Was dürfen Angestellte in ihrer Freizeit tun?
Eine Sekretärin im Bundeshaus hat Nacktfotos von sich am Arbeitsplatz aufgenommen und diese auf Twitter veröffentlicht. Was dürfen Angestellte in ihrer Freizeit tun, und was ist nicht erlaubt? Der folgende Artikel geht diesen Fragen nach.
Eine Angestellte im Bundeshaus hat Nacktbilder von sich am Arbeitsplatz veröffentlicht. Darf sie das? (Bild: iStockphoto)
Ausgangslage
Immer wieder veröffentlichen Arbeitnehmer ihre Äusserungen und Handlungen in sozialen Netzwerken, wo sie von Arbeitgebern wahrgenommen werden. Aktuelles Aufsehen erregendes Beispiel hierfür ist eine Angestellte des Bundes, welche mehrfach Nacktfotos von sich im Internet veröffentlicht hat. In Deutschland wurde der Fall einer Angestellten eines deutschen Behindertenheims publik, welche in ihrer Freizeit Pornos drehte.
Wiederholt haben solche und ähnliche Konstellationen zu Sanktionen am Arbeitsplatz, Freistellungen oder Entlassungen geführt. Dabei stellt sich die Frage, ob solches Verhalten arbeitsrechtliche Konsequenzen haben darf und was den Arbeitgeber das Tun seiner Angestellten in der Freizeit angeht.
Nachfolgend soll die rechtliche Situation im Rahmen privatrechtlicher Arbeitsverhältnisse beleuchtet werden.
Treuepflicht des Arbeitnehmers
Gemäss Art. 321a Abs. 1 OR hat der Arbeitnehmer die ihm übertragene Arbeit sorgfältig auszuführen und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers in guten Treuen zu wahren.
Im Vordergrund der Treuepflicht steht die Pflicht des Arbeitnehmers, alles zu unterlassen, was den Arbeitgeber wirtschaftlich schädigen könnte. Generell zu unterlassen hat er ungebührliches und pflicht- oder rechtswidriges Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber, Arbeitskollegen, Vorgesetzten, Kunden und Lieferanten. Namentlich darf er dem Arbeitgeber nicht Mitarbeiter oder Kunden abwerben und ihn konkurrenzieren. Zudem hat er Mitteilungen an Dritte zu unterlassen, die das Ansehen des Arbeitgebers schädigen können (sogenannte Rufschädigungen), selbst wenn entsprechende Äusserungen wahr sind. Die Treuepflicht ist also in erster Linie eine Unterlassungspflicht.
Die Treuepflicht des Arbeitnehmers ist jedoch nicht schrankenlos. Grenze der Treuepflicht sind die berechtigten eigenen Interessen des Arbeitnehmers an der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit. Es geht also um eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers und denjenigen des Arbeitnehmers.
Das Ausmass der spezifischen Treuepflicht ist auch abhängig von der Funktion und Stellung des Arbeitnehmers. Je höher seine Stellung im Betrieb ist, desto grösser sind die Anforderungen an seine Treuepflicht. Erhöht ist zum Beispiel die Treuepflicht für leitende Angestellte.
Der Arbeitnehmer hat sich unter dem Titel Treuepflicht auch für die Unternehmensziele seines Arbeitgebers einzusetzen. Er darf weder bei der Arbeitszeit noch ausserdienstlich den Unternehmenszielen entgegenwirken. Das gilt vor allem für so genannte Tendenzbetriebe, die sich besonderen geistig-ideellen Zielen verschrieben haben wie politisch, gewerkschaftlich, karitativ, wissenschaftlich oder weltanschaulich ausgerichtete Unternehmen oder Institutionen. Besonders Arbeitnehmer von Tendenzbetrieben müssen sich auch in ihrer Freizeit «vorbildlich» verhalten.
