HR-Debatte

Vaterschaftsurlaub

Väterorganisationen fordern schon seit Jahren eine Elternzeit anstelle der 14 Wochen
 Mutterschaftsurlaub bei der Geburt eines Kindes. Im europäischen Vergleich ist das kein frommer Wunsch: Die EU schreibt ihren Mitgliedsländern vier Monate Elternzeit vor, wovon Väter 
einen Monat beziehen müssen. In der Schweiz aber wird emotional diskutiert. Stellvertretend kreuzen für HR Today Markus Theunert, Präsident des Dachverbands Schweizer Männer- 
und Väterorganisationen, und Daniel Hodel, grünliberaler Zürcher Kantonsrat, die Klingen. 

Väter zwischen Windeln und Windows – und die Firmen profitieren

«Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit», steht in der Bundesverfassung. Kommt ein Kind zur Welt, ist aber Schluss mit dem hehren Gleichstellungsideal: Mama bezieht 14 Wochen Mutterschaftsurlaub, um danach meist mit Teilzeitpensum wieder zu arbeiten. Papa bekommt vom Boss – wenn überhaupt – einen Tag frei, um bei der Geburt dabei zu sein. Am nächsten Tag wird er wieder im Büro erwartet. Ausser er hat einen fortschrittlichen Arbeitgeber, der freiwillig mehr Väterzeit gewährt, als er müsste.

Die junge Familie wird in die Traditionsfalle gelockt. Die Mutter wird ihren Lohn- und Karriererückstand bis zur Pensionierung nie mehr aufholen – und der Vater wird Mühe haben, die Beziehung zum Kind gleichwertig aufzubauen und seinen eigenen Stil des «Bevaterns» zu entwickeln.

Nun mag man einwenden, dass sich der Staat nicht in die Wahl von Familienformen einzumischen habe. Das stimmt. Aber gerade aus diesem Gebot leitet sich die Pflicht ab, Mütter und Väter in vergleichbarer Weise im Elternsein zu fördern und zu stärken, damit die Wahlfreiheit auch für Väter gilt. Indem der Staat keine Eltern- und Väterzeit gewährt, zementiert er alte, nicht mehr überall gewünschte Familienformen.

Mit der Schmalspur-Regelung steht die Schweiz international als Entwicklungsland da. Man muss nicht nach Schweden (480 Tage Elternzeit, bei 80 Prozent Lohnfortzahlung) blicken, um zu diesem Schluss zu kommen. Deutschland gewährt Paaren 14 Monate Elternzeit bei 67 Prozent Lohnfortzahlung, wovon Väter zwei Monate beziehen müssen. Die EU fordert von ihren Mitgliedsländern vier Monate Elternzeit, wovon Väter einen Monat beziehen müssen. Ist ganz Europa einer neuen Sozialromantik verfallen? Nein, es sind handfeste Interessen, welche Väterzeit als logische Investi-tion erscheinen lassen.

Zeit für die Elternschaft rentiert sich wirtschaftlich: Familienfreundliche Personalpolitik stärkt die Bindung Arbeitgeber/Arbeitnehmer. Wem die Balance aus Erwerbs- und Familienzeit gelingt, verursacht weniger krankheitsbedingte Kosten, ist produktiver und macht weniger Fehler. Daneben profitiert das Unternehmen von Fertigkeiten, die Männer im Balanceakt zwischen Windows und Windeln entwickeln: Multitasking, hochkonzentriertes Nutzen von Zeitinseln und das Managen von komplexen Abläufen. Nicht zuletzt sind väterfreundliche Unternehmenskulturen auch frauenfreundlich. Volkswirtschaftlich steht die demografische Entwicklung im Vordergrund: Nur wenn genug Kinder zur Welt kommen, sind Sozialversicherungen künftig finanzierbar. Und sollte sich die Schweiz dereinst den Luxus nicht mehr leisten können, Fachkräfte aus dem Ausland zu importieren statt sie selber auszubilden, wäre eine echte Väterzeit eine konsequente, vorausschauende Arbeitsmarktpolitik.

In der politisch verhärteten Diskussion um Väterzeit hat männer.ch einen Vorschlag am Beispiel des 3-Säulen-Modells der Altersvorsorge eingebracht: Eine erste Säule unterstützt alle Eltern und wird von der Gemeinschaft finanziert. Denn gleich wie im Alter sind Eltern während einer bestimmten Zeit verhindert, die volle Arbeitsleistung zu bringen. Dafür braucht es eine gewisse Solidarität aller. Die zweite Säule wird von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert, und als dritte Säule kann steuerbefreit für die Zeit der Elternschaft vorgesorgt werden. In Kürze wird der Bundesrat zu unserer Idee einen Bericht verabschieden und hoffentlich auch konkrete Umsetzungsvorschläge machen.

  • Markus Theunert 
ist Präsident des Dachverbands Schweizer Männer- und Väterorganisationen, Gründer der «Schweizer Männerzeitung» und Autor. Hauptberuflich ist er Inhaber der Beratungsfirma Social Affairs.

