HR Today Nr. 3/2020: swissstaffing-News

So funktioniert faires Flexwork

Häufig benötigen Arbeitgeber kurzfristig Personal. Zum Beispiel im Retailhandel oder in der Gastronomie. Flexible Arbeitskräfte sind gefragt. Doch wie finden Arbeitgeber jene Leute, die sie brauchen? Ein Einblick.

Ein grosser Retailer führt jedes Jahr im Januar seine Inventur zeitgleich in der ganzen Schweiz in über 100 Filialen durch. Dafür braucht er an diesem Tag über 50 zusätzliche Mitarbeitende, während die Bankettleiterin eines Hotels erfährt, dass übermorgen nun doch drei statt zwei Events stattfinden. Sie braucht kurzfristig zwei zusätzliche Köche, acht Serviceleute und einen Barkeeper. Um diese zu finden, können Unternehmen in der Schweiz auf verschiedene Plattformen zurückgreifen, die sogenannte Flexworker vermitteln.

Die meisten davon sehen sich als reine Vermittler und nicht als Arbeitgeber. Anders ist dies bei der Temporärarbeit. Plattformen wie Adia, Coople oder Smartstaff vermitteln nicht nur Kandidaten für flexible Arbeitseinsätze, sie sind auch Arbeitgeber dieser Kandidaten. Damit nehmen sie ihre soziale Verantwortung wahr, denn Flexworker, die für verschiedene Einsatzbetriebe arbeiten, sind beim jeweiligen Vermittler angestellt und entsprechend sozialversichert.

Wenn die Maschinerie zu laufen beginnt

Was passiert ab dem Moment, in dem ein Unternehmen einen Flexworker sucht, bis zu dem Zeitpunkt, wo der Lohn auf dessen Konto eintrifft? Das Prozedere ist bei Coople, Smartstaff und Adia ähnlich. Es beginnt auf der Website des jeweiligen Anbieters oder auf dessen App.

Die Bankettleiterin eines Hotels und Adia-Kundin loggt sich auf der Adia-Plattform ein, um Personal für ihr zusätzliches Fest zu finden. Hier erfasst sie die offenen Stellen, das gewünschte Erfahrungsniveau jedes Profils sowie die spezifischen Fähigkeiten und beschreibt den Anlass und die Tätigkeiten. Ein Algorithmus schickt die Jobanfragen jetzt an passende Kandidaten, die sich über die Plattform um Aufträge bewerben können.

Bei Smartstaff und Coople sieht der Ablauf ähnlich aus. Es gibt jedoch minimale Unterschiede. In der App von Coople etwa sieht der Einsatzbetrieb zusätzlich seine «Favoriten» – Kandidaten, die ihn bei einem vergangenen Einsatz überzeugt haben. Bei Smartstaff kann sich der Einsatzbetrieb in einer Kartenansicht Flexworker anzeigen lassen, einzelne Kurzprofile mit CV, Wunschlohn und Mindestlohn ansehen und interessanten Kandidaten ein Angebot machen. Bei allen drei Anbietern wählt der Auftraggeber über eine App passende Flexworker und engagiert sie verbindlich für die Dauer des Einsatzes. Per App erhält der Flexworker vom Auftraggeber alle relevanten Informationen, zum Beispiel zum Arbeitsort, Treffpunkt und Dresscode.

Am Tag des Einsatzes treffen sich Flexworker und Einsatzbetrieb am vereinbarten Treffpunkt. Nach getaner Arbeit erfasst der Flexworker seine Arbeitszeit in der App. Entweder, indem er sie dort manuell einträgt, oder indem der Verantwortliche des Einsatzbetriebs in der App des Flexworkers den QR-Code des Einsatzes scannt.

Lohn: monatlich oder sofort

Nach dem Einsatz bewerten sich Flexworker und Einsatzbetrieb gegenseitig über die App. Bei Coople und Smartstaff ist dieser Schritt obligatorisch. Bei beiden Anbietern sehen sowohl Einsatzbetrieb als auch Flexworker das erhaltene Rating erst, nachdem sie ihre Bewertung abgegeben haben. Bei Adia ist das Sternevergeben kein Muss – trotzdem werde das Ratingsystem fleissig genutzt.

Weil Smartstaff und Coople den Lohn monatlich per Banküberweisung auszahlen, haben Flexworker einen ähnlichen Lohnauszahlungsrhythmus wie Festangestellte. Alternativ können Flexworker bei Smartstaff und bei Coople eine Vorschusszahlung von 60 bzw. 80 Prozent der bereits freigegebenen Stunden verlangen. «Diese Begrenzung soll unseren Mitarbeitenden ermöglichen, dass sie mit der Restlohnauszahlung die Grundkosten wie Miete oder Krankenkasse decken können», erklärt Smartstaff-CEO Jürg Karlen.

Adia zahlt den Lohn gleich nach Bestätigung der Stunden seitens des Auftraggebers aus – innerhalb von 48 Stunden. «Die schnelle Bezahlung schätzen unsere Mitarbeitenden sehr», sagt Tayfun Ates, Head of Europe, Adia. Alle drei Anbieter haben ein internes Payrolling-Team, das sich um die Lohn- und Administrationsprozesse kümmert.

Die soziale Absicherung dieser Flexworker ist vergleichbar mit dem Schutz von Festangestellten. Die Anbieter bezahlen also die rechtlich vorgegebenen Abgaben an AHV und Pensionskasse, kommen im Fall von Krankheit oder Unfall für den Lohnersatz auf und bezahlen Ferientaggelder. Beim Lohn müssen sich die Einsatzbetriebe auf allen drei Plattformen an die Mindestangaben des Schweizer Arbeitsgesetzes und die geltenden GAV-Bestimmungen halten.

