Checkliste

Vertrauen – der unterschätzte Erfolgsgarant

Vertrauen ist die tragende Säule aller zwischenmenschlichen Interaktionen, stärkt den Zusammenhalt und fördert Eigenverantwortung. Sieben Elemente, um Vertrauen im Unternehmen zu fördern.

Die meisten Versuche, den vielschichtigen Begriff Vertrauen zu umschreiben, betonen den tief verankerten Glauben der Menschen in die Richtigkeit, Voraussehbarkeit und Verlässlichkeit anderer Menschen oder Sachen. Im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit Vertrauen als Grundsatz für erfolgreiche Führung, meint Fredmund Malik unverblümt: «Worauf es in letzter Konsequenz ankommt, ist das gegenseitige Vertrauen! Es ist das Vertrauen, das zählt, und gerade nicht all die anderen, so oft beschriebenen und geforderten Dinge wie Motivation, Führungsstil und die üblichen Versionen von Unternehmenskultur».*

Im Organisationskontext

In Unternehmen – mit und ohne Gewinnorientierung – verhält es sich mit Vertrauen nicht anders. Es ist als Kernelement der Kultur zu verstehen und resultiert aus der Gesamtheit aller Handlungen und verbaler sowie non-verbaler Kommunikation der beteiligten Akteure. Dabei wirkt Vertrauen auf zwei unterschiedlichen Ebenen, wie nachfolgende Abbildung verdeutlicht.

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Abbildung 1: Vertrauen inner- und ausserhalb von Organisationen.

Aus einer «Makro»-Perspektive (1) findet zwischen einer Organisation und dem Umfeld – umfassend Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, Ökologie und weitere Stakeholder – ein steter Austausch statt, welcher sich massgebend auf Vertrauen auswirkt.

Diese starke Wechselwirkung sei verdeutlicht anhand des positiven Beispiels eines Unternehmens, welches sich mit der Reduktion von CO2-Emissionen befasst. Dieser «implizite Auftrag» aller oben genannten Anspruchsgruppen stärkt das Vertrauen des Unternehmens in die Richtigkeit der eigenen Mission und Werte. Dieses Vertrauen gibt das Unternehmen seinerseits zurück durch möglichst umweltfördernde Produkte und Dienstleistungen. Der Zyklus setzt sich anschliessend, quasi «ad infinitum», fort.

Innerhalb der Organisation (2) spielt Vertrauen in all ihren relevanten Dimensionen ebenfalls eine grundlegende Rolle. Zum Beispiel kann der normative Rahmen so formuliert werden, dass die Zuversicht der Organisation in die Zukunft und die eigenen Skills im Mittelpunkt stehen.

Bei der Zusammenarbeit wiederum sind Transparenz, ein partnerschaftlicher Umgang sowie ein uneigennütziger Austausch von relevantem Wissen Ausdruck von Vertrauen. Flache Strukturen bzw. eine geringe Hierarchisierung sowie Autonomie fördernde Abläufe signalisieren ein hohes Mass an Vertrauen in die Fähigkeit der Mitarbeitenden: sie sollen die gebotenen Freiräume und ihre Kompetenzen optimal im Sinne der Bereichs- und Unternehmensziele ausfüllen.

Als zentrales Führungsthema

Die heutige globale Wirtschaft ist geprägt von einer schier unüberschaubaren Anzahl an sozialen und wirtschaftlichen Verflechtungen und einem unaufhörlichen Wandel. Die moderne Führungskraft ist dabei zunehmend gefordert, eine Vielfalt von Rollen – meist im Verbund – zu bekleiden, wie folgende Tabelle illustriert.

SinnvermittlerDefinition einer greifbaren Vision, Geben von Orientierung durch Herunterbrechen von Zielen in Team- und individuelle Beiträge
VorbilderVerkörpern der Unteraltung und Verhalten, Prägen der Bereichskultur des eigenen Bereichs
VorgesetzteVereinbaren von Zielen und Aufgaben sowie Formulieren von Erwartungen an Mitarbeitende, Treffen von Entscheidungen, Planen und Organisieren des eigenen Verantwortungsbereichs
Change Agents / KommunikatorenErkennen von Veränderungsbedarf, Motivieren der Mitarbeitenden für Veränderungen, Sicherstellen von Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz durch Integration und Kommunikation
EntwicklerGeben von Feedback zu Leistung und Verhalten, aktiv Beitragen an die gezielte Erweiterung des Kompetenzportfolios der Mitarbeitenden
MediatorenVermitteln bei Konflixten, Streben nach «win-win»-Ergebnissen, Bauen von Brücken zwischen Akteuren, Fördern einer konstruktiven Zusammenarbeit über die Bereichsgrenzen hinweg
Experten und UnternehmerBesitzen von fundierten fachlich-methodischem Wissen, Sicherstellen von effizienten Arbeitsabläufen, wirtschaftlich denken und handeln, Nutzen von Business Opportunitäten

 

In diesem anspruchsvollen Kontext muss Führungskräften klar sein, dass sie in all ihren Rollen inner- und ausserhalb der Organisation das Vertrauensniveau stark beeinflussen und als Vorbilder für ihre Mitarbeitenden fungieren. Mitarbeitende schauen erfahrungsgemäss wachsam und erwartungsvoll auf ihre Führungskräfte hinauf und erhalten von diesen Signale ungeachtet dessen, ob die Führungskräfte etwas tun bzw. sagen oder nicht (letzteres erhöht das Risiko von irreführenden Interpretationen).

