HR Today Nr. 1/23: Vaterschafts-, Betreuungs- und Adoptionsurlaub

Zeit für Angehörige

Mitarbeitende erhalten rechtlich mehr Zeit für die Betreuung ihrer Angehörigen – auch adoptierende Paare. Was das für Arbeitgebende bedeutet.

Seit dem 1. Januar 2021 wird jedem Vater werdenden Arbeitnehmer ein zehntägiger Vaterschaftsurlaub gewährt. Seit dem 1. Januar 2021 bzw. dem 1. Juli 2021 sieht das Obligationenrecht (OR) zudem einen bezahlten Betreuungsurlaub von bis zu drei Tagen für die notwendige Betreuung von Angehörigen respektive von bis zu 14 Wochen für die Betreuung gesundheitlich schwer beeinträchtigter Kinder vor. Ausserdem wurde am 1. Januar 2023 ein zehntägiger Adoptionsurlaub im Rahmen privatrechtlicher Arbeitsverhältnisse eingeführt.

Nach der neuen Regelung haben erwerbstätige Eltern, die ein Kind unter vier Jahren zur Adoption aufnehmen, Anspruch auf einen zweiwöchigen Adoptionsurlaub, sofern die Voraussetzungen gemäss Erwerbsersatzgesetz (EOG) für die Adoptionsentschädigung erfüllt sind. Für den Bezug des Adoptionsurlaubs existiert eine Rahmenfrist von einem Jahr. Diese läuft ab dem Tag, an dem das Kind in der Hausgemeinschaft aufgenommen wurde.

Der Anspruch auf einen Adoptionsurlaub beträgt zwei Wochen, wobei dieser nach Wahl der Adoptierenden tage- oder wochenweise bezogen werden kann. Auch bei einer gemeinschaftlichen Adoption beträgt der Adoptionsurlaub zwei und nicht vier Wochen. Zwei Wochen entsprechen somit dem Gesamtanspruch der Adoptiveltern.

Anspruch auf Adoptionsentschädigung

Damit adoptierende Arbeitnehmende einen Anspruch auf einen Adoptionsurlaub haben, müssen sie die Voraussetzungen nach Art. 16t EOG für die Adoptionsentschädigung erfüllen. Nebst der Voraussetzung, ein jüngeres als vier Jahre altes Kind aufzunehmen, entsprechen die Vorschriften im Wesentlichen jenen der Mutter- und Vaterschaftsentschädigung:

  • Personen, die einen Anspruch geltend machen, müssen zum Zeitpunkt, in dem sie das Kind aufnehmen, im Sinne von Art. 10 ATSG arbeitnehmend, im Sinne von Art. 12 ATSG selbstständig erwerbend oder im Betrieb des Ehemannes oder der Ehefrau mitarbeiten und einen Barlohn beziehen.
  • Personen, die einen Anspruch geltend machen, müssen mindestens neun Monate vor Aufnahme des Kindes bei der AHV obligatorisch versichert sein und währenddessen mindestens fünf Monate eine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben. Innerhalb der Adoptionsentschädigung wird nicht auf den Adoptionsentscheid beziehungsweise den behördlichen Akt, sondern auf die Aufnahme des unter 4-jährigen Kindes in der Hausgemeinschaft abgestellt.

Ende des Anspruchs

Der Anspruch auf die Adoptionsentschädigung endet vorzeitig, wenn das zur Adoption aufgenommene Kind oder ein Anspruchsberechtigter stirbt. Bei einer gemeinschaftlichen Adoption erlischt der Anspruch auf die Adoptionsentschädigung und den Adoptionsurlaub nicht, sofern nur einer der Adoptierenden stirbt.

Adoptierende können wählen

Ein Adoptionsurlaub kommt bei der Adoption durch eine Person wie auch bei einer gemeinschaftlichen Adoption in Frage. Mit der Ehe für alle können zudem auch gleichgeschlechtliche verheiratete Paare Kinder adoptieren.

