HR Today Nr. 4/2016: Change Management

Turbulente Zeiten

Nichts ist so beständig wie der Wandel. Das gilt umso mehr für die heutige Zeit. Doch wie hält man Organisationen in konstanten Veränderungsprozessen fit? Wir haben exemplarisch die 28-jährige Geschichte der ABB unter die Lupe genommen und einen ehemaligen ABB-Turnaroundmanager zum Auf und Ab des Weltkonzerns befragt, während zwei Unternehmensberater über Erfolgsfaktoren und Fallstricke Auskunft geben.

Verändern, um der Veränderung willen? Joachim Wolbersen, COO und Unternehmensbegleiter bei der Beraterfirma Five Elements, hält nicht viel davon, denn «jeder Eingriff in eine Organisation ist komplex». Dies wirke sich auf verschiedenen Ebenen des Unternehmens aus, wie etwa der Leistungsfähigkeit der Organisation oder der Mitarbeitermotivation. Er könne deshalb jedem neuen CEO nur empfehlen, «sich zunächst Zeit

einzuräumen, um das Unternehmen kennenzulernen». Auch Brian Kropp, HR Practice Leader des Technologieunternehmens CEB, glaubt, dass sich neue CEOs hüten sollten, voreilige Entscheidungen zu treffen. «Der Wunsch, schnelle Erfolge vorzuweisen, darf nicht dazu führen, dass egozentrische Verhaltensweisen die langfristige Leistungsfähigkeit der Organisation untergraben.» Zum Beispiel dann, wenn der CEO die Ideen anderer verwerfe, seine Mitarbeitenden mikromanage, überall eingreife oder Kritik nicht entgegennehme. Sollten Hau-Ruck-Aktionen dennoch notwendig werden, «hat der bisherige Führungsstab nachhaltig versagt und eine Entwicklung zugelassen, die das ganze Unternehmen gefährdet», hält Wolbersen fest. Solche Managementfehler müssten Konsequenzen haben, weil sonst die ganze Glaubwürdigkeit im Change-Prozess infrage gestellt sei.

«Geben sich die CEOs in immer kürzeren Abständen die Klinke in die Hand, leidet das Unternehmen», ist Wolbersen überzeugt. So dauere es bei Change-Prozessen etwa drei Jahre, bis sich die Veränderungen nachhaltig im Unternehmen etabliert hätten. Dabei nehme die Leistungsfähigkeit zunächst ab, «bis die Mitarbeitenden wieder ein gemeinsames Verständnis für die Ziele und Massnahmen erreicht haben». Die aus dem Change-Prozess hervorgehende Motivation müsse anschliessend genutzt werden, um die Leistungsverluste der ersten Phase zu kompensieren und ein höheres Leistungsniveau zu erreichen. Wechseln die CEOs jedoch häufig, stelle das «eine ernsthafte Störung der Change-Dynamik dar und kann die Leistungsbereitschaft der ganzen Organisation in Mitleidenschaft ziehen», gibt sich Wolbersen überzeugt.

Wenn zwei Kulturen aufeinandertreffen

Nicht nur das häufige Sesselrücken in der Chefetage beeinträchtigt den Change-Prozess, auch das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen wirkt oft wie Sand im Getriebe. Etwa bei Fusionen oder Unternehmenskäufen. Ursachen dafür ortet Brian Kropp in der ineffektiven Integration der Unternehmenskulturen, weniger hingegen in strategischen «Fehltritten» oder der Fehleinschätzung des Potenzials. Eine Ansicht, die Wolbersen teilt. Um zwei Kulturen miteinander zu verschmelzen, sei zudem ein Selbstfindungsprozess notwendig, der eine aktive Begleitung erfordere. «Die Organisation benötigt Zeit, um sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass der Teich etwas grösser geworden ist, in dem man schwimmt.» Würden diese Begleitmassnahmen nicht erbracht und würde nur der Druck verstärkt, suchten die Mitarbeitenden den Rückzug. «Das ist der Anfang von ermüdenden Grabenkämpfen, Widerständen und Verzögerungstaktiken und ruiniert jede Erfolgsgeschichte über den Zeitverlauf.»

