Debatte: Homeoffice

Welche HR-Begleitung benötigen Full-Remote-Mitarbeitende?

Wie können Mitarbeitende betreut werden, die zu 100 Prozent im Homeoffice arbeiten? Zwei Expertinnen und ein Experte geben Ratschläge.

Juliette Jaccard, SAJEC«Angesichts der strengen Vorschriften für grenz­überschreitende Telearbeit sollten Arbeitgebende sich vorab informieren, bevor sie dies genehmigen.»

– Juliette Jaccard, (mit Master in Europarecht und internationalem Wirtschaftsrecht) vom Service d’Assistance Juridique et Conseils (SAJEC) der FER Genf

 

«Angesichts der strengen Vorschriften für grenzüberschreitende Telearbeit, insbesondere in Bezug auf Sozialversicherung und Steuern, sollten Arbeitgebende, die den Arbeitnehmenden die Möglichkeit geben möchten, ‹fully remote› aus dem Ausland zu arbeiten, sich vorab informieren, bevor sie dies genehmigen.

Arbeitgebende nach Schweizer Recht müssen unter anderem Folgendes beachten, wenn Angestellte ausschliesslich (und nicht teilweise) von zu Hause aus arbeiten:

  1. Ort eines möglichen Arbeitsgerichtsverfahrens: Das Gesetz erlaubt es den Arbeitnehmenden, Arbeitgebende vor dem Gericht des Orts zu verklagen, an dem sie gewöhnlich ihre berufliche Tätigkeit ausüben (Art. 34 Abs. 1 Zivilprozessordnung). Wenn also Arbeitnehmende, die von einem Unternehmen mit Sitz in Genf eingestellt wurden, in St. Gallen wohnen und ihre Arbeit ausschliesslich von ihrem Wohnort aus verrichten, können sie das Unternehmen im Kanton St. Gallen verklagen. Dieses muss dann nach St. Gallen reisen, um an arbeitsgerichtlichen Anhörungen teilzunehmen – und sich in deutscher Sprache verteidigen.
     
  2. Die mögliche Beteiligung der Arbeitgebenden an der Miete der Arbeitnehmenden: Wenn das Unternehmen Arbeitnehmenden auferlegt, nur von zu Hause aus zu arbeiten, ohne einen dauerhaften und angemessenen Arbeitsplatz im Unternehmen zur Verfügung zu stellen, muss es laut Bundesgericht einen Teil der Miete übernehmen, auch wenn kein zusätzlicher Raum für die Telearbeit gemietet wurde (Urteil Bundesgericht 4A_533/2018 vom 23. April 2019). Dies ist hingegen nicht der Fall, wenn die Telearbeit nicht vorgeschrieben, sondern auf Wunsch der Arbeitnehmenden ausgeführt wird.»

Weitere Informationen zu den Vorschriften für Grenzgängerinnen und Grenzgänger


Driza Diana, Avenir Group«Wir konnten eine ähnliche Atmosphäre wie im Büro schaffen, wo man sich bei einer Tasse Kaffee aus­tauschen und besser kennenlernen kann.»

– Diana Driza, Leiterin Outsourcing Certificates bei «Avenir Group»

 

««Ein Team zu führen, ist nie einfach. Dies gilt umso mehr, wenn es darum geht, es ausschliesslich im Telearbeitsverhältnis zu leiten. Es muss gelingen, die Balance zwischen Vertrauen und Kontrolle, zwischen Austausch und konzentrierter Arbeit zu halten.

Aufgrund meiner Erfahrung mit der Leitung eines ‹Fully remote›-Teams in den letzten drei Jahren kann ich sagen, dass alles mit der Anstellung beginnt. Man muss nämlich Mitarbeitende finden, die Lust auf eine Stelle haben, die keine Anwesenheit im Büro erfordert, und trotzdem Freude an der Arbeit im Team haben. Wenn dies der Fall ist, ist es wichtig, den Rahmen der Arbeit, das heisst die Verantwortlichkeiten und Pflichten jeder und jedes Einzelnen, festzulegen und sofort Feedback zu geben, wenn diese Aufgaben angepasst werden müssen.

