Bindung Talentmanagement

Wie Pilatus Talente bindet

Die Pilatus Flugzeugwerke AG mit Sitz im nidwaldnerischen Stans befindet 
sich momentan im Überflug: der Bau eines neuen Businessjets, volle 
Auftragsbücher, ein Milliardenumsatz im vergangenen Jahr. All das schafft 
auch für das Talentmanagement der Zentralschweizer immer wieder neue 
Herausforderungen. Weshalb die Flugzeugbauerin trotzdem keine Bindungs
ängste kennt – Talentmanagerin Madeleine Renner gibt einen Einblick.

Das vielgerühmte Bergpanorama rund um das Stanserhorn ist noch wolkenverhangen, die Spätsommersonne hat den Kampf mit den Nebelschwaden an diesem regnerischen Augustmorgen noch nicht für sich entscheiden können. Doch der Hauptort des Kantons Nidwalden, wunderbar zwischen Vierwaldstättersee und den Bergen eingebettet, hat andere Attraktionen zu bieten. Es wird fleissig gebaut an der Ennetbürgerstrasse 101 – ein neues Parkhaus für die Belegschaft steht kurz vor der Einweihung. Ein modernes Betriebsrestaurant mit Sicht auf Berge und den Flugplatz Buochs wird folgen. Pilatus, einer der grössten Zentralschweizer Arbeitgeber, liegt viel daran, dass sich die Mitarbeitenden wohlfühlen – allem Anschein nach eine eingeschworene Gesellschaft.

So ist es denn auch wenig verwunderlich, wenn Madeleine Renner, die bei Pilatus das Management der Talente verantwortet, neben der Faszination für das Produkt und den damit verbundenen Emotionen als wichtigstes «Bindemittel» die Unternehmenskultur anführt. Diese basiere zwar auf innerschweizerischen Werten, sei aber gleichwohl sehr international. Der Zusammenhalt unter den 1752 Mitarbeitenden aus über 40 verschiedenen Nationen sei stark, viele bezeichneten sich gar als Mitglieder der «Pilatus-Familie». Tatsächlich gebe es Familien, die schon in zweiter oder gar dritter Generation Arbeitnehmende stellen. Mitarbeitende, die ihr halbes Berufsleben bei den Stanser Flugzeugwerken verbracht haben, sind keine Seltenheit.

Wie die Bindung, aber auch die Gewinnung und Entwicklung von Talenten bei Pilatus funktioniert, verrät Madeleine Renner im O-Ton.

Die Talentmanagerin: Madeleine Renner (27)

Madeleine Renner ist seit August 2013 Human Resources Development Manager bei Pilatus und in ihrer Funktion für das Talentmanagement des Flugzeugbauers zuständig. Die 27-Jährige ist ausgebildete Kauffrau, hat einen Bachelor in Business Administration und absolviert aktuell ein Studium zum Master of Science Organizational Psychology an der University of London. In ihrer Freizeit besucht die begeisterte Sportlerin gerne fremde Länder und Kulturen.


«Talent definiere ich grundsätzlich als eine aussergewöhnliche Begabung eines Menschen. Im beruflichen Umfeld, so auch bei uns, stellt sich zusätzlich die Frage, ob jemand über ein Talent verfügt, das dem Arbeitgeber von Nutzen ist, um dessen strategische und operative Ziele zu erreichen.

Wir verwenden den Begriff deshalb relativ vorsichtig. Wir sprechen lieber von Potenzial, Einzigartigkeit und Unverwechselbarkeit. Das signalisiert, dass wir aufgrund unserer Erfahrungen mit einem Arbeitnehmenden der Meinung sind, dass dieser über besondere, fördernswerte Eigenschaften und Fähigkeiten verfügt und sich künftig in eine für uns wichtige Position entwickeln könnte. Potential suggeriert zudem, dass es Effort und (Selbst)-Entwicklung braucht, um diese zu erreichen.

Wer den nötigen Willen hat sowie einzigartig,  unverwechselbar und teamfähig ist, der hat bei uns die Möglichkeit, sich zu entwickeln, Verantwortung zu übernehmen, Veränderungen anzustossen, zu gestalten und unsere Zukunft mitzuprägen. Das ist gerade auch für die Nachfolgeplanung entscheidend.

Tragende Rolle der Vorgesetzten

Das Erkennen von solchen Potenzialen ist sehr komplex und erfordert ein subtiles Vorgehen. Eine tragende Rolle spielen dabei unsere Führungskräfte. Durch die tägliche Zusammenarbeit kennen sie die besonderen Begabungen und Potenziale aber auch die Schwächen ihrer Mitarbeitenden am bes-ten. Im Rahmen der Mitarbeiterbeurteilung nehmen diese deshalb eine Potenzialeinschätzung vor. Aufgrund dieser Erkenntnisse eruiert das HR mögliche Potenzialträger, über die wir anschliessend mit den jeweiligen Geschäftsleitungsmitgliedern sprechen.

Für eine Auswahl an besonders einzigartigen und unverwechselbaren Mitarbeitenden führen wird danach eine erweiterte Potenzialanalyse durch. Darauf aufbauend werden gemeinsam Massnahmen definiert und Entwicklungsschritte geplant sowie umgesetzt. Angestossen, begleitet und gesteuert wird der Prozess durch das HR – auf Basis des Auftrags unseres CEO Markus Bucher.

