«Liquid Work»

Wenn Cloud-Nomade auf Cloud-Ameise trifft

Unter dem Label «Liquid Work» entstehen im Zuge der Digitalisierung neue Arbeits- und Zusammenarbeitsmodelle. Arbeit und Nichtarbeit gehen fliessend ineinander über, Arbeit wird zunehmend virtuell. Das hat auch Auswirkungen auf Teamstrukturen und Arbeitsplatzgestaltung.

Im 2016 publizierten Bericht des World Economic Forums (WEF) «The Future of Jobs» (1) werden zwei Haupttreiber für die derzeitige Veränderung unserer Arbeitswelt genannt: Es sind dies demographisch-sozioökonomische und technologische Einflussfaktoren. Bis 2020 werden der Studie zufolge durch Veränderungen in den Arbeitsbedingungen und -verhältnissen sowie durch Cloud-Computing, künstliche Intelligenz und Co. 7 Millionen Jobs verloren gehen. Zwei Drittel davon sollen auf Routineaufgaben in Büros und Administration entfallen. Demgegenüber wird die Entstehung von 2 Millionen Jobs prognostiziert, die allerdings völlig neue Skills von ihren Funktionsträgern erfordern: Die Mitarbeitenden 2.0 werden technikaffiner und in der Lage sein müssen, interdisziplinärer zu denken und vernetzter in dynamischen sowie teils virtuellen Projektteams zu arbeiten. Die junge Generation, die mit den digitalen Technologien und Diensten aufwächst, bringt ihre eigenen Erwartungen in die neue Arbeitswelt: Flexibilität, Selbstmanagement, Teamarbeit, Work-Life-Balance. Sie versteht Arbeit und Leben bereits als einen ineinander verwobenen Prozess.

Die Zukunft der Arbeit

Es fällt zunehmend schwer, die Mitarbeitenden noch als Arbeitskraft zu bezeichnen. Denn die Arbeit der Zukunft hat nicht mehr viel mit «Kraft» zu tun. Im Unterschied zu früheren Disruptionen wie Dampfantrieb oder Elektrizität werden durch die digitale Transformation nicht mehr die Muskeln, sondern das Gehirn gestärkt und unsere intellektuellen Fähigkeiten bereichert. Mitarbeitende sehen sich als eigenständige «Kompetenzanbieter», die – mobil und vernetzt – jederzeit und von überall aus arbeiten können. Wie zeitgemäss sind somit 9-to-5-Ansätze oder Anwesenheitspflicht noch? Unter dem Label «Liquid Work» (2) entstehen neue Arbeits- und Zusammenarbeitsmodelle, die dem individuellen Arbeitsrhythmus folgen und die Grenzen zwischen Arbeit und Nichtarbeit verschwimmen lassen. Die Personalabteilungen und Vorgesetzten sind gefordert, da orts- und zeitunabhängige Arbeitsmodelle in Konflikt mit unternehmensinternen Regelungen oder gar mit gesetzlichen Vorgaben stehen können. Es geht um Fragen wie Wissenstransfer, die Sichtbarmachung der Leistung Einzelner und auch um den Schutz der Mitarbeitenden vor Selbstausbeutung durch ihr «Always-on».
Die Ablösung der Arbeit von bestimmten Orten führt unter anderem dazu, dass weniger individuelle stationäre Arbeitsplätze benötigt werden. Neben dem Home Office entstehen Desksharing-Modelle oder Coworking-Zentren.
Unternehmen müssen in der Lage sein, Mitarbeitende auch unter diesen dynamischen Bedingungen zu managen. Sie müssen einen Rahmen schaffen, in dem Mitarbeitende leistungsfähig und -bereit sein können. Eine neue, «hybride» Unternehmenskultur, die innovativ-kreative sowie stabilisierend-effizienzgetriebene Aspekte gleichermassen in sich vereint sowie neue Personalmanagement-Werkzeuge sind dafür essentiell. Dazu gehört als Basis auch eine technische Infrastruktur, sozusagen das «Büro to go», welches Mobilität, Arbeiten in verschiedenen Situationen sowie virtuelle Zusammenarbeit ermöglicht.

Der Personaldynamik Herr werden

In dem Masse, wie über Büro- und Unternehmensgrenzen hinweg zusammengearbeitet wird, entsteht eine neue Personaldynamik. In virtuellen Teams treffen Menschen, oftmals in zeitlich begrenzten Projekten, aufeinander, die sich nicht kennen und sich möglicherweise auch nie persönlich begegnen werden. Sie erbringen ihre Arbeitsleistung in der Cloud. Prof. Dr. Christian Scholz von der Universität Saarbrücken hat diese neuen «Cloud Worker» in Abhängigkeit von ihrem Qualifikationsniveau und ihrer Einbettung in Teamstrukturen in vier Typen eingeteilt:

  1. «Cloud-Nomaden» sind flexibel einsetzbare «Alleskönner» für einfache Programmier- oder Recherchearbeiten.
  2. «Cloud-Unternehmer» haben hingegen ganz spezifische Kernkompetenzen und leistet oftmals projektgetriebene Entwicklungsarbeit.
  3. Die «Cloud-Ameise» ist im Unterschied zu den beiden ersten genannten kein Einzelkämpfer, sondern erbringt als Teil eines grösseren Ganzen ihren emsigen Beitrag.
  4. Der «Cloud-Kader» ist derjenige, der kraft seiner Rolle im Team und seiner Qualifikation die virtuelle Zusammenarbeit steuert. So unterschiedlich wie die Typen und ihre Rollen muss auch ihre personalwirtschaftliche Behandlung sein.

Während Cloud-Nomaden eine rasche Selektion und effiziente Projektabwicklung schätzen, steht für Cloud-Unternehmer Motivation und Retention im Vordergrund. Cloud-Ameisen müssen geführt und dem Cloud-Kader muss virtuell führen gelehrt werden.

Prof. Scholz weist auch auf Fragen der Arbeitsorganisation sowie auf Konsequenzen für die Kommunikation und Kollaboration hin. Technischerseits können die Herausforderungen gelöst werden, indem auch der Arbeitsplatz in die Cloud verlegt wird. «Dynamic Workplaces» sind quasi ein Arbeitsplatz «as a Service», bei dem dem Mitarbeitenden nur noch die Endgeräte bereitgestellt werden, die Daten und Applikationen jedoch virtuell und zentral im Rechenzentrum gemanaged werden.

Ergänzt um Unified Communication & Collaboration (UCC) Tools kann die junge Generation genau den Zusammenarbeitsstil pflegen, den sie aus ihrer Social-Network-Prägung bereits kennt.

Unternehmen, die im «War for Talents» künftig die Nase vorn haben wollen, sollten sich intensiv mit modernen Arbeitsplatzkonzepten und deren für junge Professionals attraktive Ausstattung mit Devices und Tools befassen. Denn: Gemäss einer Erhebung des Karriereportals XING (3) halten 90 Prozent der jungen Arbeitnehmer aktuelle Hard- und Software bei ihrem Arbeitgeber für eine betriebliche Selbstverständlichkeit.

Quellen

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Hans-Jürg Schürch ist Director Human Resources von T-Systems in der Schweiz. T-Systems konzipiert, implementiert und betreibt Cloud-Arbeitsplätze für namhafte Firmen in der Schweiz. Mit seinen Technologien und Services hilft das Unternehmen seinen Kunden, sich in das neue everything-everytime-everywhere-Zeitalter zu transformieren. www.t-systems.ch

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