Bildung und Karriere

Wie wichtig ist BWL-Wissen in der Praxis des HR-Management?

Im HRM gehe «ohne betriebswirtschaftlichen Hintergrund nichts», erklärt Prof. Jürg Marx. HR Today wollte von drei HR-Fachleuten wissen, ob sie diese Ansicht teilen und worauf sie bei der Rekrutierung von HR-Kollegen besonders Wert legen.

Marlène Honegger

ist Leiterin der Direktion Personelles beim Migros-Genossenschafts-Bund. Sie hat ein Psychologiestudium an der Universität Zürich abgeschlossen, den Schweizerischen Kurs für Personalmanagement (SKP) und den Schweizerischen Kurs für Unternehmensführung (SKU) sowie den Leadership-Lehrgang an der Universität St. Gallen absolviert. Zurzeit macht sie ein Nachdiplomstudium an der Universität Zürich in Gesprächsführung und Beratung.

«Ich stimme dem Zitat durchaus zu, dass ein betriebswirtschaftlicher Hintergrund im HR unabdingbar ist. Und das aus mehreren Gründen: Wer als HR-Führungskraft in einer Geschäftsleitung mitgestalten will, muss bei strategisch-ganzheitlichen  Themen ein fundiertes BWL-Wissen mitbringen. Zudem muss der HR-
Verantwortliche die Anliegen und Herausforderungen der Linie kennen und verstehen, wenn er diese kompetent beraten und unterstützen möchte. Betriebswirtschaftliches Know-how ist dabei enorm hilfreich. Im HR selber gibt es ebenfalls einen ‹personalwirtschaftlichen Teil›, beispielsweise bei Pensionskassen- und Lohnberechnungen sowie bei der Aufbereitung von Personalkennzahlen für das Management. Betriebswirtschaftliche Kenntnisse sind zudem wichtig für die eigene Befindlichkeit, denn man stellt andere – ganzheitlichere – Fragen in der Beratung und Unterstützung der Linienvorgesetzten. Nicht zuletzt hilft BWL auch für die eigene Karriere, denn wer im HR hierarchisch aufsteigen oder auch mal in die Linie wechseln möchte, braucht  betriebswirtschaftliches Wissen. Wir HR-Verantwortlichen sind tendenziell eher prozessorientierte Leute. Das betriebswirtschaftliche Know-how hilft, auch umsetzungsorientiert zu denken und zu handeln. Je mehr wir als HR-Verantwortliche mit hierarchisch höhergestellten Vorgesetzten zu tun haben, desto eher brauchen wir dieses betriebswirtschaftliche Wissen.

Wenn ich selbst eine Personalchefin rekrutiere, die Menschen führt, sind Diplome und gute 
Arbeitszeugnisse Voraussetzung. Allerdings ist ebenso wichtig, was jemand on the job gelernt hat und ob die Person auch Linienerfahrung mit einem betriebswirtschaftlichem Leistungsnachweis mitbringt. Die Ansprüche ans HRM haben sich zudem stark gewandelt in den letzten zehn Jahren. Früher war das betriebswirtschaftliche Wissen weniger gefragt. Heute ist das HRM aus der rein administrativen Ecke herausgetreten. Die Komplexität unserer HR-Aufgabe verlangt ein differenzierteres Anforderungsprofil von uns HR-Profis – betriebswirtschaftliches Know-how ist heute deshalb ein Must.»

Karsten Bugmann

ist Leiter Personalmanagement Schweiz bei Georg Fischer Piping Systems. Er war ursprünglich Primar- und Reallehrer. Später hat er berufsbegleitend Jura studiert und sich zum Executive Master of Human Resources Management und Business Coach weitergebildet. Im letzten Jahr hat er bei Trigon (A-Graz) die Ausbildung zum zertifizierten Coach abgeschlossen.