Bauchgefühl mit System

Schwerpunktmässig messen wir die Performance über das Mitarbeitergespräch. Alle Mitarbeitenden haben jährlich deren zwei. Anfang Jahr findet das Rückblickgespräch zusammen mit dem Ausblickgespräch statt. Rückblickend wird die Leistung im letzten Jahr beurteilt. Im Ausblick werden Ziele und Personalentwicklungsmassnahmen für das folgende Jahr definiert. Mitte Jahr findet das Controllinggespräch statt, wo wir den Stand der Zielerreichung und mögliche Personalentwicklungsmassnahmen besprechen. Gemessen werden neben der Zielerreichung auch die Fachkompetenz, die Selbst- und Sozialkompetenz und ab einer gewissen Stufe ebenfalls die Führungs- und Beratungskompetenz.

Pilatus hat schon immer viel in die Entwicklung, Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitenden investiert. Verändert hat sich in den letzten Jahren vor allem, dass wir unsere Prozesse weiter formalisiert und zentralisiert haben. So gibt es nun eine zentrale Anlaufstelle in Sachen Personalentwicklung. Wir arbeiten vermehrt mit Instrumenten wie dem Pipeline-Management und der erweiterten Potenzialanalyse. Neue Hilfsmittel, wie beispielsweise Checklisten für Vorgesetzte, erleichtern die Arbeit. All diese 
Massnahmen haben den Beurteilungs-prozess vereinfacht und einheitliche Abläufe und Qualitätsstandards für alle Mitarbeitenden sichergestellt. Der Dialog zwischen 
Vorgesetzten und Mitarbeitenden und die Dokumentation der Gespräche haben sich verbessert. 

Trotz dieser standardisierten Prozesse entdecken wir Menschen mit besonderen Fähigkeiten auch immer wieder ‹by the way›, – wenn wir mit offenen Augen und Ohren durch das Unternehmen gehen und Gespräche führen. Wer will, der kann sich bei uns entwickeln. Wichtig ist eine gute Durchmischung – also auch Mitarbeitende, die sehr gute Arbeitsleistungen erbringen und auf ihrer Position glücklich und zufrieden sind. Wenn wir bei Pilatus nur herausragende Talente hätten, die sich verändern wollen, wäre das ein grosses Problem.

Die Mischung macht’s

In der Luftfahrtindustrie sind Fehler verheerend. Das prägt uns alle. Qualität hat höchste Priorität. Mitarbeitende müssen viel Verantwortung übernehmen. Sozialkompetenz und Persönlichkeit sind die Schlüsselfaktoren und spielen deshalb im Talentmanagement die elementare Rolle. Zudem ist unsere Branche sehr international. Unsere Kunden kommen aus der ganzen Welt. Auch interkulturelle Kompetenz und Kommunikationsfähigkeit sind deshalb wichtige Faktoren.

Einige Aviatik-Berufe werden in der Schweiz nicht ausgebildet. Deshalb müssen wir diese Mitarbeitenden entweder international rekrutieren oder selber ausbilden. Wir setzen bewusst auf beide Wege – mit besonderem Schwerpunkt auf den zweiten. Darum setzt unser Talentmanagement bei der internen Förderung an. Die Karriere von Sven Gisler ist ein gutes Beispiel dafür.

Wir bilden aktuell über 100 Lernende in zehn Lehrberufen aus. Für die unterschiedlichen Fähigkeitsprofile und Ziele bieten wir anschliessend verschiedene Entwicklungswege an. Mitarbeitende, die zum Beispiel die Ausbildung zum Luftfahrzeugtechniker abgeschlossen haben, können als Field-Service-Ingenieur ins Ausland reisen und dort Monate oder Jahre für unsere Kunden tätig sein. Ein ehemaliger Lernender als Anlage- und Apparatebauer ist heute unser jüngster Werkspilot. Er hat nach seiner Erstausbildung eine Pilotenlaufbahn angestrebt und ist nun wieder zu Pilatus zurückgekommen. Das sind besonders für junge Menschen einzigartige Entwicklungschancen. Für ETH- und FH-Absolventen (Maschinen- und Elektroingenieure) haben wir ein Trainee-Programm etabliert, das diese auf einen Job als Aviatik-Ingenieur vorbereitet.

Um unsere Flugzeuge zu entwickeln, zu bauen, zu verkaufen und zu warten, sind wir auf hochqualifizierte Berufspraktiker mit einzigartigen technischen und handwerklichen Fähigkeiten angewiesen. Wir brauchen aber auch Mitarbeitende mit akademischen Fähigkeiten. Die optimale Verbindung von Theorie und Praxis ist eine wichtige Zutat für unser Erfolgsrezept: die ‹richtigen› Leute mit den ‹richtigen› Fähigkeiten auf den ‹richtigen› Positionen einzusetzen.

Die anfangs erwähnte Verbundenheit ist übrigens beidseitig stark ausgeprägt – wir betreiben bei Pilatus kein ‹Hire and Fire›. In vergangenen, weniger guten Zeiten mit Kurzarbeit haben wir Mitarbeitende ausgebildet, haben also investiert anstatt zu entlassen. Das wird uns hoch angerechnet – und rechnet sich nicht zuletzt auch in Zeiten des Erfolges für das gesamte Unternehmen.»

Pilatus Flugzeugwerke AG:

Die 1939 gegründete Pilatus Flugzeugwerke AG ist die einzige Schweizer Firma, welche Flugzeuge entwickelt, baut und auf allen Kontinenten verkauft: vom legendären Pilatus Porter PC-6 über das meistverkaufte einmotorige Turbopropflugzeug PC-12 bis hin zum PC-21 Trainingssystem. Aktuell entwickelt Pilatus den PC-24 – den weltweit ersten Businessjet, der auf kurzen Naturpisten operieren kann. Die Unternehmensgruppe erwirtschaftete 2013 mit weltweit 1752 Mitarbeitenden einen Umsatz von CHF 1,014 Mia.

 

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