Bindung Talentmanagement

Wie sich Mitarbeitende heute binden lassen

Zeitgemässe Mitarbeiterbindung beginnt schon vor der Vertragsunterschrift. Heute entscheidet nicht mehr nur der Arbeitgeber über eine Anstellung von hochqualifizierten Mitarbeitenden. Diese entscheiden sehr wohl mit. Wieso die Analyse von Wirkungszusammenhängen die Suche nach einem Patentrezept obsolet macht.

Arbeitnehmende werden oft nur als Kostenfaktor und weniger als Investition in die Zukunft gesehen. Und Kosten möchte man natürlich senken. An den Gedanken, dass Mitarbeitende beim Strategieprozess eines Unternehmens berücksichtigt werden sollten, müssen sich viele Firmen erst wieder gewöhnen (Przybilla, 2008). Ein generell gültiges Rezept wie Mitarbeitende an eine Unternehmung gebunden werden können, gibt es nicht - Wirkungszusammenhänge jedoch durchaus.

Employer Branding und Talentmanagement

Es braucht eine gute interne Markenarbeit. Das Top-Management sollte zusammen mit den Mitarbeitenden überlegen, welche Markenwerte nach innen und aussen gelebt werden. Eine markenorientierte und identitätsstiftende Unternehmenskultur führt zu einer höheren Mitarbeiterbindung (Trost, 2011). Dieses Employer Branding präsentiert das Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt als attraktiven Arbeitgeber.

Gut ausgebildete Talente werden diese Werbeversprechen jedoch auf ihre Gültigkeit prüfen und nicht eingehaltene Versprechen werden sich dementsprechend auswirken. Die Kandidaten sollten ihre Entscheidungen auf reellen Fakten basierend treffen können (Ritz & Thom, 2011). Deshalb sollte das Personalmarketing für Transparenz sorgen und auch die Schattenseiten und positiven wie negativen Besonderheiten der Unternehmung darstellen. Denn je grösser die Lücke zwischen den durch Employer Branding angepriesenen Arbeitgebermerkmalen und den tatsächlichen Begebenheiten, desto höher ist das Fluktuationsrisiko (Ritz & Thom, 2011). Die Erwartungen werden also den realen Erlebnissen gegenübergestellt. Mitarbeiterbindung sollte deshalb nicht erst beginnen, wenn das Risiko von Fachkräftemangel 
besteht, sondern bereits im Vorfeld eines Vertrags
verhältnisses.

Vor dem Beginn irgendwelcher Employer-Branding- oder Talentmanagement-Massnahmen sollten zudem grundlegende Überlegungen zum Sinn dieser Aktionen für die eigene Unternehmung gemacht werden. Nach Classen und Timm (2011) sollten dazu Fragen gestellt werden zum finanziellen Mehrwert unter Berücksichtigung der anfallenden Kosten. Die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen sollten geklärt sein und man sollte die Übereinstimmung der geplanten Massnahmen mit den Organisationswerten analysieren.

Emotionale und situative Faktoren der Mitarbeiterbindung

Entscheidend für die Zufriedenheit mit einer Arbeitsstelle sind emotionale und situative Faktoren. Also das gebotene Umfeld und die damit verbundenen Gefühle. Selbst wenn Mitarbeitende zufrieden sind mit ihrem Arbeitgeber, besteht die Möglichkeit eines Arbeitsplatzwechsels. Dafür ist selten ein einziger Faktor verantwortlich, eine Reihe von Studien hat ebendiese Faktoren untersucht (vgl. Nagel 2005).

Aus der Studie von Ritz und Thom (2011) geht hervor, dass materielle und finanzielle Anreize nicht die oberste Priorität in der Mitarbeiterbindung haben. Es müssen jedoch echte Herausforderungen in der Arbeitstätigkeit und Möglichkeiten in der Kompetenz- und Laufbahnentwicklung geboten werden. Durch Jobangebote von anderen Unternehmungen fühlen sich Mitarbeitende oft geschmeichelt. Das könnte sie veranlassen, die Stelle zu wechseln. Deshalb ist es wichtig, dass gerade hochqualifizierte Mitarbeitende die Möglichkeit haben, ihre Aufgaben kontinuierlich auszubauen und so Bestätigung zu erhalten. Beförderungsprozesse sollten transparent sein, denn die Investition in die Ausbildung von hochqualifizierten Mitarbeitenden birgt auch Risiken – sie werden immer attraktiver für andere Arbeitgeber.

