Im Gespräch

Wer vertraut, ist ehrlicher

Fehlverhalten am Arbeitsplatz kann Unternehmen teuer zu 
stehen kommen. Ergebnisse des Schweizer HR-Barometers 2012 zeigen, dass eine Vertrauenskultur das Risiko von Fehlverhalten reduziert. Mit Hilfe eines erfüllten psychologischen Vertrages, 
partizipativer Entscheidungsfindung und guter Führung kann 
das Vertrauen in den Arbeitgeber gestärkt werden.

Die jährlichen Kosten von arbeitnehmerseitigem Fehlverhalten in den USA werden insgesamt auf bis zu 250 Milliarden US-Dollar geschätzt (Holtfreter, 2005). Auch für Schweizer Unternehmen stellt Fehlverhalten am Arbeitsplatz ein finanzielles Risiko dar. So führten beispielsweise Hochrisiko-Investitionen eines Investmentbankers einer Schweizer Grossbank zu einem Verlust von über zwei Milliarden Schweizer Franken. Es ist daher für Unternehmen essenziell, die Ursachen und Bedingungen für fehlgeleitetes Verhalten zu kennen, um solchem mit Hilfe eines adäquaten Human Resource Managements entgegenzuwirken.

Die aktuelle Studie zum HR-Barometer zeigt unter anderem, dass Vertrauen in den Arbeitgeber Fehlverhalten am Arbeitsplatz deutlich reduziert. Basierend auf der repräsentativen Befragung von 1483 Beschäftigten in der deutsch-, französisch- und italienischsprachigen Schweiz wurde zudem untersucht, wie mit Hilfe von HR-Massnahmen das Vertrauen gestärkt werden kann.

Fehlverhalten in der Schweiz

Fehlverhalten am Arbeitsplatz ist freiwilliges Verhalten, welches gegen die organisationalen Normen verstösst und somit den Unternehmenserfolg, das Wohlbefinden von Beschäftigten oder beides bedrohen kann (Robinson & Bennett, 1995). Im Schweizer HR-Barometer wird das arbeitnehmerseitige Fehlverhalten anhand von zwei Dimensionen in vier Kategorien unterteilt (siehe Abbildung). Während die erste Dimension bestimmt, gegen wen sich das Fehlverhalten richtet (gegen das Unternehmen oder gegen Individuen innerhalb des Unternehmens), bestimmt die zweite Dimension das Ausmass des Fehlverhaltens (geringfügig oder schwerwiegend).

Der HR-Barometer 2012 untersuchte ausschliesslich gegen das Unternehmen gerichtetes Fehlverhalten. Die Resultate zeigen, dass schwerwiegendere Vergehen wie zum Beispiel Quittungen fälschen, um mehr Geld zurückzuerhalten, von knapp zwei Prozent, illegaler Drogen- oder Alkoholkonsum von knapp sieben Prozent der Beschäftigten in der Schweiz gemeldet werden. Etwas häufiger wird dahingegen zugegeben, ab und zu Firmeneigentum zu entwenden (13 Prozent) oder vertrauliche Firmeninformationen mit unautorisierten Personen zu diskutieren (23 Prozent).

Im Vergleich zu diesen schwerwiegenderen Fehlverhaltensweisen gab fast die Hälfte der Beschäftigten in der Schweiz zu, sich innerhalb des letzten Jahres schon einmal leicht fehlverhalten zu haben. Vor allem das Tagträumen und Fantasieren, absichtlich längere Pausen machen oder sich wenig bei der Arbeit anstrengen sind häufig berichtete Fehlverhaltensweisen. Zudem zeigen die Resultate, dass vor allem Beschäftigte, die Probleme im Unternehmen weniger gut ansprechen können und geringeres Vertrauen in den Arbeitgeber haben, sich deutlich häufiger fehlverhalten. Eine vertrauensfördernde Arbeitsumgebung scheint somit ausschlaggebend für eine ehrliche Zusammenarbeit. Doch wie können Arbeitgeber das Vertrauen stärken?

Der Schweizer Human-Relations-Barometer 2012

Der Schweizer Human-Relations-Barometer 2012 (HR-Barometer) «Fehlverhalten und Courage» ist die siebte Ausgabe einer repräsentativen Arbeitnehmerbefragung in der Schweiz. Der HR-Barometer untersucht 
die Schweizer Arbeitswelt hinsichtlich Arbeitsbedingungen, -beziehungen sowie Arbeitseinstellungen und -verhalten der Beschäftigten in der deutsch-, französisch- und italienischsprachigen Schweiz. Die HR-Barometer-Studie wird von Gudela Grote, Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie der ETH Zürich, und von Bruno Staffelbach, Inhaber des Lehrstuhls Human Resource Management an der Universität Zürich, herausgegeben und seit 2012 durch den Schweizerischen Nationalfonds finanziert.

