Welttag der mentalen Gesundheit

Zuhören stärkt die mentale Gesundheit der Mitarbeitenden

Der diesjährige World Mental Health Day am 10. Oktober bietet eine gute Gelegenheit, einmal innezuhalten und darüber nachzudenken, ob wir in dieser sich rasant verändernden Arbeitswelt genug für unsere mentale Gesundheit und die unserer Mitarbeitenden tun.

Deutschland, Schweden, Mexiko, Japan und Neuseeland gehören zu den Vorreitern von Initiativen für Arbeitnehmerrechte und Wohlbefinden am Arbeitsplatz – in Deutschland war das ein Entwicklungsprozess über viele Jahre, sogar Jahrzehnte. Für andere ist das Paradigma, die psychische Gesundheit der Arbeitnehmenden in den Mittelpunkt zu stellen, noch relativ neu. Die Regierungen von Grossbritannien und Australien beispielsweise legen mit der Einführung der Employment Rights Bill 2024 in UK und dem australischen Gesetzentwurf Secure Jobs, Better Pay (2022) mehr Gewicht auf die Rechte der Arbeitnehmenden. Doch wie Unternehmen ihre Mitarbeitenden zusätzlich zur Gesetzgebung und inmitten vieler Umbrüche unterstützen können, ist entscheidend.

Die Herausforderungen anerkennen

Während der Pandemie profitierten Millionen von Menschen von der neu gewonnenen Flexibilität, die hybride Arbeitsformen mit sich bringen. Doch die Vermischung der Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben, wie sie oft im Homeoffice stattfindet, kann auch durchaus zu Burnout-Symptomen führen. Denn während Remote Work für einige eine Befreiung aus starren Arbeitsabläufen und -umgebungen darstellte, litten andere unter der Ungewissheit der isolierten Situation, Angst oder Stress. Daher sollte das Arbeitsumfeld – egal ob es sich um ein Firmenbüro, Homeoffice oder ein hybrides Arbeitsmodell handelt – so gestaltet sein, dass es das Wohlbefinden der Mitarbeitenden fördert und die mentale Gesundheit als Schlüsselkomponente in den Mittelpunkt stellt.

Unternehmen, die dies versäumen, müssen nicht nur mit personellen Ausfällen, sondern auch hohen Fluktuationsraten sowie verminderter Leistung und Produktivität mit jeweils erheblichen finanziellen Auswirkungen rechnen. Auch für den aktuellen Fachkräftemangel ist es entscheidend, welches Stresslevel herrscht, denn Berufseinsteigerinnen oder Jobwechsler beurteilen ihre neuen Arbeitgebende heute auch danach, wie die künftige Arbeitssituation ihr Wohlbefinden beeinflussen könnte. Aus diesem Grund ist es für Unternehmen von entscheidender Bedeutung, die Faktoren zu erkennen, die die mentale Gesundheit am Arbeitsplatz beeinflussen.

Hierzu gibt es viele verschiedene Kategorisierungen, doch als Richtschnur hilft der Blick auf: Zuordnung, Unterstützung, Resilienz und Gleichgewicht.

  1. Bei der Zuordnung geht es um die Synergie zwischen der Rolle der Mitarbeitenden, ihren Fähigkeiten und dem Auftrag der Organisation. Eine klare Zielsetzung kann dazu beitragen, Stress und Burnout-Symptome zu verringern.
  2. Unterstützung umfasst die Verfügbarkeit und Wahrnehmung von Hilfe durch Vorgesetzte und Kolleginnen und Kollegen, Richtlinien und den Zugang zu spezialisierten Gesundheitsdiensten.
  3. Resilienz konzentriert sich auf persönliche Ressourcen, die den Mitarbeitenden helfen, mit den Anforderungen am Arbeitsplatz zurechtzukommen und ihre mentale Gesundheit zu erhalten.
  4. Gleichgewicht − vielleicht das wichtigste Kriterium − bewertet, wie gut die Mitarbeitenden mit dem beruflichen Druck umgehen können, ohne dass es ihr Privatleben beeinträchtigt.

Mit Feedback den Shift in der Unternehmenskultur ankurbeln

Organisationen können proaktiv viele Massnahmen ergreifen, um eine Kultur zu fördern, die die mentale Gesundheit und das Wohlbefinden unterstützt. Das ist besonders wichtig, wenn Unternehmen einschneidende Veränderungen und Unsicherheiten bewältigen müssen. Die Förderung einer Unternehmenskultur, die die vier oben genannten Bereiche aktiv einbezieht, wird einen erheblichen positiven Einfluss auf die Dynamik im Unternehmen haben und Engagement, Produktivität und die Mitarbeitendenbindung verbessern.

