Zwischenmenschliche Konflikte im Betriebsalltag moderieren
Immer wenn Mitarbeitende miteinander kooperieren müssen, kann es zu Auseinandersetzungen kommen, die das Arbeitsklima, die Motivation und Leistung beeinflussen. Wie aber werden Konflikte rechtzeitig erkannt und professionell entschärft?
Ein Kooperation sollte immer ein ausgeglichenes Geben und Nehmen sein – sonst kommt es zu Konflikten. (Bild: iStock)
Konflikte treten in Unternehmen vermehrt auf, wenn sich in ihnen Dinge verändern – sei es im zwischenmenschlichen oder strukturellen Bereich. Dass sie auftreten, ist normal, doch schmälern sie in der Regel die Leistung. Deshalb sollten in jedem Unternehmen Personen existieren, die über die Kompetenz verfügen, Konflikte früh zu erkennen und aufzugreifen sowie den Mitarbeitenden bei der Aufarbeitung helfen
Zuweilen können diese sogenannten Konfliktberaterinnen und -berater Führungskräfte sein. Häufig können sie vorhandene Konflikte aber nicht moderieren – zum Beispiel, wenn sie selbst in den Konflikt involviert sind. Dann sollte eine neutrale Person die Konfliktparteien bezüglich geeigneter Lösungsstrategien beraten und mit ihnen eine Lösung.
Diese Konfliktberater sollten mit den Methoden zur Deeskalation von Konflikten und zur Konfliktintervention vertraut sein. Zudem sind zwei Grundhaltungen wichtig: 1. Allparteilichkeit. Eine Konfliktmoderation kann nur erfolgreich sein, wenn Konfliktberater nicht Partei für eine Konfliktpartei und eine mögliche Lösung ergreift. 2. Vertraulichkeit. Die Konfliktparteien sprechen nur offen über ihre Gefühle, Verletzungen und Bedürfnisse, wenn sie sicher sind, dass die Gesprächsinhalte im Raum bleiben.
Ein Beispiel aus dem Betriebsalltag
Wie sieht die praktische Arbeit einer Konfliktberaterin aus? Hierfür ein Beispiel. Angenommen, eine Führungskraft registriert, dass es zwischen zwei Mitarbeitende ihres Bereichs regelmässig zu Reibereien kommt. Sie ist jedoch unsicher, ob nur ein Interessengegensatz oder ein Konflikt vorliegt und wie sie darauf reagieren soll. Dann kann sie mit einer Konfliktberaterin darüber sprechen. Sind sich beide einig, es existiert ein leistungsmindernder Konflikt, können sie wie folgt intervenieren:
- Die Führungskraft klärt mit den Konfliktparteien das Problembewusstsein:
Häufig negieren die Beteiligten den Konflikt. Deshalb sollte die Führungskraft zunächst klären, ob den Mitarbeitenden der Konflikt bewusst ist und sie bereit sind, Zeit und Energie in eine Lösung zu investieren. - Die Führungskraft holt die Zustimmung für eine Konfliktmoderation ein:
Ist der Konflikt bestätigt, kann die Führungskraft die Mitarbeitenden fragen, ob die aktuelle Situation für sie zufriedenstellend ist. Lautet die Antwort «Nein», kann die Führungskraft eine Konfliktmoderation durch einen neutralen Konfliktberaterin vorschlagen – zum Beispiel mit der Begründung: «Ich möchte, dass Sie wieder in einer positiveren Atmosphäre arbeiten.»
Angenommen die Mitarbeitende entscheiden sich für eine Konfliktmoderation. Dann sollte sich die Konfliktberaterin in einem ersten Treffen den Konfliktverlauf schildern lassen – ohne ihn zu bewerten. Anschliessend sollte sie den Konfliktparteien den möglichen Ablauf der Moderation erläutern. Danach kann sie die Beteiligten bitten, sich zu überlegen, welche Verhaltensweisen sie sich vom jeweils anderen wünschen, um besser arbeiten zu können – jedoch keine Charakter-, sondern nur Verhaltensänderungen.
Die 8 Schritte einer Konfliktmoderation
Die Konfliktmoderation kann wie folgt ablaufen.