Die Motivation ist eng mit der Aufgabengestaltung verbunden. Auch hier gilt es, das richtige Mass zu finden, und zwar in Bezug auf die Herausforderung. Es sollte weder zu Unter- noch zu Überforderung kommen. Wird die Motivationslage der Mitarbeitenden erkannt, können frühzeitig Massnahmen ergriffen werden, um Fluktuation zu verhindern (Stührenberg, 2004).

Wichtig sind auch die Marktposition und die Zukunftschancen einer Unternehmung. Sie bieten Arbeitsstellensicherheit, was von vielen Mitarbeitenden geschätzt wird. Aus diesem Grund sind auch Übernahmegerüchte und Rekrutierungsspekulationen oft damit verbunden, dass sich Mitarbeitende nach neuen Möglichkeiten umsehen (Nagel, 2005).

Oft hängt die Entscheidung, eine Arbeitsstelle zu verlassen, auch von Randfaktoren ab, die gar nicht so sehr von der Unternehmung beeinflusst werden können. So zum Beispiel private Faktoren, wie der Wohnort der Familie. Es wird also klar: Nicht nur «unattraktive» Unternehmen müssen sich Sorgen machen, talentierte Mitarbeitende halten zu können. Zudem werden sich die Branchen künftig auf der Beliebtheitsskala verschieben. Die Frage ist also nicht, ob es genügend talentierte Arbeitskräfte gibt, sondern wie gut Ihr Unternehmen sie erkennt und entwickelt (Burke & Glennon, 2014).

Nicht alle Generationen über einen Kamm scheren

Kommen wir zur vieldiskutierten Frage der Generationsunterschiede. Dazu wurde schon viel gesagt und geforscht, die Ergebnisse sind jedoch uneinheitlich und oftmals widersprüchlich (vgl. Mitchell, 2001). Würden Sie ein Leben lang beim selben Arbeitgeber arbeiten? – Diese Frage stellte auch die Talentstudie von Burke und Glennon (2014). Die Antworten zeigen ein klares Bild: 65 Prozent der Babyboomer Generation antworteten mit Ja, bei der Generation X waren es noch rund 40 Prozent und gerade mal 20 Prozent bei der Millennium-Generation (Generation Y). Tatsache ist, dass Unternehmen alle Generationen brauchen und sich Wissen darüber aneignen müssen, wie Belohnung und Anerkennung aussehen müssen, damit sich die Arbeitnehmenden der jeweiligen Generation angesprochen fühlen.

Die Daten der SHL-Talentstudie zeigen zum Thema Motivation folgendes Bild: Für die Generation Y sind Fortschritt und persönliches Wachstum die grössten Motivationsfaktoren. Sie können gebunden werden, wenn ihnen Unabhängigkeit und Entscheidungsspielraum geboten wird. Sie möchten vom Unternehmen bei der Karriereentwicklung unterstützt werden, sind lernbegierig und wetteifern um Chancen. Dies stellt eine grosse Herausforderung dar, da jedes Unternehmen nur eine bestimmte Anzahl Führungspositionen bieten kann.

Karriereentwicklung für die Generation Y muss von den Talentmanagern also neu definiert werden. Die Ypsiloner arbeiten gern, wenn der Job Sinn macht. Arbeit ist jedoch nicht der Lebensmittelpunkt, so verlangen sie oft nach kleineren Arbeitspensen, die mehr Raum für Hobbys oder Weiterbildung lassen (Gurtner, 2014). Um diese gutausgebildeten Mitarbeitenden zu halten, sind Unternehmen gezwungen, Strukturen zu verändern und beispielsweise Home Office und Teilzeitarbeit zu ermöglichen (Gurtner, 2014).

Führungskräfte müssen neue Kompetenzen entwickeln

Durch wettbewerbsbasierte Belohnung und Anerkennung, Aufstieg und persönliches Wachstum lassen sich die Babyboomer nicht mehr motivieren. Sie sind bereits auf dem Höhepunkt ihrer Karriere und haben ihre Fähigkeiten und ihr Wissen bereits entwickelt. Sie suchen die Gelegenheit, Verantwortung zu übernehmen, Autorität auszuüben und andere zu beeinflussen. So legen sie auch Wert auf eine Umgebung, die ihre Ideale, ethische Standards und Qualität fördert.

