«Wir machen bewusst kein HR-Outsourcing»
Gabriela Keller ist bei Ergon Informatik von der HR-Chefin zur CEO aufgestiegen. Im Gespräch mit HR Today erklärt sie, weshalb sie dezidiert gegen ein HR-Outsourcing und für ein Insourcing von HR-Dienstleistungen plädiert.
Gabriela Keller, CEO der Ergon Informatik (Bild: zVg)
Gabriela Keller, Sie sind CEO der Ergon Informatik, eines mittelständischen Unternehmens mit 250 Mitarbeitenden, und sprechen sich gegen das Full-Outsourcing von HR-Aufgaben aus. Weshalb?
Gabriela Keller: Für uns als Dienstleistungsunternehmen sind Personalfragen und die Pflege unserer Unternehmenskultur strategisch wichtige Themen. Personalmanagement ist bei uns nicht einfach eine Dienstleistung, sondern ein bedeutender Teil unserer Unternehmensphilosophie. Deshalb ziehen wir im Recruiting nur in Einzelfällen einen externen Personalvermittler hinzu, wenn wir sehr spezielle Funktionen besetzen wollen, wie etwa die eines technisch versierten Verkäufers mit Branchenbeziehungen in Deutschland. Ansonsten machen wir bewusst kein HR-Outsourcing, denn um einen guten HR-Service zu bieten, müssen wir persönlich nahe bei den Mitarbeitenden sein. Das gestaltet sich eher schwierig, wenn man HR-Dienstleistungen weggibt und den persönlichen Kontakt zu den Mitarbeitenden nicht pflegen kann. Deshalb haben wir sogar unsere Reinigungscrew selbst eingestellt.
Was ist Ihnen bei der Wahl eines externen HR-Dienstleistungsanbieters wichtig?
Wir arbeiten mit mehreren Personalvermittlern zusammen, die wir je nach Stellenprofil beiziehen. Das Hauptkriterium bei der Wahl eines Outsourcing-Partners ist, dass dieser unsere Unternehmenskultur versteht und uns dadurch nur Dossiers von Kandidaten vermittelt, die wirklich zu unserer Firma passen. Das ist speziell wichtig, weil wir ja eine recht ungewöhnliche Kultur haben. Lohntransparenz und Mitbestimmung liegen nicht jedem!
«Nahe bei den Mitarbeitenden sein.» Was meinen Sie damit?
Unsere HR-Leiterin arbeitet sehr eng mit der Linie zusammen. Seit etwas über einem Jahr stellen unsere nach Branchen organisierten Abteilungen Finance, Enterprise und Telecommunication Solutions sowie Application Security einen HR-Verantwortlichen, der neben seiner angestammten Arbeit als Softwareentwickler personalrelevante Themen der Abteilung verantwortet und dem zentral organisierten HR als Ansprechperson und Austauschpartner dient. So erfahren wir im HR unmittelbar, was unsere Mitarbeitenden tatsächlich beschäftigt. An diesen regelmässig stattfindenden Treffen erhalten wir Impulse, die uns helfen, als HR angemessen auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden zu reagieren. Daraus entstehen auch Projektideen wie unsere «Brown Bag Sessions», in denen Mitarbeitende sich über Mittag zu Programmierungsthemen austauschen. Diese enge Zusammenarbeit zwischen der Linie und dem HR wirkt sich auf das Arbeitsklima und die Qualität unserer Dienstleistungen aus: Mitarbeitende, denen es bei der Arbeit gefällt, leisten mehr und liefern eine qualitativ bessere Arbeit ab. Zufriedene Mitarbeitende führen zu zufriedenen Kunden. Es versteht sich beinahe von selbst, dass man mit einem solchen Verständnis die Personalarbeit nicht outsourcen kann. Unsere Unternehmenskultur ist es auch, die neue Mitarbeitende anzieht. Trotz Fachkräftemangel hatten wir nie Mühe, geeignete Kandidaten zu finden. Das Insourcing von HR-Dienstleistungen funktioniert für uns.
Können Sie dem Outsourcing ganzer Teile der HR-Wertschöpfungskette generell einen Sinn abgewinnen?
Wahrscheinlich ist es für Grossunternehmen eher sinnvoll, die mit dem Outsourcing von HR-Dienstleistungen Skaleneffekte erzielen können, oder wenn ein spezialisiertes Outsourcing-Unternehmen eine Dienstleistung in besserer Qualität anbietet, als es einem selber möglich wäre. Man muss sich aber immer überlegen, ob die eingesparten Kosten wichtiger sind als ein zunehmend administrativ wahrgenommenes HR, das wenig Nähe zu den Mitarbeitenden hat. Wer möchte beispielsweise seine persönlichen Probleme auf Englisch über ein Webformular an eine HR-Person in Osteuropa oder in Indien übermitteln? Eine direkte Ansprechperson aus dem eigenen Sprachkreis ist ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden. Um gute Mitarbeitende und Projekte erfolgreich zu realisieren, wird es meiner Ansicht nach immer wichtiger, ihnen Wertschätzung zu vermitteln, sie ernst zu nehmen und an den Unternehmensentscheiden zu beteiligen.
Welches Fazit ziehen Sie betreffend Ihres Insourcing-Modells?
Unsere tiefe Fluktuation und die durchgehend guten Mitarbeiterbewertungen bei unabhängigen Befragungen sprechen für sich. So belegten wir beim Swiss Arbeitgeber Award den ersten und zweiten Platz, erhielten den Prix Egalité vom KV Schweiz für unsere Lohngleichheit und gelten auf Kununu zurzeit als beliebtester Arbeitgeber der Schweiz.