Was dafür spricht, ältere Arbeitnehmende im Unternehmen zu fördern
In einem Kontext von Fachkräftemangel und dem schrittweisen Ruhestand der BabyBoomer denken Unternehmen darüber nach, Personen über 65 Jahre einzustellen. Vier Fachleute teilen ihre Ansichten.

Ältere Mitarbeitende bringen einen grossen Erfahrungsschatz mit und kommen vielfältig im Unternehmen zum Einsatz. (Bild: iStock)
«Ältere Mitarbeitende sind stolz darauf, ihr Wissen an jüngere Menschen weiterzugeben und ihnen so eine effiziente interne Ausbildung zu bieten.»
– Dominique Ben Dhaou und Ellen Kocher, Gründerinnen von Wake Up, Shake Up, Thrive!
«Pensionierte bringen einen unschätzbaren Wert für das Unternehmen und die Gesellschaft, indem sie Fachwissen, Vielfalt und Nachhaltigkeit stärken.
- Expertise und Erfahrung: Pensionierte verfügen über jahrzehntelange Erfahrung und wertvolle Fähigkeiten, um komplexe Probleme zu lösen und kostspielige Fehler zu vermeiden, die sie über die Jahre vor Ort erworben haben.
- Mentoring: Ältere Mitarbeitende sind stolz darauf, ihr Wissen an jüngere Menschen weiterzugeben und ihnen so eine effiziente interne Ausbildung zu bieten, die den Zusammenhalt zwischen den Generationen stärkt.
- Loyalität und Stabilität: Mit einer abgeschlossenen Karriere sind Pensionierte nicht aggressiv auf der Suche nach beruflichem Aufstieg, was die Rekrutierungs- und Schulungskosten senkt.
- Intergenerationelle Vielfalt: Die Einstellung von älteren Mitarbeitenden fördert eine Altersvielfalt, die den Entscheidungsprozess bereichert, indem sie verschiedene Perspektiven integriert.
- Anpassung an demografische Realitäten: Angesichts der alternden Bevölkerung ist die Integration von älteren Mitarbeitenden unerlässlich, um dem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften entgegenzuwirken.
- Motivation und Produktivität: Pensionierte wollen aktiv zum Unternehmen beitragen und geschätzt werden. Sie bleiben motiviert und zeigen eine hohe Arbeitsmoral.
- Reduzierung sozialer Kosten: Länger zu arbeiten, trägt zur Reduzierung der Rentenkosten bei und unterstützt gleichzeitig eine wettbewerbsfähige wirtschaftliche und soziale Aktivität.
- Anpassungsfähigkeit: Viele ältere Personen sind bereit, sich weiterzubilden und sich neuen Technologien anzupassen, was ihre Flexibilität unterstreicht.»
«Mitarbeitende über 65 Jahre bringen eine Fülle an Erfahrung und unvergleichliche Fähigkeiten mit, die sie im Laufe ihrer langen Karriere erworben haben.»
– Frédérique Béguin, Direktorin der Plattform Activis
«Die Beschäftigung von Pensionierten in Unternehmen bietet mehrere strategische Vorteile. Erstens bringen Mitarbeitende über 65 Jahre eine Fülle an Erfahrung und unvergleichliche Fähigkeiten mit, die sie im Laufe ihrer langen Karriere erworben haben. Diese Eigenschaften sind besonders wertvoll in Branchen, in denen Fachwissen entscheidend ist, um komplexe Probleme zu lösen oder jüngere Teams zu führen.
Zweitens sind Pensionierte oft sehr verfügbar und flexibel und bevorzugen in der Regel Teilzeitverträge, was es den Unternehmen ermöglicht, sie entsprechend ihren Bedürfnissen zu integrieren. Sie verfügen auch über zwischenmenschliche Fähigkeiten wie Kommunikation, Zeitmanagement und Konfliktlösung, die die Unternehmenskultur bereichern und den Teamzusammenhalt stärken.
Zudem stellt die Integration von älteren Mitarbeitenden in einem Kontext des Arbeitskräftemangels in der Schweiz eine konkrete Antwort auf dieses zunehmend drängende Problem dar. Ihre Beiträge helfen, vakante Stellen zu besetzen, und gewährleisten gleichzeitig die Weitergabe von wesentlichem Wissen an die jüngeren Generationen.
