Tom Lüthi: «Um einen Sieg zu erringen, müssen viele Bausteine zusammenpassen.»
Vor einem Jahr wechselte Motorradrennfahrer Tom Lüthi von der Moto2- in die MotoGP-Klasse und erlebte, wie sein Rennteam auseinanderbrach. Seit seiner Rückkehr in die Moto2-Klasse scheint sich nun alles zum Besseren zu wenden.
Von links: Michael Thier, Cheftechniker – Tom Lüthi – Daniel M. Epp, Manager. (Bild: HR Today)
«Ohne mein Team kann ich keinen Erfolg feiern», sagt Tom Lüthi. Eine bittere Erfahrung, die er vergangenes Jahr bei Honda im MotoGP gemacht hat, als ihm nach der Kündigung des Rennstallmanagers keine Ansprechperson mehr zur Verfügung stand und teilweise unklar war, ob das Rennstall am nächsten Rennen überhaupt aufkreuzen würde. «Es war eine schwierige Zeit, der sportliche Erfolg stand plötzlich nicht mehr im Vordergrund.» Beigestanden ist ihm in dieser Zeit sein Manager Daniel M. Epp. «Er hat mir viel Halt gegeben und war an den Rennen dabei.» Auch diesen belastete die Situation. «Tiefs gehören aber zum Leben», sagt Epp. Um ganz oben mitzuspielen, brauche man nach einem Missgeschick Inputs von aussen, denn häufig verliere ein Sportler an Selbstvertrauen, wenn etwas schief geht. Doch: «Jeder, der im Erfolg nicht abhebt, fällt nicht so tief, wenn es einmal nicht so gut läuft.»
Bereut hat Tom Lüthi den Schritt in die MotoGP trotz dieser Durststrecke nicht: «Ich habe extrem viel gelernt und Erfahrungen gesammelt, die mich persönlich und als Rennfahrer weitergebracht haben.» Mit seiner Rückkehr in die Moto2-Klasse und dem Wechsel zum neuen Rennstall Dynavolt Intact GP soll für Tom Lüthi nun alles anders werden. «Um einen Sieg zu erringen, müssen viele Bausteine zusammenpassen. Das fängt bei der Teamarbeit an.» Etwa, wie man in einem Team aufgenommen wird und wie man miteinander arbeitet und umgeht. «Das ist wie in einem normalen Job.» Als er zum neuen Renstall Dynavolt Intact GP gestossen sei, habe er gespürt, «dass sie an mich glauben und wissen, dass sie mit mir erfolgreich sein können. Das ist im letzten Jahr ziemlich auf der Strecke geblieben.»
Um die bestmöglichen Voraussetzungen für einen Erfolg zu schaffen, tüftelt das Dynavolt-Intact-GP-Team ständig am Motorrad herum. «Es muss an die jeweiligen Verhältnisse der -Strecke angepasst werden. Die Optimierung hört nie auf», so Tom Lüthis Cheftechniker Michael Thier. Dazu analysiert er zusammen mit seinem Team jeden Teil des Motorrads und arbeitet vor dem Grandprix für die Mitglieder des Rennteams jeweils einen Testplan mit Guidelines aus, an dem sich alle entlanghangeln können. «Ganz genau können wir diesen aber oft nicht umsetzen, weil beispielsweise der Rhythmus des Fahrers und die Rundenzeiten variieren und so Abweichungen erforderlich machen.» Vor dem Event komme das Team zur Aufgabenverteilung zusammen. «Danach weiss jeder, wie der Rennablauf ist, und kann sich auf das Kommende entsprechend vorbereiten.» In der Hitze des Gefechts hektisch zu agieren, hält er für wenig zielführend. «Ich versuche, Ruhe ins System zu bringen. Durch eine gute Vorbereitung können wir den Druck am Renntag im besten Fall rausnehmen und schneller auf sich ändernde Situationen reagieren.» Und auch Tom Lüthi etwas entlasten.
