbar. Das gilt wohl für jede Firma in der Schweiz.

Oehler: Es ist unbestritten, dass es wichtig ist, dass HR betriebswirtschaftlich einen Impact hat. In der Stadt Zürich beläuft sich der Personalaufwand auf 30 bis 35 Prozent, sprich 2,8 Milliarden Franken pro Jahr. Das ist absolut ansehnlich. Als ich mich vor meinem Wechsel in die Verwaltung auf dem Markt umsah, war mir klar, dass ich mich mit Vorzug als HR-Verantwortlicher engagieren würde, wenn HR mit in der Unternehmensleitung verankert ist und nicht einfach bei den Finanzen rapportiert. Ebenso wichtig war mir, dass HR integrierter Bestandteil des Businessplans ist. Denn wenn in der  Unternehmensstrategie ausser Lippenbekenntnissen nichts Konkretes über HR und die Personalstrategie zu finden ist, kann man als HR noch lange in der Geschäftsleitung sitzen. Da wird sich nicht viel bewegen. Ich war überrascht, wie viele Firmen es in der Schweiz noch gibt, wo diese Voraussetzungen nicht vorhanden sind.

Plumettaz: Ich stimme dir voll zu. Ich hätte auch keine Stelle angenommen, wenn ich nicht Teil der Geschäftsleitung gewesen wäre. Nicht zum Selbstzweck, sondern damit man das nötige Gehör hat, seine Vorstellungen richtig zu positionieren. Nur in der Geschäftsleitung erhält man die relevanten Informationen, um das Business mitzugestalten. Insgesamt gibt es bei dieser Frage national und international sicher Nachholbedarf, damit HR auf der Topebene mitspielt.

Oehler: Am Ende geht es um die Kostendimension. Ich verantworte ja mit der Payroll quasi den operativen Teil der administrativen Kostengeschichte der Stadt Zürich mit. Wenn das gut läuft, interessiert das wirklich niemand. Aber wehe, wenn etwas schiefgeht. Wenn wir andererseits auf dieser Ebene gute Arbeit leisten, dann können wir eben auch die soften HR-Themen wie die Personalentwicklung à fond zelebrieren. Denn so generiert man einen Mehrwert, von dem dann auch die Mitarbeiter profitieren. Was uns dabei ganz stark beschäftigt, ist die demografische Entwicklung, konkret das Durchschnittsalter bei der Stadt Zürich. Dieses beträgt 47+. Wir wissen, dass wir in den kommenden Jahren ein Riesenproblem haben werden, wenn die Babyboomer langsam in Rente gehen. Da werden wir mit einem Know-how-Abgang konfrontiert sein, der vorprogrammiert ist. Da müssen wir uns in der Nachfolgeplanung wirklich ein paar Geschichten einfallen lassen. Dabei kann man nicht alles mit Geld lösen. Gerade in der Verwaltung, wo wir limitiert sind wegen der relativ engen Rahmenbedingungen. Wir haben einen gewissen Spielraum, den wir monetär jedoch nicht überschreiten können. Wenn der Markt für gewisse Positionen mehr bezahlt, müssen wir mit anderen Argumenten als attraktive Arbeitgeberin begeistern.

Hürttle: Definitiv. Unsere Attraktivität wird nicht durch monetäre Anreize geprägt. Deshalb müssen wir kreativ und innovativ werden, zuhören, was sich die Mitarbeiter wünschen und versuchen, das irgendwie umzusetzen. Das beginnt bei vermeintlich kleinen Benefits wie Sportangebote  oder Parkmöglichkeiten, Wir haben ein hauseigenes Fitnessstudio, das die Mitarbeiter ausserhalb der Stosszeiten nutzen können. Zudem besitzen wir ein Parkhaus an sehr zentraler Lage downtown Zürich, wo wir am Wochenende Gratisparkplätze anbieten. Das meine ich mit kreativen Lösungen und Synergien, die keinen Mehraufwand darstellen, aber kundenorientiert Bedürfnisse erfüllen. Diese Benefits sind nur ein kleines Beispiel. Es geht aber noch weiter. So bieten wir beispielsweise vermehrt Teilzeitstellen, haben einen Vaterschaftsurlaub eingeführt und ermöglichen inzwischen auch Sabbaticals. Alles Dinge, die in unserer Branche bislang ungewöhnlich sind. Gerade die Vertreter der Generation Y und die Millenials, die derzeit auf den Arbeitsmarkt kommen, fordern uns, ein verändertes Arbeitsumfeld zu kreieren. Das stellt für HR eine Chance dar, uns ganz anders zu positionieren.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Ehemaliger Chefredaktor HR Today.

Weitere Artikel von Simon Bühler

Cela peut aussi vous intéresser

HR Today Nr. 7&8/2017: HR als Gastgeber
Image
26_PanoptikumWirtGastro01_iStockphoto.jpg