HR Today Nr. 3/2020: Debatte

Sollen Mitarbeitende frei bekommen, wenn ihr Haustier stirbt?

Im Berner Stadtrat wird bald über ein Postulat diskutiert, das erlauben soll, Mensch und Haustier ­gemeinsam zu bestatten. In Grossbritannien ergab eine Umfrage, dass die Hälfte der Briten, die Haustiere besitzen, beim Todesfall ihres Hundes oder ihrer Katze Trauerurlaub nehmen wollen. Übertriebene Tierliebe?

Konrad Rietmann: «Ein attraktiver Arbeitgeber nimmt Rücksicht auf die emotionalen Bedürfnisse der Mitarbeitenden.»

Zugegeben: Das Thema kann zum Schmunzeln verleiten. Noch vor wenigen Jahren hätte wohl niemand ernsthaft in Betracht gezogen, für ein erkranktes oder verstorbenes Tier vom Arbeitgeber frei zu erhalten. Wir erinnern uns: In der Schweiz sind Tiere erst seit dem 1. April 2003 rechtlich gesehen keine Sache mehr! Damals wurde mit Art. 641a Abs. 1 ZGB der Eigenart von Tieren als empfindungs- und leidensfähige Lebewesen Rechnung getragen.

In derselben Zeit hat sich jedoch auch der Stellenwert von Haustieren in der Schweiz verändert. Die Märkte für Tiernahrung und Zubehör boomen. So wurden im Jahre 2015 allein für Heimtierbedarf 600 Millionen Franken umgesetzt. Auch Tierfriedhöfe, Todesanzeigen oder spezielle Kinderwagen für Hunde und Katzen gibt es. Die Bereitschaft, seinem geliebten Haustier mit viel Geld ein würdiges Dasein zu ermöglichen, scheint in der Schweiz keine Grenzen zu kennen. Oft sind Haustiere ein vollwertiges Mitglied der Familie oder dienen – ob gewollt oder ungewollt – als Ersatz für fehlende Kinder.

Wie sieht es jedoch rechtlich aus? Wer zum Arzt muss, hat laut Gesetz Anspruch auf die dafür nötige zusätzliche freie Zeit. Für die Pflege von kranken Kindern dürfen Eltern pro Krankheitsfall während drei Tagen dem Arbeitsplatz fernbleiben. Nicht restlos geklärt ist, ob Mitarbeitende, die kranke Familienangehörige im Spital besuchen möchten, vom Arbeitgeber Freizeit erhalten; Gerichte bejahen jedoch einen solchen Anspruch. Von Tieren ist hier zwar nicht die Rede. Dennoch: Was nützt es einem Unternehmen, wenn Angestellte derart gestresst am Arbeitsplatz sind, weil sie ihr erkranktes Tier nicht zur Tierärztin bringen können? Oder wenn Mitarbeitende derart in Trauer über den Verlust ihres geliebten Tieres sind, dass die Stimmung im Team darunter leidet? Ich plädiere nicht dafür, dass die notwendige Zeit für einen Tierarzttermin vom Arbeitgeber bezahlt wird. Es braucht auch keine neuen Gesetze – vielmehr ­appelliere ich an die Empathie der Chefinnen und Chefs.

Wir leben in einer Zeit, in der sich Firmen in Employer-Branding-Kampagnen überbieten, sich als attraktive Arbeitgeber positionieren und um die vielversprechendsten Talente ­kämpfen. Dazu sollte auch gehören, dass Vorgesetzte Rücksicht auf die emotionalen Bedürfnisse der Mitarbeitenden nehmen und deren Zuneigung für ihre Haustiere respektieren. Die notwendige Zeit für die Gesunderhaltung dieser tierischen Familienmitglieder sollte zur Verfügung gestellt werden.

Im ihrem eigenen Interesse sollten die Arbeitgeber deshalb dem veränderten Stellenwert des Haustieres in diesem Land vermehrt Rechnung tragen.

Monika Bütikofer: «Mitarbeitende sollen für Trauer oder Tierarzt Ferientage beziehen oder Arbeitsstunden kompensieren.»

Die Tierhaltung hat sich in den letzten Jahren stark verändert. So gehören Tiere heute zur Familie, geniessen eine Art Mitspracherecht und beeinflussen den ganzen familiären Tagesablauf – wie auch die Möglichkeit, sich mit Freunden, Familie oder einfach Dritten zu treffen. Ausgeprägter wird diese Tierliebe nur noch, wenn sie angezogen und mit teurem Schmuck oder Diamanthalsbänder behangen werden, degradiert zum Modeaccessoire, um auf sozialen Plattformen möglichst viele Likes zu erhaschen. Der normale Menschenverstand setzt dabei bisweilen aus.

Dann existiert da noch die Gruppe von Menschen, die vermeintlich etwas Gutes tun möchten und Tiere, meist Hunde, in wirtschaftlich benachteiligten Ländern wie beispielsweise Rumänien retten und in die Schweiz importieren. Das Problem hier: Nicht immer sind diese Tiere gesund oder sozialisiert. Schlimms­tenfalls müssen sie eingeschläfert werden.

Man mag nun meine nachfolgenden Ansichten für hart oder brutal halten, aber es ist wichtig, darüber nachzudenken, ob es richtig ist, ein Tier um jeden Preis am Leben zu halten, wenn es krank ist. Die Natur regelt das automatisch, indem das Tier einfach stirbt. Warum soll ein Tier schwerkrank weiterleben? Ist es, weil der Mensch nicht loslassen kann oder will, oder weil der Besitzer genügend Geld hat, um Medikamente und Operationen zu finanzieren? Letztlich bleibt hier meiner Meinung nach das effektive Tierwohl auf der Strecke.

Welche Überlegungen machen sich Mitarbeitende, die Freitage fordern, weil ihr Haustier krank ist, im Sterben liegt oder gestorben ist? Denn grundsätzlich schliesst der Arbeitgebende mit seinem Mitarbeitenden einen Arbeitsvertrag für seine Arbeitsleistung ab. Arbeit, die er zu erbringen hat, und nicht für Absenzen, die er vermeldet. Wenn man den Arbeitnehmenden Freitage für die Trauer und Betreuung kranker Tiere eingesteht, dann werden schon bald auch für alle möglichen Gepflogenheiten Freitage eingefordert. Und wie steht es mit der Trauer über die verlorene grosse (erste) Liebe? Und müssen Kinder nicht mehr in den Kindergarten oder zur Schule, weil sie den Verlust ihres Milchzahnes dermassen betrauern oder das «Begräbnis mit der Zahnfee» zelebriert werden muss?

Es ist verständlich, dass es Tierhalter traurig stimmt, wenn es ihren «Lieblingen» schlecht geht, diese im schlimmsten Falle sterben und eine Lücke hinterlassen. Ich bin aber hier klar gegen einen Extra-Freitag. Vielmehr sollte der Mitarbeitende in dieser Situation kompensieren oder Ferien beziehen. Die Gleichbehandlung aller Mitarbeitenden ist hier das entscheidende Stichwort.

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Konrad Rietmann a tenu différents postes de management RH dans des grandes entreprises nationales et internationales, surtout dans la formation et le développement. Docteur en Business et Management, il s’accorde actuellement un congé sabbatique.

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Monika Bütikofer est Senior HR Manager chez Webhelp Suisse SA.

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