Vor dem Hintergrund dieser wichtigen Erkenntnis, lohnt sich eine Auseinandersetzung mit den mannigfaltigen Themen, die Vertrauen in der Führung begünstigen. Diese finden sich in der folgenden Übersicht mit den wesentlichen vertrauensbildenden Elementen.

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Abbildung 3: Vertrauensbildende Elemente.

 

1. Orientierung am Menschen

Das grundlegendste der Elemente. Dabei steht das Interesse an der Person und dessen Fähigkeiten, Neigungen und Bedürfnissen im Fokus. Gelingt es Führungskräften, diese Haltung zu verinnerlichen und nach aussen zu tragen, werden sie ihren Mitarbeitenden in angemessenem Umfang Zeit widmen, diesen begleitend zur Seite stehen und einen massgebenden Beitrag an ihre persönliche und berufliche Weiterentwicklung leisten.

2. Fairness und Respekt

In einem entsprechend geprägten Umfeld bringen Führungskräfte ihren Mitarbeitenden ihr Wohlwollen entgegen, indem sie Anliegen ernst nehmen und das gemeinsame Finden von tragfähigen und nachhaltigen Lösungen anstreben. Leistung und Verhalten werden ausserdem nach objektiven, nachvollziehbaren und gegenseitig akzeptierten Kriterien beurteilt und honoriert und Lob wird spontan und regelmässig geäussert.

3. Orientierung

Vertrauen schöpfen Menschen in Anbetracht ihrer natürlichen Abwehrhaltung gegenüber Neuem dann, wenn Sie einen Leitstern am Horizont sehen, der ihnen den Weg weist. Insofern ist es zum einen eminent wichtig, dass Führungskräfte ihren Mitarbeitenden Klarheit durch Orientierung geben bezüglich der Stossrichtung des Unternehmens und des eigenen Tätigkeitsbereichs und zum anderen dafür sorgen, dass Rollen und Beiträge ans Ganze sowie die Nutzen aus individueller Perspektive klar sind. Dies stiftet aus der Sicht der Beteiligten Sinn und schafft ein hohes Mass an Identifikation, Commitment und Leistungsbereitschaft.

4. Transparenz

Transparent handeln heisst nicht nur, offen zu kommunizieren und adäquate Informations- und Austauschplattformen bereitzustellen. Im Vordergrund steht ebenfalls die Schaffung von gegenseitiger Klarheit in Bezug auf persönliche Werte und Vorstellungen, was die gezeigten Verhaltensmuster aller Beteiligter nachvollziehbar macht.

5. Berechenbarkeit

Verschiedene in den letzten Jahren durchgeführte Studien kommen zum Schluss, dass Mitarbeitende bei Stellenwechseln selten Unternehmen, oft aber Kulturen und Vorgesetzte verlassen. Vorgesetzte, die sagen, was sie tun und vor allem tun, was sie sagen, werden rasch imstande sein, in ihrem Umfeld Vertrauen zu bilden. Auch die unmissverständliche Äusserung der eigenen Erwartungen, das Verfolgen einer klaren, situationsunabhängigen Linie sowie das Einhalten von Abmachungen sind eine unabdingbare Voraussetzung für eine vertrauensfördernde Verbindlichkeit.

6. Lernkultur

Die Ausprägung von Vertrauen in Organisationen hängt zudem stark davon ab, wie mit dem oft negativ konnotierten Begriff «Fehler» umgegangen wird. Im Vorteil sind hier Unternehmen und Führungskräfte, die in Fehlern eine wertvolle Reflexions- und Lerngelegenheit sehen und eine Kultur verkörpern, in der Feedback wie auch Lob und Kritik im Sinne eines kontinuierlichen individuellen und kollektiven Lernprozesses spontan angebracht werden können.

7. Autonomie und Kontrolle

Schliesslich kann Vertrauen durch einen achtsamen Umgang mit dem Spannungsfeld Kontrolle-Autonomie gestärkt werden. Mitarbeitende, denen ein Vertrauensvorschuss (anstatt grundlegender Skepsis) entgegengebracht wird, schöpfen Selbstbewusstsein und sind viel eher fähig und bereit, ihre Ressourcen im Sinne der definierten Ziele zu aktivieren.

Als Fazit kann festgehalten werden, dass alle Menschen – ungeachtet ihrer Rolle oder hierarchischen Stellung – in Organisationen als «Schmiede des Vertrauens» agieren können. Führungskräften, die Vertrauen als einen beinfluss- und formbaren Aktivposten verstehen und in deren Handeln sich vertrauensbildende Elemente in hohem Masse widerspiegeln, wird es gelingen, das in Mitarbeitenden vorhandene, teils schlummernde Potenzial zur Vertrauensbildung freizusetzen. Dadurch wird ein oft unterschätzter Erfolgsgarant zum Leben erweckt, von dem letztendlich alle profitieren.

 

Quelle:

* Fredmund Malik, «Führen, Leisten, Leben»: Wirksames Management für eine neue Zeit, Campus Verlag 2006

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Mauro Pellandini ist Senior HR Consultant bei der Empiricon AG.

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