Bei einer gemeinschaftlichen Adoption müssen beide Adoptierende die dafür notwendigen Voraussetzungen erfüllen. Tut das nur einer der Adoptierenden, entsteht kein Anspruch auf eine Adoptionsentschädigung. Die Adoptiveltern können bei einer gemeinschaftlichen Adoption dagegen wählen, wer den Adoptionsurlaub in Anspruch nimmt und ob er aufgeteilt oder untereinander aufgeteilt werden soll.

Mehrfach- und Stiefkindadoption

Bei einer gleichzeitigen Aufnahme mehrerer Kinder besteht nur ein Anspruch auf Entschädigung und somit auch auf den Adoptionsurlaub analog zur geltenden Regelung im Rahmen des Vaterschafts- und Mutterschaftsurlaubs bei Mehrlingen. Werden in gewissen Zeitabständen Kinder unter vier Jahren nacheinander adoptiert, sind der Anspruch auf einen Adoptionsurlaub und die entsprechende Entschädigung jedes Mal bei Vorliegen der Voraussetzungen gegeben.

Bei der Stiefkindadoption besteht dagegen kein Anspruch auf eine Adoptionsentschädigung und einen Adoptionsurlaub. Auch ein Vaterschaftsurlaub ist in solchen Fällen nicht vorgesehen.

Entschädigung via EO

Der Anspruch auf den Adoptionsurlaub ist an die Adoptionsentschädigung gekoppelt. Somit hat jede Person, die einen Adoptionsurlaub bezieht, auch Anspruch auf eine Adoptionsentschädigung. Ein separater Lohnanspruch besteht jedoch nicht, ausser es wurde etwas Besonderes vereinbart.

Der Adoptionsurlaub wird über die Erwerbsersatzordnung (EO) entschädigt und beträgt höchstens 14 Taggelder. Wird der Urlaub wochenweise bezogen, werden pro Woche 7 Taggelder ausgerichtet. Wird der Urlaub dagegen tageweise bezogen, werden pro 5 entschädigte Tage zusätzlich 2 Taggelder ausgerichtet. Das EO-Taggeld beträgt 80 Prozent des durchschnittlichen Erwerbseinkommens, das vor Urlaubsbeginn erzielt wurde, beschränkt sich nach oben aber auf 220 Franken. Die Entschädigung wird aufgrund des letzten vor dem Tag der Aufnahme des Kindes erzielten und auf den Tag umgerechneten massgebenden Lohn berechnet. Für die Umrechnung werden Tage jedoch nicht berücksichtigt, an denen die anspruchsberechtigte Person kein oder nur ein vermindertes Einkommen erzielte. Zuständig für die Entgegennahme der Anmeldung sowie die Festsetzung und die Auszahlung der Entschädigung ist die Eidgenössische Ausgleichskasse (EAK). Die Anmeldung von Arbeitnehmenden für die Adoptionsentschädigung ist aber über den Arbeitgeber einzureichen. Die Entschädigung wird einmal nachschüssig nach Ausschöpfung der Taggelder ausbezahlt, wenn nicht alle Taggelder bezogen wurden, die einjährige Rahmenfrist abläuft oder das Kind vorher stirbt.

Kündigungsschutz

Während des laufenden Adoptionsurlaubs gibt es gemäss Gesetz keinen zeitlichen Kündigungsschutz. Ein solcher wäre im Einzel- oder in einem Gesamtarbeitsvertrag vorzusehen. Eine Kündigung während des Adoptionsurlaubs entfaltet daher Wirksamkeit. Eine Kündigung, die vom Arbeitgeber nur deshalb ausgesprochen wird, weil der Arbeitnehmende einen Adoptionsurlaub bezieht oder beziehen wollte, dürfte gemäss Art. 336 Abs. 1 lit. d OR ohnehin missbräuchlich sein. Ist die Kündigung missbräuchlich, ist sie zwar gültig, der Arbeitnehmer hat aber Anspruch auf eine Entschädigung.

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Nicolas Facincani, lic. iur., LL.M., ist Partner der Anwaltskanzlei Voillat Facincani Sutter + Partner. Er ist als Rechtsanwalt tätig und berät Unternehmen und Private vorwiegend in wirtschafts- und arbeitsrechtlichen Belangen. Er doziert zudem regelmässig zum Arbeitsrecht. www.vfs-partner.ch

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