Regelmässige Feedback-Mechanismen können spezifische Bereiche aufzeigen, in denen sich Mitarbeitende unterstützt oder nicht unterstützt fühlen. Diese Daten können, wenn sie richtig interpretiert werden, Einblicke in umsetzbare Strategien zur Förderung der mentalen Gesundheit geben. In den verschiedenen Ländern gibt es spezifische Anforderungen dazu, welche Kriterien entsprechende Erhebungen erfüllen müssen.

Als zusätzliche Lösung können automatisch ausgelöste Umfragen in den Momenten dienen, auf die es ankommt, zum Beispiel nach dem Jobeinstieg, wöchentlich oder zweiwöchentlich; und im Laufe der Berufsausübung dann monatlich oder mindestens quartalsweise. Hier kann ein Echtzeit-Ansatz für Feedback und Stimmungen in Schlüsselmomenten über den gesamten Mitarbeitendenzyklus hinweg ein genaues Bild davon vermitteln, was im Unternehmen passiert. Eingeholt und ausgewertet, tragen die Erfahrungen der Mitarbeitenden signifikant zur Zufriedenheit, aber auch gesamten Unternehmensleistung bei.

Mentale Gesundheit trifft auf psychologische Sicherheit

Ein wichtiger Faktor für die mentale Gesundheit ist es, wie frei sich die Mitarbeitenden fühlen, ihre Bedenken und Ideen zu äussern. Ein Ansatz, der dies unterstützt, ist die psychologische Sicherheit. Er zahlt auf alle vier oben genannten Dimensionen mentalen Wohlbefindens ein. Der Begriff «Psychologische Sicherheit» wurde von Amy Edmondson, einer Professorin an der Harvard Business School, geprägt. Er beschreibt ein Konzept, das einen Rahmen für Vertrauen und Teilhabe in einem Team schafft. Psychologische Sicherheit sorgt für ein meinungsoffenes, positives Arbeitsklima, in dem Mitarbeitende gemeinsam kreative Lösungen erarbeiten.

Laut Edmondson erlaubt es psychologische Sicherheit, innerhalb einer Gruppe zwischenmenschliche Risiken eingehen zu können. Jedes Teammitglied weiss, dass Kolleginnen und Kollegen wie auch Führungskräfte Fragen, Ideen oder Bedenken weder bestrafen noch ins Lächerliche ziehen oder als Fehler deklarieren. Psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz ist gegeben, wenn die Mitarbeitenden das Gefühl haben, dazuzugehören; wenn sie in der Lage sind, ihr authentisches Selbst einzubringen. Die Stärkung des Zugehörigkeitsgefühls kann einen positiven Einfluss auf solche Mitarbeitende haben, die sich sonst, vor allem in hybriden Arbeitsmodellen, eher isoliert fühlen.

Mit Einfühlungsvermögen zu mehr Engagement

Neben der Gestaltung der bestmöglichen physischen Arbeitsbedingungen, angepassten Prozessen und Regelungen im Arbeitsleben, kommt es darauf an, Empathie zu fördern. Dies geschieht nicht nur durch die oben skizzierten Befragungsformate, sondern auch im täglichen Miteinander. Hierbei haben Führungskräfte auf allen Ebenen eine erhebliche Vorbildfunktion. Sie tragen nicht nur enorm zur psychologischen Sicherheit bei, indem sie beispielsweise Räume für offenen Austausch schaffen, sondern können die Probleme ihrer Mitarbeitenden zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben proaktiv aufgreifen und individuelle Lösungen herbeiführen. Schulungen, entsprechend verankerte Führungsleitlinien und Feedbackmechanismen sind hierfür bewährte Instrumente.

Zukunftsorientierte Arbeitsgestaltung

Der 10. Oktober ist eine gute Gelegenheit, das Arbeitsumfeld zu überdenken und so umzugestalten, dass die mentale Gesundheit und das Wohlbefinden aller Mitarbeitenden merklich unterstützt und gefördert werden. Unternehmen, die darauf ihren Fokus legen, erhalten eine produktivere und engagiertere Belegschaft, egal ob im Büro oder im Homeoffice. Denn die Investition in die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden wird sich schlussendlich positiv auf das Geschäftsergebnis auswirken.

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Roland Abel

Dr. Roland Abel ist Employee Experience (EX) Strategist bei Qualtrics und treibt das Wachstum und die Strategie des Bereichs Employee Experience in EMEA voran – vornehmlich in DACH. Mit seiner Expertise hilft er Kunden bei der Entwicklung ihrer EX-Programme. Er blickt auf nunmehr 20 Jahre Erfahrung im Bereich EX zurück. Bei einer großen HR-Beratung führte er als Practice Head Employee Insights Germany & Austria viele multinationale Mitarbeiterbefragungen für internationale Konzerne durch. Zuvor promovierte er in Sozialwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum.

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