HR Today Nr. 4/2020: Debatte

Wer ist für die Arbeitsmarktfähigkeit zuständig?

Arbeitnehmende sollen lebenslang lernen. Diese Forderung ist zwar nicht neu, aber aktueller als je zuvor. Doch wer verantwortet die Arbeitsmarktfähigkeit der Angestellten? Diese Frage zu beantworten, wird angesichts sich rasch ändernder Berufsprofile dringlicher. Ein HR-Beratungs­unternehmen, ein Start-up und eine Anwaltskanzlei schildern ihre Sicht der Arbeitsmarktlage.

Alexandra Gastpar: «Die Arbeitsmarkt­fähigkeit wird ein immer wichtigerer Erfolgsfaktor im Arbeitsmarkt der Zukunft.»

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Die Arbeitsmarktfähigkeit, auch Employability genannt, wird ein immer wichtigerer Erfolgsfaktor im Arbeitsmarkt der Zukunft. Es ist die Fähigkeit, den Anforderungen der Arbeitswelt gerecht zu werden und im Beruf wettbewerbsfähig zu bleiben. Für Arbeitnehmende bedeutet dies, Kompetenzen und Fähigkeiten stetig auszubauen. Demgegenüber stehen Arbeitgeber, die ihren Unternehmenserfolg und ihre Wettbewerbsfähigkeit im Markt sicherstellen müssen und dies nur mit hochqualifiziertem Personal erreichen können. Für die Arbeitsmarktfähigkeit der Arbeitnehmenden sind aus unserer Sicht zwei Faktoren relevant: zum einen das Bildungsniveau einer Person und zum anderen Persönlichkeitsmerkmale wie Offenheit für Neues oder Neugierde. Noch mehr als die Arbeitnehmenden sollten Arbeitgeber ein Interesse daran haben, die Bedürfnisse des Marktes sowie des eigenen Unternehmens zu kennen und Mitarbeitende dementsprechend zu fördern. Zudem müssen die Anforderungen laufend überdacht und klar definiert werden. In vielen Unternehmen besteht eine Art Kooperation zwischen Arbeitnehmenden und -gebenden zur Arbeitsmarktfähigkeit. Dabei sehen Firmen es als ihre Aufgabe, Arbeitnehmenden Weiterbildungen, Orientierung und Entwicklungs­möglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Arbeitnehmende wiederum haben die Verantwortung, diese Angebote auch anzunehmen und sich proaktiv für Weiterbildungsmöglichkeiten einzusetzen. Im Zentrum dieser Symbiose steht das HR, das die entscheidende Rolle zwischen den beiden Parteien einnimmt und Verantwortung für die Marktfähigkeit des Unternehmens durch die Befähigung von qualifizierten Mitarbeitenden hat.

Alexandra Gastpar, HR-Strategies, HR-Campus AG

Marc Prinz: «Fähige Mitarbeitende ermöglichen eine Effizienz- und Produktivitäts­steigerung.»

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Viele öffentlich-rechtliche Personalgesetze und -verordnungen erklären die Erhöhung der Arbeitsmarktfähigkeit als explizites Ziel oder sogar als Arbeitgeberpflicht (z. B. Art. 4 Abs. 2 lit. a der Bundespersonalverordnung). Eine vergleichbare Bestimmung für den privatwirtschaftlichen Sektor besteht dagegen nicht. Gleichwohl ist auch in der Privatwirtschaft die Frage der Zuständigkeit relevant, da eine stetige Erhöhung der Arbeitsmarktfähigkeit der Arbeitnehmenden für einen funktionierenden und konkurrenzfähigen Schweizer Arbeitsmarkt unerlässlich ist. So sind Effizienz- und Produktivitätssteigerungen nur mit qualifiziertem Personal möglich. Die technologischen und demografischen Herausforderungen meistern zudem nur jene Firmen, die ihre Belegschaft auf dem aktuellsten Ausbildungsstand halten und als attraktive Arbeitgeber wahrgenommen werden. Auch Arbeitnehmende haben ein vitales Interesse an ihrerArbeitsmarktfähigkeit, um sich gegenüber Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt durchzusetzen. Für deren Sicherstellung bieten sich Weiter­bildungen an. Die Absolvierung (arbeitsplatzspezifischer) Weiterbildungen kann der Arbeitgeber vom Arbeitnehmende innerhalb der Schranken seines Weisungsrechts (Art. 321d OR) sogar verlangen. Ein explizites, gesetzliches Recht auf Weiterbildung des Arbeitnehmenden besteht hingegen nicht. Ein solcher Anspruch kann sich jedoch aus einem GAV (z. B. Art. 19 L-GAV Gastgewerbe) oder einer vertraglichen Vereinbarung ergeben. Immerhin kann die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers dahingehend interpretiert werden, dass entsprechende Aktivitäten der Arbeitnehmenden zu fördern sind.

Marc Prinz, Partner, Head of Labour and Employment, Vischer AG

Marco Meister: «Unternehmen müssen Mitarbeitenden ein gutes Umfeld bereitstellen, damit diese bleiben.»

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Junge Arbeitnehmende sind kompromisslos. Fühlen sie sich nicht wohl, wechseln sie den Job. Das stellt Firmen vor neue Herausforderungen, denn bereits im nächsten Jahr werden die Millennials (Jahrgänge 1980 bis 1994) und die Generation Z (1995 bis 2010) die Mehrheit auf dem Schweizer Arbeitsmarkt ausmachen. Klar ist: Die junge Generation sucht viel mehr als nur einen Job. Was also können Unternehmen tun, um gute Mitarbeitende nicht gleich wieder zu verlieren?
Erfolgreiche Unternehmen fördern, entwickeln und coachen Mitarbeitende und bieten ihnen ein inspirierendes Arbeitsumfeld, im dem sich diese stetig entwickeln und verbessern können. Die Unternehmen müssen Mitarbeitenden also ein gutes Umfeld bereitstellen, damit sie bleiben.Für die Arbeitsmarktfähigkeit sind die Mitarbeitenden letztlich selbst verantwortlich. Unsere Erfahrung zeigt aber, dass lebenslanges Lernen für junge Beschäftigte selbstverständlich ist. Sie möchten basierend auf ihren Karrierezielen jedoch selbst entscheiden, was und wie sie lernen. Um arbeitsmarktfähig zu bleiben, nutzen sie nicht nur die Angebote des Unternehmens, sondern lernen Sprachen, knüpfen Netzwerke, informieren sich über die Medien zu ihrem Fachgebiet und absolvieren externe Weiterbildungen.Ein attraktives Arbeitsumfeld führt dazu, dass junge Job-Hopper zu loyalen Beschäftigten werden, die Höchstleistungen erbringen. Die Attraktivität und die Wettbewerbsfähigkeit wird damit gleich doppelt erhöht: Die der Mitarbeitenden und die der Unternehmen.

 

Marco Meister, Co-Founder und CEO atwork (ehemals Volunty Corporate AG)

 

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