Heft 6/2015: Porträt

Zeit für neue Wäsche

Emmanuelle Roger ist seit rund anderthalb Jahren weltweit oberste HR-Chefin bei der Triumph 
International Gruppe. Beim traditionsreichen Unterwäschehersteller hat sich die Französin 
seitdem als fähige Change-Managerin bewiesen und das Unternehmen für die Herausforderungen 
der sogenannten New Economy fit gemacht.

Das aargauische Bad Zurzach ist von der deutschen Nachbarschaft nur durch den Grenzfluss Rhein getrennt. Der Thermal-Kurort war schon in historischen Zeiten ein Verkehrsknotenpunkt der internationalen Handelswege. Sicherlich mit ein Grund, weshalb sich die Familien Spiesshofer und Braun vor bald vierzig Jahren für das idyllisch gelegene Städtchen entschieden haben, als es darum ging, für den 1886 im deutschen Baden-Württemberg gegründeten Unterwäschehersteller einen neuen Hauptsitz zu suchen.

Mittlerweile beschäftigt Triumph weltweit über 34 000 Mitarbeiter und ist in mehr als 120 Ländern vertreten. Bemerkenswert ist, dass das Unternehmen die gesamte Wertschöpfungskette bei seinen Produkten unter Kontrolle hat – von der Kreation über die Herstellung bis hin zum Vertrieb und Verkauf. Das für seine innovativen Produkte bekannte Unternehmen bewegt sich jedoch in einem wenig regulierten Marktumfeld mit tiefen Margen und starker Konkurrenz.

Gleichwohl erzielte der Unterwäschehersteller 2013 einen Umsatz von rund 1,9 Milliarden Franken. Denn für Unterwäsche gibt es weltweit Bedarf. Und so ist das Unternehmen global aufgestellt, verkauft ein Viertel der Produktion nach Japan. Aber auch nach Deutschland, China, Frankreich und Grossbritannien. Singapur und Taiwan sind weitere wichtige Absatzmärkte. Gleichzeitig beruht der Erfolg auch auf lokaler Verankerung. Länderspezifische Vorlieben fliessen in die jeweilige Modellpalette mit ein. Hergestellt wird in den wichtigsten Märkten in Produktionsstätten vor Ort.

Zur Person

Nach den Master-Abschlüssen ihrer Ökonomie
studien an der Handelshochschule in Reims und an 
der technischen Universität in Helsinki startete die Französin Emmanuelle Roger ihre Karriere 1999 
in London. Bei Syntegra, einer damaligen Tochtergesellschaft von  British Telecom, war sie für die Betreuung der Hochschulabsolventen zuständig. Nach fast neun Jahren bei BT kehrte sie in die Genfersee-Region zurück, wo sie rund drei Jahre als Beraterin für Qualintra tätig war. 2010 startete sie 
als Leiterin der Personalentwicklung ihre Karriere beim Unterwäscheproduzenten Triumph International im aargauischen Bad Zurzach. 2013 wurde sie schliesslich zum Global Head of HR ernannt. Emmanuelle Roger lebt mit ihrem Verlobten in Zürich.

Stetig ist nur der Wandel

Dennoch bewegt sich Triumph auf einem ökonomisch herausfordernden Terrain. So hält – trotz überstandener globaler Finanzkrise – rücksichtsloses Gebaren langsam wieder Einzug in die Geschäftswelt. Zusätzlich verändert das Internet die Gewohnheiten der Verbraucher nachhaltig. Doch damit nicht genug: Seit die vierte und fünfte Generation der Besitzerfamilien am Ruder sind, gibt man sich auch in Sachen Governance nicht mehr mit Halbherzigkeiten zufrieden. Das Unternehmenswachstum soll nun verantwortungsvoll und nachhaltig sein – und damit im Einklang mit Ethik und Gesetz stattfinden.

Um diesen Wandel weiter voranzutreiben, hat man 2010 Emmanuelle Roger als Leiterin der Personalentwicklung an Bord geholt. Seit Dezember 2013 zeichnet sie als Global Head of HR verantwortlich. Was sich anhört wie ein Musterbeispiel aus dem HR-Lehrbuch, ist bei Triumph Tatsache: So hat die Französin die seit bald hundert Jahren nahezu unveränderten HR-Strukturen des Wäscheproduzenten den Anforderungen der heutigen Zeit angepasst.