Dienstleister haben eine soziale Verantwortung

Flexwork-Dienstleister haben eine soziale Verantwortung – darin sind sich die drei Anbieter einig. Jürg Karlen nennt dabei verschiedene Ebenen: Gesundheit der Flexworker, Unfallprävention, Förderung der berufsbezogenen Weiterbildung, Unterstützung der Flexworker in Fragen zu Arbeitsrecht und Versicherung. Yves Schneuwly, Managing Director von Coople, betont die fairen Arbeitsbedingungen für die Flexworker: «Wir legen seit unseren Anfangszeiten grossen Wert darauf, dass unsere Kunden auch ihrem flexiblen Personal faire Arbeitsbedingungen bieten. Viele Themen wie Basisabsicherung und Weiterbildung sind inzwischen Marktstandard. Das ist grossartig und wir freuen uns darauf, die Möglichkeiten für flexibles Personal weiter zu verbessern.»

Tayfun Ates sieht besonders in der Transparenz einen Dienst zugunsten der temporären Mitarbeitenden und der Unternehmen. «Wir kurbeln den Arbeitsmarkt an und tragen dazu bei, dass dieser transparenter und selbstbestimmter wird und dass Auftraggeber sowie Arbeitnehmer einerseits flexibel, andererseits auch planbar arbeiten können. Darin sehen wir eine wichtige Entwicklung für den stetig wachsenden temporären Arbeitsmarkt.» Zum Punkt der sozialen Verantwortung nennt Jürg Karlen zusätzlich die Arbeitsintegration von älteren Stellensuchenden, Wiedereinsteigern, Arbeitnehmern mit gesundheitlichen Einschränkungen oder solchen, die es aus anderen Gründen nicht einfach hätten, eine Festanstellung zu finden: «Diese haben auf unserer Onlineplattform eine grössere Chance: In der Suche unserer Kunden erscheinen die Profile aller Stellensuchenden ungefiltert.»

Flexibilität und Brücke zur nächsten Festanstellung

Die Vorteile der flexiblen Arbeit für Unternehmen liegen auf der Hand: Sie können Kandidaten flexibel und für die benötigte Dauer einfach und auch kurzfristig einstellen und sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren: Die HR-Aufgaben und das Administrative erledigt ein Dienstleister, der auf diese Arbeit spezialisiert ist.

Dass die Suche digitalisiert abläuft, bringt den Unternehmen weitere Vorteile: Sie können jederzeit und unabhängig nach Personal suchen. Zudem hilft das Bewertungssystem den Plattformen dabei, ihre Algorithmen zu verbessern. «Für Kunden, die ihre flexiblen Mitarbeitenden regelmässig bewerten, wird schon in naher Zukunft ohne Aufwand der perfekte Kandidat bereitstehen», ist Yves Schneuwly überzeugt.

Die Motive der Flexworker hat swissstaffing mit einer Umfrage¹ unter 4000 Temporärarbeitenden untersucht. Am häufigsten nannten diese eine bessere Work-Life-Balance (44 Prozent) sowie die berufliche Abwechslung (39 Prozent). Die übrigen Temporärarbeitenden nutzen diese Arbeitsform, um sich auf dem Arbeitsmarkt neu zu orientieren und als Brücke zu einer Festanstellung.

Einer, der Flexwork als Brücke zur Festanstellung nutzte, ist Miran Zendeli. Er konnte nach seiner KV-Ausbildung keine Feststelle finden und hat deshalb nach seiner Lehre für Coople und andere Temporärplattformen gearbeitet. «So konnte ich viele wichtige neue Kontakte knüpfen und mir gute Referenzen einholen», berichtet er. Mittlerweile ist er als Operations Manager Teil des Teams von Coople Schweiz. Für Zendeli hat die Temporärarbeit einen weiteren wichtigen Vorteil: «Mit dieser Arbeitsweise konnte ich mir selber einteilen, wann ich arbeiten wollte – das ist gut für die Motivation.» Als Nachteil sieht er, dass er jeweils nicht tief ins Geschäftsmodell gesehen habe. «Es gibt eine sehr kurze Einarbeitungszeit und man muss sich schnell an eine neue Tätigkeit gewöhnen.»

Adia-Workerin Melanie ist als Studentin auf flexible Arbeitszeiten angewiesen. In einem Interview auf der Adia-Website erzählt sie von ihren Erfahrungen mit Flexwork. Ihre Verfügbarkeit sei über das ganze Jahr sehr unterschiedlich und sie müsse praktisch wöchentlich neu einschätzen, wie viel Zeit ihr zum Geldverdienen zur Verfügung stehe. Das flexible Arbeiten sei deshalb ideal für sie: «Ist man etwa in einem Büro zu 20 Prozent eingestellt, hat man eine viel grössere Verpflichtung, als wenn man sich immer für neue Einsätze melden kann – je nach zeitlicher Kapazität. Zudem muss man auch nicht auf andere Mitarbeitende oder Ferien Rücksicht nehmen. Man ist wirklich in jeder Hinsicht super flexibel.»

Quellen:

  • ¹ swissstaffing, 2019: Die Temporärarbeitenden in der Schweiz 2018.
  • Weitere Informationen: swissstaffing, 2019: White Paper: Flexwork und soziale Absicherung. www.swissstaffing.ch/whitepaper
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Blandina Werren, Leiterin Kommunikation von swissstaffing.

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