 

Wettbewerb ist auch in der
Personalrekrutierung wichtig

Es ist unpopulär, sich im inflationären Umfeld von staatlicher Regulierung gegen eine staatliche Lösung für den Vaterschaftsurlaub auszusprechen. Zudem könnte der Verdacht aufkommen, man sei unsozial. Ich möchte dies widerlegen und aufzeigen, wieso eine staatliche Lösung in diesem Fall falsch ist.

Nicht erst seit der Lancierung der CVP-Initiative zum Familienartikel ist Familienpolitik ein gesellschaftspolitischer Brennpunkt. Die emotional geführte Auseinandersetzung zur Rollenverteilung in der Familie wird angereichert mit den Themen Frauenanteil in Führungsgremien, Lohngleichheit und nunmehr mit der Forderung nach geregeltem Vaterschaftsurlaub. In der Tat wichtige Themen mit offensichtlichen Missständen – meist zu Ungunsten der Frau. Der Dialog ist deshalb richtig und wichtig – der Ruf nach staatlichem Eingriff aber gefährlich und kontraproduktiv.

Die Schweiz hat ein funktionierendes Wirtschaftssystem und einen Arbeitsmarkt mit Superlativen: beste Beschäftigungsquote aller OECD-Länder, höchste Teilzeitquote und höchster Ausländeranteil im internationalen Vergleich. Alles Punkte, welche der Attraktivität des Erfolgsmodells Schweiz anzurechnen sind. Erreicht haben wir das durch mutige Reformen und ein Zusammenspiel von verschiedenen liberalen Systemelementen. Zusammengefasst zeigt sich, dass in der Schweiz im Gegensatz zu Ländern wie Deutschland und Frankreich der Arbeitsmarkt tatsächlich ein Markt ist.

Regulierungswütige Politiker untergraben mit der Forderung nach neuen Gesetzen aber die Flexibilität des Arbeitsmarkts und den Liberalismus. Wenn wir zulassen, dass der Staat aufgrund einiger Missstände Wirtschaft und Arbeitsmarkt überregelt, verhindern wir innovative Geschäfts- und Arbeitsmodelle, welche für hiesige Unternehmen Wettbewerbsvorteile darstellen. Unternehmen wie Mobility, Migros, Swisscom, Swiss Re, IBM Schweiz und viele andere bieten attraktive Arbeitsmodelle mit Vaterschaftsurlaub und sind sich ihrer sozialen Rolle bewusst. Wettbewerb soll nicht nur im Erbringen von Dienstleistungen oder dem Erstellen von Produkten stattfinden. Nein, Wettbewerb ist auch in der Personalrekrutierung wichtig. Erfolgreiche Unternehmungen sind deshalb attraktive Arbeitgeber mit besten Arbeitsbedingungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Grosse Unternehmerpersönlichkeiten haben sich immer um die Belange der Familie ihrer Arbeitnehmenden gekümmert und für optimale Rahmenbedingungen wie vergünstig-tes Wohnen, betriebsinterne Kinderkrippen oder flexible Arbeitszeiten gesorgt. Ein wesentlicher Teil des Gewinns fliesst so an die Angestellten und nicht zuletzt an die Allgemeinheit zurück. Ein Unternehmer, im Gegensatz zum reinen Manager, erkennt, dass ein gut funktionierendes familiäres Umfeld die Leistung seiner Mitarbeitenden unterstützt. Viele Beispiele aus der Schweiz belegen dies. Es sind Firmen, die ihren Mitarbeitern grosszügige Beiträge an Krippenbetreuungsplätze erstatten, Modelle von Elternzeit kennen oder über eigene Regelungen zu Vaterschaftstagen verfügen.

Arbeitnehmende sollten sich für Firmen mit einem guten Gesamtangebot entscheiden. Unternehmen mit innovati-ven und sozialen Arbeitsmodellen gewinnen so die besten Fachkräfte. Die Schweiz braucht mehr fortschrittliche Unternehmer, ein liberales Klima und den Dialog über nachhalti-ges Wirtschaften. Sie braucht keine weiteren staatlichen Eingriffe. Schauen wir, dass die Duttweilers und Hayeks 
überhandnehmen und dass wir den Liberalismus nicht verteufeln.

  • Daniel Hodel ist CEO der bdh. Solutions AG in Opfikon-Glattbrugg. Er ist ausserdem politisch engagiert und nimmt für die Grünliberale Partei Einsitz im Zürcher Kantonsrat.
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Markus Theunert 
ist Präsident des Dachverbands Schweizer Männer- und Väterorganisationen, Gründer der «Schweizer Männerzeitung» und Autor. Hauptberuflich ist er Inhaber der Beratungsfirma Social Affairs.

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Daniel Hodel ist CEO der bdh. Solutions AG in Opfikon-Glattbrugg (ZH). bdh. «Solutions AG – mach Wissen zugänglich, überall und jederzeit».  Er ist ausserdem politisch engagiert und nimmt für die Gründliberale Partei Einsitz im Zürcher Kantonsrat.
 

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