Die Räumlichkeiten, in denen Emmanuelle Roger uns empfängt, sind recht ungewöhnlich. Wir sind umgeben von Schaufensterpuppen und Fotos, auf denen langbeinige Schönheiten die neusten Kreationen der unternehmenseigenen Marken präsentieren. Auch Popstar Kylie Minogue erhellt mit ihrem strahlendweissen Lächeln auf dem grossformatigen Plakat den Raum. Nicht ohne Grund: Sie wurde kürzlich als glamouröse Markenbotschafterin für Sloggi verpflichtet. Unsere Interviewpartnerin zeigt weit weniger Haut. Emmanuelle Roger trägt ein klassisches marineblaues Ensemble, dazu hochhackige Schuhe und Perlenohrringe.

Künftige strategische Entscheidungen

Sie strahlt Ruhe aus. Trotz wahrscheinlich übervollem Terminkalender. Ihre Fähigkeit, Dinge klar beim Namen zu nennen, lässt vermuten, dass Roger ihren Beruf äusserst intensiv lebt: «Wir sind daran, die Struktur des gesamten Unternehmens neu auszurichten. Nicht nur HR-Funktionen stehen auf dem Prüfstand, auch Prozesse im Finanz-, IT-, Produktions- und Vertriebsbereich werden modernisiert und hier in Bad Zurzach zentralisiert.» Das sei eine ziemlich komplexe Materie, die es profund zu verstehen gelte: «Unsere Stärke war es immer, in der Nähe unserer Kunden zu sein. Diesen Anspruch wollen wir – trotz Rationalisierungsbestrebungen in diversen Unternehmensbereichen – aufrechterhalten. Das bedingt hohen Einsatz.»

So hat die Triumph-Führungsriege noch über einige durchaus sensible, strategische Fragen zu entscheiden. Man evaluiere beispielsweise, wie «sinnvoll es noch ist, alles selber zu produzieren, zu vertreiben und zu verkaufen», gibt die HR-Chefin einen Einblick in den aktuellen Diskurs. Hochkarätige Berater begleiten das Unternehmen in diesem Prozess. Das Ergebnis sei eine zweistufige Restrukturierung: «Bis 2017 konzentrieren wir uns auf unsere traditionellen Marken Triumph und Sloggi.» Doch damit sei nur der erste Schritt getan: «Zwischen 2017 und 2020 werden wir das Unternehmen rund um unsere wichtigsten Regionen Europa, Asien und Japan neu organisieren.» 

Weshalb verfolgt Triumph den Plan, sich von all dem zu verabschieden, was bisher die DNA des Unternehmenserfolges ausgemacht hat – namentlich die totale Kontrolle über die gesamte Wertschöpfungskette und die lokale Verankerung im Markt? «Die Lingerie-Kollektionen sind sehr international geworden. Die klare Profilierung der Marken und die Qualität der Dienstleistungen – das sind die Kriterien, die künftig den Unterschied ausmachen werden.» Dank Internet können Einkäufe heutzutage von überall her getätigt werden, «also sind wir gefordert, einen Multi-Channel-Ansatz zu entwickeln. Wir müssen die Art und Weise optimieren, wie wir mit unserer Kundschaft interagieren. Die Kundenzufriedenheit soll nicht mehr in Abhängigkeit zum Standort oder zum Kanal stehen», so Roger.  Um sich diesen tiefgreifenden Änderungen gewahr zu werden, müsse man nur einen Blick auf die Webseite des Unternehmens werfen, die mittlerweile auch ein Online-Shop sei.

Reorganisation der HR-Funktion

Diese Evolution, die doch eher einer Revolution gleichkommt, hat natürlich auch Auswirkungen auf die Funktionsweise der Personalabteilung. War das HR früher noch den jeweiligen Führungsbereichen angegliedert, ist es seit Ende 2013 eine eigenständige, global tätige, 235 Mitarbeiter starke HR-Einheit. «Ausserdem habe ich auch HR Business Partner ernannt. Diese HR-Manager haben Einsitz in der Direktion der jeweiligen Unternehmensbereiche. Auch gibt es nun sogenannte Kompetenzzentren für Vergütungsfragen, Ausbildung und Talentmanagement», erläutert Personalchefin Roger den HR-Umbau sichtlich stolz.