Wir arbeiten in unserem Arbeitsalltag eng zusammen und sind quasi gezwungen, uns regelmässig per Chat, E-Mail oder Telefon auszutauschen. Durch den virtuellen Austausch mit Kamera ist es möglich, die Mimik und sogar einen Teil der Körpersprache der anderen Person zu sehen, was zu einem besseren Verständnis beiträgt. In regelmässigen Treffen sprechen wir über allgemeinere Themen. Hier mische ich Teamsitzungen mit bilateralen Gesprächen, um dem Team die Möglichkeit zu geben, Dinge gemeinsam zu besprechen, aber auch um allen die Gelegenheit zu bieten, ihre Wünsche und Bedürfnisse in einem intimeren Rahmen zu äussern. Indem wir klar kommunizierten, dass es auch erlaubt ist, über Themen zu sprechen, die nicht direkt mit der Arbeit zu tun haben, konnten wir eine ähnliche Atmosphäre wie im Büro schaffen, wo man sich bei einer Tasse Kaffee austauschen und so besser kennenlernen kann.»

Zur Website der «Avenir Group»


Christian Atkinson, Robert Walters«Die Arbeit aus der Ferne kann sich negativ auf die Unternehmenskultur und das Engagement der Mitarbeitenden auswirken.»

– Christian Atkinson, Director Schweiz bei der Personalvermittlungsfirma «Robert Walters»

 

«Vollzeit-Fernarbeit kann den Unternehmen in der Tat Geld sparen, da sie keine Arbeitsplätze bereitstellen müssen.

Ausserdem bietet sie Eltern die Flexibilität, zu Hause zu sein, wenn ihre Kinder von der Schule nach Hause kommen, wodurch die Notwendigkeit einer teuren Kinderbetreuung nach der Schule reduziert wird. Dies eröffnet einen grösseren Talentpool und ermöglicht Müttern die Rückkehr in den Vollzeit-Arbeitsmarkt. Darüber hinaus erfordern viele Stellen, wie zum Beispiel technische Stellen, keine regelmässige Interaktion mit dem Team und eignen sich hervorragend für die Arbeit aus der Ferne. Die Arbeit aus der Ferne reduziert auch die Reisekosten und ermöglicht es Unternehmen, weniger Bürofläche zu belegen.

Allerdings kann sich die Arbeit aus der Ferne negativ auf die Unternehmenskultur und das Engagement der Mitarbeitenden auswirken. Es fehlt an echten Verbindungen zur Arbeitgeberin und den Kolleginnen und Kollegen, was die Teamdynamik beeinträchtigen kann. Spontane Interaktionen und informelle Gespräche im Büro tragen zum Austausch von Ideen und zur Weitergabe von Informationen bei, was auf MS Teams oder anderen digitalen Plattformen schwerer nachzubilden ist. Die Auswirkungen dieses Phänomens sollten nicht unterschätzt werden. Im Büro ist es wahrscheinlicher, dass sich Mitarbeitende ansprechen, während die Schwelle am Telefon oder über MS Teams höher liegt. Dies kann zu Missverständnissen in der Kommunikation führen und die Effizienz mindern.

Es ist unerlässlich, die Kolleginnen und Kollegen zu sehen und im Team zu arbeiten, um Kommunikationsprobleme zu vermeiden und schneller zu handeln. Besonders für junge Menschen und Start-ups wirkt das nicht motivierend. Ohne physische Präsenz laufen Unternehmen in Gefahr, ihre Mitarbeitenden zu verlieren. Die Personalabteilung muss deshalb dafür sorgen, dass die menschliche Verbindung aufrechterhalten wird, sonst geht das wertvolle soziale Gefüge des Unternehmens verloren.»

Zur Website von «Robert Walters»

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