Schliesslich trägt die Beschäftigung von Pensionierten zur sozialen Verantwortung der Unternehmen bei, indem sie einer oft unterschätzten Bevölkerungsgruppe Chancen bietet und gleichzeitig eine vielfältige Perspektive sowie ein innovationsförderndes Umfeld schafft.»
«71 Prozent der KMU geben an, dass sie in Zukunft stärker auf Pensionierte angewiesen sein werden, und 62 Prozent sind sich einig, dass sie derzeit nicht genügend tun, um Pensionierte zu halten oder anzuziehen.»
– Costantino Serafini, Leiter des Programms AvantAge in der Westschweiz
«Eine kürzlich durchgeführte Umfrage von AvantAge («MIS Trend», Frühjahr 2024) unter Unternehmen in der gesamten Westschweiz ergab, dass diese, insbesondere die KMU, überhaupt nicht darauf vorbereitet sind, mit den bevorstehenden massiven Pensionierungen der Babyboomer umzugehen. Auf dem Arbeitsmarkt glauben 52 Prozent der Unternehmen, dass es derzeit nicht einfach oder nicht wirklich einfach ist, Personal zu rekrutieren, und dieser Prozentsatz wird in den nächsten 5 Jahren auf 64 Prozent steigen.
Sind Pensionierte eine Lösung? 71 Prozent der KMU geben an, dass sie in Zukunft stärker auf Pensionierte angewiesen sein werden, und 62 Prozent sind sich einig, dass sie derzeit nicht genug tun, um Pensionierte zu halten oder anzuziehen. So stimmen 79 Prozent der KMU zu, dass sie Mitarbeitende über 65 behalten wollen, und 27 Prozent tun dies bereits. Zu den Hauptgründen – und im Gegensatz zu weit verbreiteten Annahmen – zählt die Tatsache, dass eine grosse Mehrheit der Meinung ist, dass Pensionierte nicht weniger kreativ, flexibel oder produktiv sind als ihre jüngeren Kolleginnen und Kollegen. Auf die Frage nach der Bereitschaft, über 65-Jährige einzustellen, antwortet jedoch etwa die Hälfte mit «Nein». Die Gründe? Vor allem mangelnde Kenntnisse in neuen Technologien und Bedenken hinsichtlich des Gesundheitszustands.
Was sind mögliche Lösungen? Wahrscheinlich ein Wechsel der Herangehensweise und der Sichtweise, insbesondere in Bezug auf die Beschäftigungsfähigkeit, die während der gesamten beruflichen Laufbahn – auch in dieser Altersgruppe – im Mittelpunkt stehen sollte. Das können Fortbildungen zur Auffrischung und Aktualisierung der Kenntnisse sein: Derzeit sind Fortbildungen wenig oder gar nicht auf das Alter der Teilnehmenden abgestimmt und erfolgen nach Gutdünken der beteiligten Parteien, sei es das Unternehmen oder der oder die Angestellte. Die Arbeitgebenden glauben, dass die Investition in die Weiterbildung von Pensionierten nicht rentabel genug ist, und die Pensionierten haben oft Mühe, sich dafür zu motivieren. Die Struktur der Weiterbildungen sollte deshalb überarbeitet werden. Ein Beispiel: Ein Seminar zum Erwerb neuer Technologien, das von 8.00 bis 17.00 Uhr dauert, mit einer einstündigen ‹Lunch-Pause› und einem abschliessenden Test zur Überprüfung der Kompetenzen, ist für Pensionierte nicht geeignet.
Auch der aktuelle Ansatz des ‹Gesundheitsmanagements› sollte eher in Richtung ‹Gesundheitsförderung› gehen, mit Arbeitsbedingungen, die den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden, insbesondere in Abhängigkeit vom Alter der Mitarbeitenden. Ein Teil der über 65-Jährigen ist heute bereit, weiterzuarbeiten oder eine Beschäftigung wieder aufzunehmen, sei es aus wirtschaftlichen Gründen (‹um das Einkommen aufzubessern›) oder auch aus dem Wunsch heraus, ‹sich noch aktiv zu fühlen›, sofern die Bedingungen stimmen. Die KMU benötigen Ressourcen, um den Herausforderungen der Personalrekrutierung zu begegnen. Die Voraussetzungen, dass Angebot und Nachfrage zusammenkommen, sind durchaus gegeben.»