Viel Konsens – mit Nuancen
Talentmanagement ist längst im Herzen der Schweizer Wirtschaft angekommen. Aber was ist heute «State of the Art», wie misst man die Rentabilität und welche Themen beherrschen das Talentmanagement in fünf bis zehn Jahren? HR Today hat sich umgehört und bei fünf Personalverantwortlichen aus Industrie (ABB), Wirtschaftsprüfung (EY), Handel (Migros), Health (Hirslanden Gruppe) sowie einem staatsnahen Betrieb (Post) eine Umfrage gestartet. Eine Zusammenfassung.
Wie entwickelt sich das Talentmanagement? (Illustration: iStockphoto)
Um es vorwegzunehmen: Unternehmen aus allen Branchen und Wirtschaftszweigen systematisieren inzwischen ihre personalpolitischen Anstrengungen, um das begehrte Humankapital zu identifizieren, zu gewinnen, zu entwickeln und längerfristig zu binden. Talentmanagement ist ein «Must» und kein «Nice to have» – so die einhellige Meinung der obersten HR-Verantwortlichen der Unternehmen, die an der Umfrage zum Thema teilgenommen haben.
Talentmanagement ist Chefsache
Der Talentmanagement-Prozess wird vermehrt von «ganz oben» gesteuert und findet eine Verankerung in den Unternehmenszielen. Das ist grundsätzlich bei allen Befragten so. Bei der Post gibt es seit April 2013 die Organisationseinheit «Talent» und einen einheitlichen Prozess, der für das Top- und obere Management zentral auf Konzern-ebene gesteuert wird. «Beim Topmanagement ist die Konzernleitung direkt involviert», erklärt Yves-André Jeandupeux, Leiter Personal und Mitglied der Konzernleitung.
Ins gleiche Horn stossen auch die anderen vier Personalchefs. Bei der ABB etwa, so Volker Stephan, Head of Human Resources Switzerland and Central Europe, wird die Förderung von Talenten «global, regional und lokal als ein für das Business strategisch bedeutsames Handlungsfeld» betrachtet.
Wann ist ein Talent ein Talent?
Die Befragten definieren Talent grundsätzlich recht ähnlich. Barbara Aeschlimann, Head of Human Resources bei EY, betrachtet «all unsere Mitarbeitenden, mit ihren individuellen Kompetenzen und Qualitäten» als Talente. Ebenso Yves-André Jeandupeux von der Post. Für Volker Stephan sind Talente vor allem diejenigen Mitarbeitenden «mit hohem Leistungsniveau und grossem Potenzial». Für Hans-Rudolf Castell, den Leiter der Direktion HR Management bei der Migros-Gruppe, sind Talente «Potenzialträger», denen insbesondere auf Mitarbeiter- und Kaderstufe das Potenzial zugesprochen wird, «kurz- oder oder mittelfristig eine anspruchsvollere Funktion zu übernehmen».
Kaufen oder selber machen?
Züchtet man sich die Talente im eigenen Unternehmen heran oder wird auf dem Markt gewildert? Hier sind sich die Befragten nicht ganz einig. Die Post investiert «zur Zeit eindeutig mehr in die Entwicklung von internen Talenten» und das «vor allem im Hinblick auf die Nachfolgeplanung und Nachwuchsförderung für Top-Positionen», erklärt Yves-André Jeandupeux. Das Personalportfolio von internen Potenzialträgern wird an sogenannten «Talentkonferenzen» kritisch hinterfragt, bei der ABB geschieht dies an den «People Review Sessions», wobei die ABB «getreu unserer Strategie sehr viel in beide Bereiche» investiert. Die Migros entwickle im Kerngeschäft und im Bereich der Betriebszentralen, wenn immer möglich intern, verrät Hans-Rudolf Castell. Bei ausgeprägten Spezialistenfunktionen wie der IT sei die Migros aber wie alle anderen darauf angewiesen, auf dem externen Markt die richtigen Leute zu finden.
Gewinnen, entwickeln, binden
Bei der Gewinnung von Talenten setzt nicht nur EY auf «ein gezieltes und umfassendes Employer Branding», auch die Migros arbeitet momentan an einem Employer-Branding-Konzept, «das unter anderem auf die Nutzung der elektronischen Medien fokussiert», erklärt Hans-Rudolf Castell. Dabei versteht EY ihre Entwicklungsmassnahmen «gleichzeitig auch als Mitarbeiterbindungsmassnahme». Fast identisch sieht es Lucia Hegglin von der Hirslanden Gruppe: «Die individuelle Weiterentwicklung unserer Mitarbeitenden trägt massgeblich zur Bindung bei.»
Wie steht es mit der Rentabilität?
Fragt man die HR-Verantwortlichen nach den Indikatoren zur Beurteilung der Rentabilität ihrer Talentinvestitionen zeigt sich ein durchzogenes Bild. «Das ist eine grosse Herausforderung», gesteht Barbara Aeschlimann von EY. Auch Migros-HR-Leiter Hans-Rudolf Castell findet es «schwierig, die Rentabilität frankengenau zu bestimmen». Verglichen werde jedoch die Entwicklung der externen und internen Stellenbesetzungsrate. Ein Indikator, der auch bei der ABB gemessen wird. Dort basiert das Talentmanagement auf vier Faktoren: Kandidatenqualität, niedrige Besetzungskosten, kurze Besetzungszeit und nachhaltiger Leistungsausweis. «Die Rentabilität messen wir anhand von Indikatoren wie Time to EBIT, Cost per Hire, Fluktuation, Talententwicklung, sowie die Anzahl potenzieller Nachfolger für Schlüsselpositionen», so Volker Stephan.
Blick in die Zukunft
Und welche Themen prägen das Talentmanagement in fünf bis zehn Jahren? Während die Migros die «Talent-Knappheit auf allen Ebenen», die Post, den «Fachkräftemangel und die damit verbundene Arbeitgeberattraktivität» anführen, verweist die Hirslanden Gruppe auf die Notwendigkeit, Programme zu entwickeln, «welche auf die Bedürfnisse der verschiedenen Lebensphasen eingehen». Derweil geht EY davon aus, dass für globale Unternehmen die Standortfrage an Bedeutung gewinnen wird. Eine zunehmende Globalisierung der Talentmärkte erwartet auch Volker Stephan von der ABB: «Die Arbeit wird vermehrt dort sein, wo die Talente sind, nicht umgekehrt.»