1. Schritt: Einsteigen.
Meist kommen die Mitarbeitende voller Emotionen zur Konfliktmoderation. Deshalb sollte der Konfliktberater den Beteiligten noch einmal erläutern, worum es bei der Konfliktmoderation geht: um ein Lösen des Konflikts. Jedoch nicht in der Form, dass alle Emotionen der Vergangenheit bearbeitet werden. Vielmehr soll die Arbeitsbeziehung neu ausgehandelt und das Verhalten an den Schnittstellen der Tätigkeitsfelder der beiden Mitarbeitenden so geregelt werden, dass beide damit leben und ihren Job besser machen können.
2. Schritt: Regeln definieren.
Danach sollte der Konfliktberater mit den Konfliktparteien Regeln für die Moderation definieren. Zum Beispiel:
- Beide stellen Forderungen an das Verhalten des jeweils anderen.
- Diese werden nach dem Prinzip «Geben und Nehmen» ausgehandelt.
- Die Absprachen werden schriftlich festgehalten.
Vereinbart werden sollte auch, was im Raum bleibt und worüber mit Dritten gesprochen werden darf.
3. Schritt: Die Aufgaben des Konfliktberaters klären.
Der Konfliktberater sollte mit den Beteiligten auch seine Aufgaben und seine Rolle klären – zum Beispiel: • Ich verhalte mich als Konfliktberater neutral und achte auf das Einhalten der Regeln. • Ich verhindere, dass über Undiskutierbares, also zum Beispiel die Ziele des Unternehmens, verhandelt wird. • Ich achte darauf, dass keine Vereinbarungen zu Lasten Dritter getroffen werden.
4. Schritt: Forderungen sammeln.
Nach dem Klären der Formalien kann der Konfliktberater die Beteiligten bitten, auf einem Formblatt folgende Aussagen zu ergänzen:
- «Es würde mir helfen, effektiver zu arbeiten, wenn Sie folgendes mehr/anders tun würden: ...»
- «Es würde mir helfen, effektiver zu arbeiten, wenn Sie folgendes weniger/nicht mehr tun würden: ...»
- «Bitte behalten Sie folgende Aktivitäten bei, die mir helfen, effektiv zu arbeiten: ...»
5. Schritt: Verständnis klären.
Danach bittet der Konfliktberater die Konfliktpartner, die Forderungen/Wünsche des jeweils anderen mit eigenen Worten laut zu formulieren. Der andere soll die Aussage entweder bestätigen oder korrigieren. Sofern für das Verständnis nötig, bittet der Konfliktberater um Beispiele für das gewünschte Verhalten.
6. Schritt: Forderungen priorisieren und aushandeln.
Forderungen, die ihnen besonders wichtig sind, werden von den Beteiligten hervorgehoben; ausserdem die Forderungen, die verhandelbar sind. Anschliessend unterbreiten sie sich wechselseitig Angebote. Zum Beispiel: «Wenn Sie mich zeitnah informieren, würde ich ...». Der Konfliktberater achtet darauf, dass das Aushandeln ein Geben und Nehmen ist.
7. Schritt: Absprachen treffen und protokollieren.
Der Konfliktberater notiert die Absprachen. Dass beim Aushandeln der künftigen Arbeitsbeziehung die Emotionen hochkochen, ist normal. Das sollte der Konfliktberater zulassen, damit der Druck aus dem Kessel weicht. Dabei muss er jedoch Fingerspitzengefühl zeigen, um zu verhindern, dass sich beim Gegenüber Druck aufbaut. Nach einiger Zeit kann er zum Beispiel ruhig sagen, dass der Gefühlsausbruch zeigt, wie viel Emotionen im Spiel sind und dass solche Verletzungen sicher auf beiden Seiten existieren.
8. Schritt: Abschliessen und Folgetermin vereinbaren.
Die bei Konfliktmoderationen getroffenen Vereinbarungen erscheinen Aussenstehenden oft als Kleinigkeiten oder Selbstverständlichkeiten. Für die Beteiligten sind sie jedoch wichtig, weil daran Emotionen hängen. Vereinbart werden sollte auch, was geschieht, wenn Absprachen nicht eingehalten werden. Das müssen keine Sanktionen sein. Die Vereinbarung kann auch lauten: «Dann sprechen wir uns künftig darauf an.» Vereinbaren sollte der Konfliktberater mit den Konfliktparteien auch einen Folgetermin, um zu überprüfen, ob die Absprachen eingehalten wurden und eventuell neue Konfliktpunkte entstanden sind.