Wie Zusammenarbeit misslingt – oder erfolgreich ist
Christian Gotthilf Salzmann (1744-1811) war ein deutscher Pfarrer und Pädagoge. Er schrieb unter anderem zwei Bücher über Erziehung: Das «Krebsbüchlein oder Anweisung zu einer unvernünftigen Erziehung der Kinder» (1780) und das «Ameisenbüchlein oder Anweisung zu einer vernünftigen Erziehung der Erzieher» (1806). Das erste kam besser an, weil es mehr Spass machte zu lesen, wie man etwas falsch machen kann, das zweite war insgesamt hilfreicher. Dies funktioniert auch heute noch. Lesen Sie hier eine Zusammenstellung von «Anweisungen», was Sie tun müssen, dass Zusammenarbeit garantiert misslingt, resp. erfolgreich ist.
Collaboration matters! – Die 10-teilige Adventsserie von Daniel Stoller-Schai und HR Today. (Bild: 123rf)
Wie Zusammenarbeit garantiert misslingt:
Halten Sie dafür zwingend folgende Anweisungen ein:
- Bauen Sie möglichst viele Silos und Hierarchiestufen auf und verhindern Sie, dass bereichs- und stufenübergreifend kommuniziert wird. Transversale oder kollegiale Führung in Projektteams ist untersagt, es gilt nur der Dienstweg.
- Wenn Sie neue Kollaborationstools einführen (MS Office 365 mit Teams, Atlassian-Produkte, WebConferencing-Lösungen), dann achten Sie darauf, dass möglichst viele Tools parallel zueinander verfügbar sind, die alle ähnlichen Funktionen aufweisen. Vermeiden Sie auf jeden Fall eine Einführungs- und Begleitstrategie. Die technische Implementierung der neuen Tools reicht völlig.
- Sorgen Sie dafür, dass Vorgesetzte und Teamleiter*innen weiterarbeiten wie gewohnt und ihre Verhaltensweisen auf keinen Fall ändern. Vorbildverhalten könnte zu Erfolg führen und das wollen Sie ja vermeiden.
- Auch wenn sich Ihre Mitarbeitenden mit den neuen Tools schwertun, dürfen Sie keine Fehler tolerieren und müssen solche gar sanktionieren. Am besten ist eine Angst- und Misstrauenskultur. In der heutigen Zeit sind alle digital versiert, da braucht es kein Herumexperimentieren oder gar Wissenstransfer. Wer nicht weiss, wie es geht, ist auf Dauer am falschen Platz.
Mit diesen einfachen Prinzipien können Sie sicher sein, dass sich keine Kollaborationskultur bei Ihnen ausbreitet und alles den gewohnten Gang geht.
Wie Zusammenarbeit erfolgreich ist:
Sollten Sie indes an einer lebendigen, kreativen Kollaborationskultur interessiert sein, dann könnten Sie einfach alle oben beschriebenen Grundsätze umkehren und zusätzlich folgende Prinzipien beachten:
- Erarbeiten Sie mit den Mitarbeitenden eine «Kollaborations-Charta». Schon der Prozess dahin sollte aufzeigen, wie die Kollaborationskultur in Zukunft sein könnte. Statt Prinzipien und gute Vorsätze zu kommunizieren, organisieren Sie ein BarCamp, in dem darüber diskutiert und debattiert wird, was wichtig ist, um eine gute Zusammenarbeit zu etablieren.
- Schaffen Sie eine Umgebung, die zur Zusammenarbeit einlädt. Es braucht Begegnungszonen, ad hoc Arbeitsplätze, Bereiche für ruhiges Arbeiten und für flexible Teammeetings. Statt Grossraumbüros lieber verschiedene «Huddle Rooms» und OpenSpace-Bereiche für grosse Gruppen.
- Digitale Tools und Systeme bieten tolle neue Möglichkeiten – aber in vielen Fällen sind Mitarbeitende überfordert von der Vielfalt und der Widersprüchlichkeit der Funktionen. Wir haben erst rund 50 Jahre Erfahrung mit Computern, dagegen tausende von Jahren Erfahrung, wie wir ohne sie zusammengearbeitet haben. Diesem Umstand ist Rechnung zu tragen. Wie digitale Zusammenarbeit funktionieren soll, muss immer wieder verhandelt und reflektiert werden. Gute Ideen werden geteilt, gescheiterte Ansätze analysiert. Es kann hilfreich sein, wenn gemeinsam einfache Regeln aufgestellt werden, wie und über welche Kanäle kommuniziert und zusammengearbeitet wird. Diese können bei Bedarf revidiert und optimiert werden. Es kann Sinn machen, ein «Big Picture» zu entwerfen, das visualisiert, wie, wo und mit was kollaboriert wird.
- Schliesslich: Heutige Mitarbeitende wollen wissen, was ihr Beitrag zum Unternehmensziel ist. Die Omnipräsenz des holprigen Wortes «Purpose» oder Simon Sineks’ «Why» drückt dieses Bedürfnis aus. Wer weiss, für was er arbeitet, kann sein Potenzial, seine Kreativität und seine Energie einbringen. Und wer dafür Wertschätzung und Ermutigung bekommt, wird zur Wertschöpfung beitragen.
Es herrscht Aufbrauchstimmung in der Schweiz. Mitarbeitende vernetzen sich über Unternehmensgrenzen hinweg, wollen sich austauschen, Neues dazu lernen, sind offen für Experimente und flexible Arbeitsmodelle. Es gibt hunderte von Meetup-Gruppen, in denen Wissen und Erfahrungen ausgetauscht werden. Unternehmen müssen sich zu kollaborativen Systemen transformieren, damit sie dieses Potenzial nutzen können, um in einer vernetzten, globalen Wirtschaft nachhaltig wettbewerbsfähig zu bleiben.
Im nächsten Beitrag geht es um die Frage: Welche Kompetenzen brauchen wir in Zukunft in einer vernetzten und digitalisierten Arbeitswelt?
Weiterführende Literatur
- Aschenbrenner, Jo: For Purpose: Ein neues Betriebssystem für Unternehmen. Vahlen 2019.
- Baumann-Habersack, Frank H.: Mit neuer Autorität in Führung: Die Führungshaltung für das 21. Jahrhundert. Springer Gabler 2017.
- Fiandaca, Daniele / Earls, Mark / Bambach, Laura Jordan / Morrison, Scott: Creative Superpowers. Equip Yourself for the Age of Creativity. Random House UK 2018.
- Fink, Franziska / Moeller Michael: Purpose Driven Organizations: Sinn - Selbstorganisation - Agilität. Schäffer-Poeschel 2018.
- Groth, Stefan / Ritter, Christian: Zusammen arbeiten. Praktiken der Koordination und Kooperation in kollaborativen Prozessen. Transcript Verlag 2019.
- Sinek, Simon: Start with Why. How Great Leaders Inspire Everyone to Take. Portfolio 2009.