Social Media: Der Morgen nach dem Hype
Der grosse Social-Media-Rausch ist verflogen. Zeit für eine realistische Einschätzung: Die auf diesem Gebiet früh aktiven Unternehmen haben Social Media als normale Kanäle in ihre Gesamtaktivitäten im Employer Branding und Recruiting integriert, der Umgang ist professioneller geworden. Hier sechs Denkanstösse für alle, die einen Schritt weiterkommen wollen.
Der Vorteil von Social Media, nämlich die Möglichkeit zur direkten Interaktion, wird von den Personalabteilungen bislang zu wenig geschätzt und genutzt.
Die folgenden sechs Leitideen ziehen eine Bilanz der derzeitigen Social-Media-Praxis von Arbeitgebern und zeigen, wo Verbesserungspotenziale liegen können:
1. Entmystifizieren und integrieren
Im Idealfall analysieren Arbeitgeber zunächst ihre Stärken, setzen Ziele und entwickeln eine Story. Erst dann verwandeln sie diese Arbeit in einen Social-Media-Auftritt. Auf Social Media setzen Arbeitgeber also eine Strategie um – als einen Baustein der externen Personalkommunikation. Unternehmen müssen verstehen, dass Social Media nicht als «völlig neue Kommunikationsmittel» isoliert für sich stehen, sondern letztlich Teil aller Employer-Branding-, Personalmarketing- und Recruiting-Massnahmen sind. Wenn Unternehmen verstehen, dass ein Facebook-Auftritt zum Beispiel die Reichweite der Karrierewebsite verstärken kann, dass sie auf Xing oder LinkedIn direkt Kandidaten ansprechen und via Twitter auf Fragen potenzieller Bewerber reagieren können, dann sind Social Media ganz normal als weitere Kanäle und Formate im richtigen Zusammenhang verankert.
2. Durch überraschende Inhalte überzeugen
Social Media funktionieren nicht wie Stellenmärkte in Print oder im Internet. So ist zum Beispiel die vielfach mit den hohen Gesamtnutzerzahlen von Facebook demonstrierte «Reichweite» eine Fiktion. Der Mechanismus, der hier zum Aufbau von kommunikativer Wirkung führt, hat mit klassischer PR weitaus mehr zu tun als mit Werbung. Denn es geht um Aufmerksamkeit der User und handelt sich um einen harten Auswahlmechanismus. Die entscheidende Frage: Betrachten die Nutzer einer Social-Media-Plattform einen Arbeitgeber-Post als relevant genug, um ihn mit ihrem Netzwerk, ihren Kontakten und Freunden zu teilen? Entscheidend sind überzeugende Geschichten, keine Marketing-Botschaften. Das können ungewöhnliche Fakten sein («3 Dinge, die Sie noch nicht über uns wussten») oder auch unmittelbare Einblicke ins Unternehmen per Bild, Text und Video (Einblicke in Teams und Abläufe oder in den Projektalltag, unverstellte Berichte der Akteure im Unternehmen). Entscheidend dabei ist: Eine langweilige Geschichte ist in der Regel auch in Social Media langweilig.
3. Wirkung verstehen
Nur ein geringer Prozentsatz der Fans liest die Posts überhaupt. Wenn Social-Media-Nutzer zudem mit diesem Post nicht irgendetwas machen – ihn kommentieren oder in ihr eigenes persönliches Umfeld hinein verbreiten – erreichen Arbeitgeber damit wenig. Der eigentliche Vorteil von Social Media, nämlich die Möglichkeit zur direkten Interaktion, wird von den Personalabteilungen bislang zu wenig geschätzt und genutzt. Es herrscht überwiegend noch das klassische HR-Marketing-Denken vor. Dabei entfalten 200 aktive Nutzer, die regelmässig Feedback geben, sich an Diskussionen beteiligen und die Beiträge sowie Ideen des Unternehmens in ihr eigenes Netzwerk streuen können, mehr Wirkung als 10 000 passive Follower. Unternehmen sollten daher vorrangig solche Aktivitäten beobachten und messen – bei Facebook ist die entscheidende Kennzahl daher eher die Menge der «People Talking About Us» statt der Anzahl der Follower.
4. Wirkliche Arbeitgeberattraktivität überdenken
Der aus der PR stammende Leitsatz «Tue Gutes und sprich darüber» gilt auch für die Social-Media-Kommunikation. Die Abfolge ist nicht additiv zu verstehen. Erst wenn die Kultur im Unternehmen stimmt, kann man das nach aussen tragen. Gerade auf Social Media bringt es nichts, ein eher «graues» Arbeitgeberangebot kommunikativ bunt anzumalen. Je greller ein Unternehmen die Farben zeichnet, desto mehr erwarten Bewerber. Was absurd überzeichnet wird, lässt sich schon im Internet leicht enttarnen. Spätestens am ersten Arbeitstag werden Bewerber merken, ob die Wirklichkeit hält, was die Kommunikation auf Facebook versprochen hat, ihre Erfahrungen wieder in den Social-Media-Kreislauf einbringen und das Unternehmen nicht selten schnell wieder verlassen.
5. Sich etwas trauen
Nach wie vor haben Unternehmen Vorbehalte gegen die Nutzung von Social Media. Dabei ist die Gefahr eines Shitstorms gering, solange Arbeitgeber mit gesundem Menschenverstand an die Sache herangehen. Mit wachsendem Publikum ist die Wahrscheinlichkeit unterschiedlichster Reaktionen grösser – aber bis es so weit ist, haben Unternehmen die nötigen Erfahrungen gesammelt, um das Thema in den Griff zu bekommen. Wenn im Normalfall eine Gefahr droht, dann eher dadurch, dass man gar nichts tut – und so nicht einmal mitbekommt, ob man Thema in den Social Media ist. Arbeitgeber erwerben Kompetenz in Social Media allein durch aktive Praxis, hier entstehen langfristig entscheidende Rückstände und Vorsprünge zum arbeitgeberseitigen Wettbewerb.
6. Mit den Fans und Followern interagieren
Social-Media-Plattformen funktionieren vor allem durch Interaktivität. Da besteht im Hinblick auf die Arbeitgeberauftritte im Social Web noch Luft nach oben. Eine Möglichkeit, wie Arbeitgeber zu mehr Interaktivität finden: die Kontakt- und Supportfunktionalitäten von der Karrierewebsite stärker in Richtung Social Web verschieben. Was bislang als Kontaktformular oder auch FAQ auf diesen Seiten existiert, können Arbeitgeber vergleichsweise leicht in die Social-Media-Welt verlagern. Damit veröffentlichen sie dort relevante Inhalte und vereinen Fragesteller, Beantworter und mitlesendes Publikum in einem Medium – ohne Zwischenschritt etwa über E-Mail-Austausch oder Telefonate. Zur Interaktivität gehört auch, die eigenen Mitarbeiter mit ihren Arbeitswelt-Geschichten stärker als Botschafter für die Arbeitgebermarke einzubinden. Dazu brauchen Arbeitgeber eine Social Media Policy im Unternehmen, die das überhaupt zulässt.