Die neue Zusammenarbeit trägt bereits erste Früchte: So errang Tom Lüthi am 14. April 2019 in Austin, Texas, einen ersten Sieg und rangiert derzeit an zweiter Stelle auf der Moto2-Weltrangliste. Und das, obwohl sich die Rennregeln geändert haben, neue Motoren zum Einsatz gekommen sind und die Topzeiten der Spitzenathleten zeitlich noch näher aneinanderrückten.
Nebst den Fachexperten des Rennstall-Inhabers Dynavolt Intact GP unterstützt Tom Lüthi ein persönliches Betreuerteam, das er für die laufende Saison breiter aufgestellt hat. Etwa mit einem Riding-Coach, der ihn an alle Rennen begleitet, seinen Fahrstil analysiert und die gewonnenen Erkenntnisse den Cheftechnikern des Dynavolt-Intact-GP-Rennstalls zur Datenauswertung zukommen lässt. Daneben beraten ihn ein Fitness-, ein Mental- sowie ein Offroad-Coach. Sie sind die besten auf ihrem Gebiet. Ein Kriterium, auf das Lüthi bei der Auswahl grössten Wert gelegt hat.
Entscheide zu treffen, die nicht optimal sind, gehört für Tom Lüthi zum Alltag. «Dann muss man dazu stehen. Sonst kommt das ganze Team nicht weiter.» Auch für Tom Lüthis Manager -Daniel M. Epp ist ein Fehler kein Weltuntergang. «Beichtet ein Chefmechaniker einen Fehler, ist im Grunde alles in Ordnung.» Weniger, wenn jemand einfach recht haben und sich nicht anpassen wolle.
Von Fehlern mag Daniel M. Epp eigentlich gar nicht sprechen. «Die perfekte Abstimmung gibt es nicht. Wir können nur so viele Dinge wie möglich so gut wie möglich machen. Wenn wir nicht gewinnen, sind einige Punkte einfach noch nicht optimal gelöst.» Er versuche dann herauszufinden, weshalb etwas nicht richtig funktioniere. «Sind wir auf dem richtigen Weg? Ist Tom physisch und psychisch auf der Höhe, müssen wir mehr trainieren oder etwas anderes machen?»
Ist etwas schief gelaufen, gehe es darum, den Details auf die Spur zu kommen. «Das ist nicht immer einfach.» Die Spurensuche erleichtern dem Racing-Team die Sektorzeiten, auf die es zugreifen kann, um Tom Lüthis Leistungen mit jenen der anderen Rennfahrer zu vergleichen. «Wir identifizieren dann die Bereiche im Detail, in denen wir uns noch verbessern müssen», sagt Cheftechniker Thier. Nebst dem Lernen aus Fehlern geht es im Rennsport aber auch darum, Prioritäten richtig zu setzen. «Wer Relevantes von Irrelevantem unterscheiden kann, ist erfolgreicher als andere», meint Daniel M. Epp. Erfolge zelebrieren sie im Team nur selten. «Nach dem Rennen haben wir dazu keine Zeit», sagt Tom Lüthi. «Wir gratulieren uns und klopfen uns auf die Schulter. Nachdem ich vom Podest runter bin, kehre ich in die Box zurück und sitze mit Michael Thier zusammen, um Pläne fürs nächste Rennen zu machen.» Wenig später reist der Rennstalltross dann zum nächsten Austragungsort.
Tom Lüthi
Im November 2005 gewinnt der damals 19-jährige Tom Lüthi auf einer Honda den Weltmeistertitel in der 125er-Klasse und geht damit als jüngster Weltmeister in die Geschichte des Motorradrennsports ein. Infolgedessen wird er 2005 zum Sportler des Jahres gewählt. Zwei Jahre später wechselt er in die 250er-Motorradklasse und 2010 in die Moto2, wo er 2016 und 2017 jeweils Vizeweltmeister wird. 2018 folgt ein neuer Klassenwechsel. Er fährt in der MotoGP mit Honda mit und kehrt 2019 nach einem verlustreichen Jahr mit dem Rennstall Dynavolt Intact GP wieder in die Moto2-Klasse zurück. tomluethi.ch