Die Brücke zwischen den beiden Generationen bildet die Generation X. Sie bewegen sich auf der Bandbreite der genannten motivierenden Faktoren in der Mitte der beiden Generationen. Manchmal näher bei den Babyboomern, so übernehmen sie beispielsweise auch gerne Verantwortung und üben Autorität aus. Manchmal näher bei der Generation Y, so haben Unabhängigkeit und Entscheidungsspielraum einen fast genauso hohen Stellenwert. Die Unterschiede zu verstehen und Diversität richtig einzusetzen, ist eine entscheidende Kompetenz, die Führungskräfte dieser Generation und auch Unternehmungen allgemein besitzen müssen, um potenzielle Konflikte zu vermeiden und das Engagement der Mitarbeitenden zu fördern.

Sinn der Loyalität aus 
Arbeitnehmersicht

Macht es aus Sicht der Angestellten überhaupt Sinn, loyal zu sein gegenüber dem Unternehmen, und unter welchen Bedingungen? Loyalität macht den Angestellten vertrauenswürdiger für die Unternehmung und deshalb wertvoller für diese. Auch die Motivation vergrössert sich, so können loyale Mitarbeitende mehr leisten, was sich wiederum positiv auf die Gesamtleistung der Unternehmung auswirkt. Die Unternehmenskultur wird insofern gestärkt, als eine wahre Gemeinschaft unter den Angestellten entstehen kann.

Die Studie von Elegido (2013) zeigte ebenfalls, dass Loyalität positive Auswirkungen auf das Privatleben haben kann. Authentische Beziehungen können einfacher hergestellt werden und die Identitätsbildung wird unterstützt. Natürlich birgt Loyalität gegenüber der Unternehmung auch Risiken, es macht die Arbeitnehmerschaft verwundbarer. Die wahre Herausforderung besteht also darin, Unternehmen zu finden, die Loyalität verdienen.

Literatur

  • Burke, E., & Glennon, R. (2014). Die SHL 
Talent-Studie. Big-Data-Einblicke und Analysen zum globalen Arbeitskräfteangebot. 
retrieved from: www. shl. com/ assets/ de/ SHL_ Talent_ Report_ GER_ FINAL. pdf.
  • Classen, M., & Timm, E. (2011): Talent 
Management - die Kunst liegt in der Umsetzung. In: A. Ritz, N. Thom (Hrsg.). Talent 
Management: Talente identifizieren, Kompetenzen entwickeln, Leistungsträger erhalten. S. 97-110. Wiesbaden: Springer Fachmedien GmbH.
  • Elegido, J. M. (2013). Does It Make Sense to Be a Loyal Employee? Journal of business ethics, 116(3), 495-511.
  • Gurtner, A. (August, 2014). Die Generation Y im Arbeitsmarkt. Interview im 20 Minuten 
Friday Magazin (35).
  • Mitchell, S. (2001). Generation X: Americans aged 18 to 64. Ithaca, New York: New Strategist Publications.
  • Nagel, A. (April, 2005): Was Mitarbeiter 
bindet. Personal, (4).
  • Przybilla, A. (2008). Personalrisikomanagement: Mitarbeiterbindung und die Relevanz für Unternehmen Wismarer Diskussionspapiere, (7).
  • Ritz, A., & Thom, N. (Hrsg.) (2011). Talent 
Management: Talente identifizieren, Kompetenzen entwickeln, Leistungsträger erhalten. Wiesbaden: Springer Fachmedien GmbH
  • Stührenberg, L. (2004): Ökonomische Bedeutung des Personalbindungsmanagement für
Unternehmen. In: Bröckermann, R. & Pepels, W. (Hrsg.): Personalbindung, Wettbewerbsvorteile durch strategisches Human Resource Management. S. 33-50. Berlin: Erich Schmidt Verlag GmbH & Co KG.
  • Trost, A. (Februar, 2001). Interview: Gemeinsam zum Kern vordringen. Aquisa 5 (2).
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Prof. Dr. Christoph Negri ist Arbeits- und Organisationspsychologe und Leiter des Instituts für Angewandte Psychologie IAP.

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