Einen weiteren Schritt in eine neue HR-Zukunft hat die Französin auch mit dem Projekt «Management Office + Policies» eingeleitet. «Denn in einer globalen rund 34 000 Menschen umfassenden Organisation müssen HR-Projekte eine hohe Visibilität aufweisen. So überprüfen wir die Saläre nun nach weltweit gültigen Standards.» Ohne vermessen zu sein, könnte man also davon ausgehen, dass ein so global tätiges Unternehmen auch ein ausgeklügeltes Personalinformationssystem (PIS) in Betrieb hat. Weit gefehlt: «Wir arbeiten immer noch mit Excel-Dateien», erklärt Emmanuelle Roger – und kann sich ein Lächeln nicht verkneifen. Das habe auch mit den relativ niedrigen Margen zu tun: «Weltweit geht nur ein Prozent unserer Kosten zulasten des HR.»

Courchevel, London, Genf

Vor ihrem Start bei Triumph International arbeitete Emmanuelle Roger übrigens selbst auf Beraterseite. Bei Qualintra in Genf, einem Unternehmen, das sich auf das kundenspezifische Engagement von Mitarbeitern spezialisiert hat. Benoît Moransais, ihr damaliger Vorgesetzter, schwärmt noch immer von seiner ehemaligen Beraterin, lobt sie für ihre intellektuelle Brillanz und ihre «Helikoptersicht». Und klagt: «Wie alle guten Berater hat sie jedoch nach drei Jahren das Unternehmen gewechselt.»

Emmanuelle Roger wuchs im französischen Departement Haute-Savoie, nicht allzu weit entfernt von der Schweizer Grenze – in Courchevel auf. Ihre Eltern betrieben im Wintersport-Mekka ein Sportgeschäft. Sie erinnert sich: «In meiner Jugend war ich viel in unserem Laden und verkaufte unsere Artikel an eine internationale Klientel, denn meine Eltern waren viel unterwegs.» Abseits der Pisten – und von den vermögenden Kunden auf den Geschmack gebracht – studierte Emmanuelle Roger Wirtschaft in Reims. Ihre Masterarbeit führte sie bis nach Finnland.

Von Finnland ging es dann nach London, für ihren ersten Job bei einer Tochtergesellschaft der British Telecom (BT), wo sie als Beraterin, spezialisiert auf Change-Management-Prozesse, tätig war. Die ersten Schritte im HR machte Emmanuelle Roger ebenfalls bei BT, wo sie schon bald die Verantwortung für die Absolventenprogramme übernahm. Nach der letzten globalen Wirtschaftskrise wurde die Tochterfirma dann von der Muttergesellschaft einverleibt. Für Emmanuelle Roger Anlass genug, Bilanz zu ziehen. Sie spürte, dass die Zeit reif war für eine neue Herausforderung, und entschied sich zur Heimkehr. 

Wie die weitere berufliche Zukunft aussieht, weiss Emmanuelle Roger noch nicht so genau: «Ich finde es schwierig, allzu weit in die Zukunft zu planen. Ich versuche, von Tag zu Tag zu leben, und fühle mich hier in der Schweiz sehr wohl, beruflich wie auch privat.» Doch in einer Sache ist sich die in Zürich wohnhafte Emmanuelle Roger ganz sicher: Sie heiratet noch in diesem Sommer. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht – und ihre strahlenden Augen lassen all die spärlich bekleideten Postergirls an der Wand hinter ihr verblassen.

Triumph

Triumph International gehört zu den weltweit grössten Herstellern von Unterwäsche und Dessous. Mit seinen Hauptmarken Triumph und Sloggi vertreibt das Unternehmen seine Produkte in mehr als 
120 Ländern. Triumph erzielt mit über 34 000 Mitarbeitern einen Umsatz von 1,9 Mrd. Franken (2013).

  • Übersetzung: Mario Walser
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Marc Benninger ist Chefredaktor der französischen Ausgabe von HR Today.

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