Ein Zeichen eines geglückten Veränderungsprozesses sei, «wenn es keine gefühlten Gewinner und Verlierer gibt». Gegen diese Grundregel werde aber immer wieder verstossen, so Wolbersen. Mindestens ebenso wichtig sei, dass der Change-Management-Prozess so lange aktiv umgesetzt werde, bis die Organisation wieder leistungsfähig sei. Deshalb dürfe der Veränderungsprozess im Unternehmen keine Nebentätigkeit darstellen. Ein paar Workshops mit farbenfrohen Präsentationen und die Abarbeitung einer Aktivitätenliste genügten nicht, um die Herausforderungen zu bewältigen. «Das sind Kardinalsfehler, die aber immer wieder begangen werden», bedauert Wolbersen. Stattdessen gelte es, sich auf gemeinsame Ziele und messbare Ergebnisse zu verständigen und sich auf ihr Erreichen in angemessenen Schritten zu konzentrieren. «Der Weg dahin ist individuell und vielfältig und muss rollend geplant werden.»

Dazu brauche es jedoch eine attraktive Vision der gemeinsamen Zukunft, klare Botschaften und die glaubwürdige Aufforderung, mitzugestalten und solche Fragen aktiv zu bearbeiten wie: «Was können wir als Team zum messbaren Erfolg dieses Changes beitragen? Was hat uns in der Vergangenheit behindert und was wünschen wir uns für die Zukunft?» Ein Change könne nur dann gelingen, wenn «jeder Mitarbeiter die Vorteile für sich selbst, sein Team und die Zukunft erkennen kann». Das bedeute, Kommunikation in einer Sprache, welche die Zuhörer verstehen. «Return on Investment oder Geschwätz über die Globalisierung» hätten da nichts zu suchen. Eine Einsicht, die Kropp nicht uneingeschränkt teilt: «Erfolgreiche Changes zeichnen sich dadurch aus, dass die Mitarbeitenden die Veränderung nachvollziehen können, nicht dadurch, dass sie diese gutheissen.» Anstatt die Mitarbeitenden von den Vorteilen zu überzeugen, welche die Reorganisation mit sich bringe, sollen die Unternehmensleitung und das HR den Grund für den Change transparent und klar kommunizieren.

Veränderung erfordert Adaption

«Eine Organisation, die sich nicht verändert und deren einziges Ziel es ist, ihre Stabilität zu erhalten, befindet sich im Niedergang», sagt Wolbersen. «Sie muss lernen, sich an neue Anforderungen anzupassen.» Um den Anschluss nicht zu verlieren und flexibler agieren zu können, müssten bei der Entwicklung von Organisationen das Experimentieren und Querdenken noch mehr gefördert werden. Fehler dürften nicht bestraft, sondern sollten als Lernerfahrung konsequent ausgewertet werden. Dabei helfe 
die Vernetzung mit anderen Unternehmen:  Lernpartnerschaften und Kooperationsfähigkeit sorgten für die rechtzeitige Aufnahme von wichtigen Marktveränderungen. «Sie verschaffen Zeit, um eine Organisation sorgfältig und ohne Panik anpassen zu können.» Dabei sei jede sogenannte Krise eine Möglichkeit, die interne Organisationskultur umzugestalten und zu modernisieren.

Eine optimale Organisationsform gebe es hingegen nicht, sagen beide Experten. HR-Experte Kropp glaubt, dass «die Unternehmensstruktur sich danach ausrichten muss, ob die Arbeit erledigt werden kann, und nicht nach einem externen Organisationsmodell».

Egal, welche Organisationsform man wähle, sagt Wolbersen, ob Matrix, ein zentrales Modell oder eine andere Organisationsform: «Das Unternehmen muss den Mitarbeitenden eine klare Werteorientierung vermitteln, ihn ernst nehmen, stabile Arbeitsbeziehungen zulassen, durch eine klare Führung motivierende Ziele setzen und Fehlverhalten sanktionieren.»

HR als Change Manager

Um eine Organisation voranzubringen, brauche es ein «gut positioniertes» HR mit Entscheidungs- und Gestaltungsfreiheit, das an der Unternehmensvision und Positionierung mitwirke und mit eigenen Budgets Projekte umsetzen könne. Ein Wunsch, welcher der Realität nicht standhalte, obwohl alle Mitarbeitenden Perspektiven, motiverende Arbeitsbedingungen und Führungskräfte brauchten, die sie ernstnähmen. Hier könne das HR noch viel mehr tun.

Auch HR-Experte Brian Kropp betrachtet das HR im Change Management als wichtigen Erfolgsfaktor. Dieses müsse «Leistungsbarrieren» aus dem Weg räumen, Mitarbeitende auf Veränderungen vorbereiten, über die Changes informieren und deren Auswirkungen messen». Organisationen, die das nicht tun, haben es seiner Meinung nach schwer, ihre Reorganisationsziele zu erreichen. Zwar hätten rund 90 Prozent der Firmen nach einem Jahr ihre Kosten im Griff, hingegen hätten nur in 60 Prozent der Unternehmen die Mitarbeitenden ihre gesetzten Ziele erreicht.

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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