Wie Vertrauen gestärkt werden kann

Gemäss den Ergebnissen des HR-Barometers 2012 ist es besonders wichtig, dass der psychologische Vertrag erfüllt ist, die Beschäftigten in Entscheidungsprozesse einbezogen werden und die Führungsqualität des direkten Vorgesetzten positiv bewertet wird. Bei Restrukturierungen und Personalabbau ist Vorsicht geboten, da solche organisationalen Veränderungen das Vertrauen in den Arbeitgeber schwächen können.

Ein Arbeitsverhältnis beginnt meist mit einem juristischen Arbeitsvertrag. Darüber hinaus existieren aufgrund von Überzeugungen und Versprechungen zusätzliche Annahmen und Erwartungen bezüglich der Austauschbeziehung. Solche ergänzenden, impliziten Erwartungen spiegeln sich im psychologischen Vertrag wider (Rousseau, 1995). Sie beinhalten beispielsweise Erwartungen bezüglich der Entlöhnung, Arbeitsplatzsicherheit, Loyalität oder der Entwicklungsmöglichkeiten. Vergleichbar mit den Ergebnissen des HR-Barometers 2011 zeigt sich auch in der diesjährigen Erhebung, dass das Vertrauen in den Arbeitgeber deutlich höher ist, wenn die Erwartungen erfüllt werden, und deutlich tiefer, wenn die Erwartungen unzureichend oder gar nicht erfüllt werden – das heisst, der psychologische Vertrag gebrochen ist. Um eine Vertrauenskultur aufzubauen, sollten nur Versprechungen gemacht werden, die tatsächlich eingehalten werden können. Ist das zum Beispiel aus ökonomischen Gründen nicht möglich, sollten Beschäftigte umgehend darüber informiert und falls möglich alternativ entschädigt werden. So signalisiert der Arbeitgeber Wohlwollen gegenüber den Beschäftigten, was ein zentraler Bestandteil von Vertrauen ist.

Unternehmen, die Beschäftigte bei Entscheidungen einbeziehen, können ebenfalls mit mehr Vertrauen von der anderen Seite rechnen. Die Möglichkeit, mitzugestalten, ist ein Zeichen der Wertschätzung, was wiederum das Vertrauen stärkt.

Zudem kann die wahrgenommene Führungsqualität des direkten Vorgesetzten das Vertrauen in den Arbeitgeber erhöhen. Verstehen Vorgesetzte die beruflichen Bedürfnisse und Probleme ihrer Mitarbeitenden und nutzen sie ihren Einfluss, um ihnen bei Arbeitsproblemen zu helfen, empfinden diese die Austauschbeziehung mit dem direkten Vorgesetzten als hochwertiger. Soll das Vertrauen in den Arbeitgeber gestärkt werden, lohnt es sich also, in die Führungsentwicklung zu investieren. 

Vertrauensreduzierend wirken organisationale Veränderungen wie Restrukturierungen oder Personalabbau. Um dabei das Vertrauen der Beschäftigten nicht zu verlieren, sollten Arbeitgeber zeitnah und offen kommunizieren, nachvollziehbare Erklärungen für die organisationalen Veränderungen liefern und für Fragen zur Verfügung stehen. Zudem sollten die Veränderungen fair und auf allen Ebenen mitgetragen werden. Für das arbeitnehmerseitige Vertrauen ist es sicherlich nicht förderlich, wenn das Top-Management weiterhin hohe Bonuszahlungen erhält, während die Beschäftigten Lohnreduktionen hinnehmen müssen oder gar entlassen werden.

Quellen:

  • Grote, G. & Staffelbach, B. (2011). Schweizer HR-
Barometer 2011. Unsicherheit und Vertrauen. Zürich: 
NZZ Libro Verlag.
  • Holtfreter, K. (2005). Is occupational fraud «typical» white-collar crime? A comparison of individual and organizational characteristics. Journal of Crime Justice, 33, 232–265.
  • Robinson, S. L. & Bennett, R. J. (1995). A typology of deviant workplace behaviors: A multidimensional scaling study. Academy of Management Journal, 38, 555–572.
  • Rousseau, D. (1995). Psychological Contracts in Organizations: Understanding Written and Unwritten Agreements. Thousand Oaks, CA: Sage.
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Dr. Alexandra Arnold ist Oberassistentin und Dozentin am Center für Human Resource Management (CEHRM) an der Universität Luzern.

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Dr. Anja Feierabend 
ist Dozentin am Center für Human Resources Management (CEHRM) der Universität Luzern und Mitgründerin des Start-ups «HR ConScience».

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