«Man könnte genauso sagen, ohne Kenntnisse in Psychologie oder Recht geht im HRM nichts. Im HRM braucht es primär generalistisches Wissen. Wer sich in seiner Ausbildung die eine Seite, beispielsweise Psychologie, angeeignet hat, muss sich auf den anderen Zweigen weiterbilden. Als Grundbildung ist BWL zweifellos eine taugliche Basis – aber nicht die einzige. Je stärker eine Firma marktwirtschaftlich tätig ist, desto eher braucht es BWL. Mir scheint aber nicht, dass auf das BWL-Studium für HR-Mitarbeitende in den letzten zehn Jahren vermehrt Wert gelegt geworden ist. Hingegen wird es immer mehr zum Standard, im HRM eine höhere HR-Ausbildung zu verlangen, selbst auf einer unteren 
Führungsstufe.

Wenn ich Leute für das HRM rekrutiere, achte ich auf einen soliden beruflichen Hintergrund und eine breite Erfahrung in verschiedenen Unternehmen. Die Kenntnis verschiedener Kulturen und unterschiedlicher Organisationslevel im HRM ist ab einer gewissen Führungs- oder Spezialistenstufe zwingend. Einen breiten Hintergrund und die menschliche Komponente werte ich stets höher als Diplome. Auch sind mir Sozial-, Selbst-, Methoden- und gegebenenfalls Führungskompetenz wichtiger als Fachkompetenz, denn Letztere müssen die Leute haben, die wir betreuen. Im Bereich BWL bin ich bei Georg 
Fischer der Verantwortliche für ein Inhouse-Training, das die notwendigen Kenntnisse vermittelt und die praktische Anwendung im Betrieb fördert. Dadurch schaffen wir eine gemeinsame Sprache und Handlungsweise für Ingenieure und Fachspezialisten über alle Hierarchiestufen hinweg. Dieses Training besuchen auch meine Personalleiter. Genauso fördere ich ihre Weiterentwicklung als Executive Master of HRM. Ich selber habe sowohl im Jura-Studium als auch im NDS die wichtigsten BWL-Themen kennengelernt und mit praktischen Erfahrungen aus dem Betrieb angereichert. Zudem schätze ich die Auseinandersetzung über betriebswirtschaftliche Themen an unseren Managementmeetings und bringe HR-Aspekte ein.»

Richard Meyer

arbeitet als Head Human Resources bei der V-ZUG AG. Er ist dipl. Bauingenieur und Wirtschaftsingenieur FH. Er hat in der Fachrichtung Unternehmensführung abgeschlossen und seine Diplomarbeit im Bereich HR-Management geschrieben. Zudem hat Meyer die Weiterbildung zum dipl. Personalfachmann NSH BKS absolviert. Zurzeit absolviert er an der ZHAW / IAP Zürich eine Masterausbildung «Supervision und Coaching in Organisationen».
«Als Bauingenieur mit Führungs- und Projektleitungserfahrung und Ausbildung zum Personalfachmann ist mir der Einstieg ins HRM zuerst nicht gelungen. Man wollte Diplome sehen, und da ich damals mit bereits 35 Jahren noch kein BWL-Wissen ausweisen konnte, war mir der Weg in eine leitende HR-Funktion verschlossen. Und eine Assistenzfunktion, die mir erlaubt hätte, das fehlende Wissen on the job anzueignen, wollte man mir als Mann nicht geben. Hier spielten wohl Klischeedenken und Vorurteile eine Rolle. Mit dem Diplom in der Tasche standen mir die Türen dann offen.

Betriebswirtschaftliche Kenntnisse sind durchaus ein Eintrittsticket für eine HR-Führungsfunktion, und zwar aus mehreren Gründen: HR-Fachkräfte in hierarchisch höheren Funktionen müssen das Business und die Bedürfnisse der Linie verstehen, wissen, wie sich die Gebiete strategisch verändern und welche Auswirkungen dies auf die Personalarbeit hat. Nur so können sie auch langfristig die richtigen Kunden, sprich Mitarbeitenden rekrutieren. Betriebswirtschaftliches Wissen ist zwar durchaus von Vorteil, wird aber meiner Ansicht nach auch überbewertet. Gerade Quereinsteiger haben oft interessante Lebensläufe und bringen Know-how und Erfahrungen mit, die sich nicht in Diplomen widerspiegeln. Ich schaue mir deshalb die Quereinsteiger genau an. Allerdings habe ich auch Vorbehalte, etwa wenn jemand mit einem Psychologiestudium kommt. Denn allein ein gutes Gespür für den Menschen macht noch keinen guten HR-Manager aus.»

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