Treuepflicht während der Freizeit des Arbeitnehmers
Die Treuepflicht gilt nicht nur während der Arbeitszeit, sondern, wenn auch eingeschränkt, in der Freizeit des Arbeitnehmers. Er hat auch ausserhalb der Arbeitszeit grundsätzlich alles zu unterlassen, was das Vertrauen des Arbeitgebers in seine Eignung für die ihm zugewiesene Arbeit erschüttert (Fahren in angetrunkenem Zustand bei einem Berufschauffeur, unsittliches Verhalten bei einem Lehrer, Vermögensdelikte eines Kassiers, Rufschädigungen). Im Speziellen darf der Arbeitnehmer zum Beispiel auch keine konkurrenzierende Nebentätigkeit aufnehmen oder eine solche, die seine Leistungsfähigkeit während der Arbeitszeit beeinträchtigt. Wie bereits oben erwähnt müssen sich insbesondere Arbeitnehmer von so genannten Tendenzbetrieben auch in ihrer Freizeit «vorbildlich» verhalten. Aus dem Gesagten wird auch klar, dass keine allgemeingültige messerscharfe Trennlinie zwischen erlaubten und unerlaubten Freizeittätigkeiten gezogen werden kann und es eine Abwägung im Einzelfall braucht, zumal auch die Verkehrssitten und unter Umständen allgemeine Moralvorstellungen zu berücksichtigen sind.
In Bezug auf die eingangs beschriebenen Aktivitäten lässt sich die Frage, ob diese per se eine Verletzung der Treuepflicht darstellen, nicht in jedem Fall mit einem klaren «Ja» oder «Nein» beantworten. Solche Nebenbeschäftigungen mit sexuellem Bezug mögen zwar anstössig erscheinen, sind aber nicht illegal. Diese Nebenbeschäftigungen können indessen in einzelnen Fällen zu einer Rufschädigung des Arbeitgebers führen und würden dann als Verletzung der Treuepflicht zu qualifizieren sein. Dies könnte insbesondere bei sehr bekannten Persönlichkeiten oder bei einem Mediensprecher der Fall sein, da dort eine klare Verbindung zum Arbeitgeber besteht. Wo hingegen die betreffenden Angestellten eine Arbeit ausführen, bei der kein besonderer Konnex zum Arbeitgeber besteht (zum Beispiel eine unter vielen Sekretärinnen), könnte diesfalls eine Treuepflichtverletzung nur unter besonderen Voraussetzungen angenommen werden (insbesondere bei Anstellung in einem Tendenzbetrieb).
Konsequenzen der Treuepflichtverletzung
Die Rechtsfolgen bei Verletzung der Treuepflicht können mannigfach sein. Zu denken ist etwa an:
- Schadenersatzpflicht des Arbeitnehmers (vgl. Art. 321e OR);
- Verfall einer vereinbarten Konventionalstrafe;
- fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber gemäss Art. 337 ff. OR (in besonders schwerwiegenden Fällen);
- Kündigung des Arbeitsverhältnisses (Art. 335 OR);
- Bussen (Ordnungsstrafen) gemäss Art. 38 ArG;
- Kürzung oder Verlust der Gratifikation (Art. 322d OR);
- Klage des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer auf Unterlassung der schadenstiftenden Handlung oder auf Beseitigung des vertragswidrigen bzw. widerrechtlichen Zustandes, mit der Möglichkeit einer entsprechenden vorsorglichen richterlichen Verfügung;
- Klagen des Persönlichkeitsschutzes (Art. 28 ff. OR) bei Verstoss gegen die Persönlichkeit des Arbeitgebers.
Eine einseitige Kürzung oder Herabsetzung des Lohnes wegen Verletzung der Treuepflicht ist hingegen nicht statthaft, sofern solches nicht durch Vereinbarung, Normal- oder Gesamtarbeitsvertrag festgesetzt ist. In allen Fällen muss die Sanktion aber verhältnismässig sein und in einem vertretbaren Verhältnis zur Schwere der Treuepflicht stehen.