Arbeitsmarkt

«Ältere Arbeitslose werden diskriminiert»

Heide Henauer ist hoch qualifiziert. Sie spricht fliessend Englisch, hat in multinationalen Unternehmen gearbeitet und dennoch Mühe, einen Job als HR-Leiterin zu finden. Der Grund: Ihr Alter.

Heide Henauer hat schon viele Bewerbungen geschrieben. Wie viele genau, weiss sie nicht - sie zählt nicht mehr, um sich nicht zu demotivieren. «Offiziell sagt mir niemand, dass ich wegen des Alters nicht für die Stelle berücksichtigt werde», erzählt die 57-Jährige. Dennoch vermutet sie, dass dies oft der Grund für die Absage ist. «Ich erhalte dann eine E-Mail, dass mein Profil zwar interessant sei, sie aber noch andere Bewerber hätten, die besser passten. Interessanterweise ist die Stelle aber Wochen später immer noch ausgeschrieben.»

Seit Anfang Jahr ist Heide Henauer auf Stellensuche. Ihrer Firma ging es schlecht, musste Jobs abbauen. Es war absehbar, dass auch Heide Henauer ihre Stelle verlieren würde. Ende April war es dann so weit. Einen Monat lang konnte sie noch ein Projekt betreuen, seither ist sie arbeitslos. Und das nicht zum ersten Mal. Bereits vor zwei Jahren verlor sie ihren Job, auch damals wegen Umstrukturierungen. Ein halbes Jahr lang suchte sie, bis sie schliesslich fündig wurde.

Dem Tag eine Struktur geben

Klar habe sie Zukunftsangst und frage sich, wie es weiter geht, gibt Heide Henauer zu. Demotivieren lässt sich die gelernte HR-Leiterin trotzdem nicht. Sie gibt ihrem Tag eine Struktur, steht jeden Morgen um sieben Uhr auf, liest ihre Mails und Zeitungsinserate, schreibt Bewerbungen. Erst am Nachmittag gönnt sie sich Freizeit. «Es ist wichtig, Strukturen zu haben», betont Heide Henauer. Unterstützung erhält sie von ihrem privaten Umfeld.

Als hilfreich empfand sie die Outplacement-Beratungen. Nicht nur übte sie Interviewsituationen, auch die Gespräche halfen: «Es tat gut zu hören, dass es derzeit schwierig ist, einen Job zu finden, und dass es nicht an mir lag.» Denn an Qualifikation und Erfahrung mangelt es Heide Henauer nicht: Sie begann im Bereich Finanzen und Administration in der Firma ihres Mannes, spezialisierte sich auf HR, machte die Ausbildung zur HR-Leiterin, arbeitete viel in internationalen Firmen, spricht fliessend Englisch.

Vorteile älterer Mitarbeiter

Für manche Jobs ist sie gemäss Absage-Schreiben überqualifiziert, auf andere bewirbt sie sich schon gar nicht. Dann, wenn das Alter im Inserat angegeben ist. «Eine Zumutung», findet Heide Henauer. «Vieles kann man beeinflussen, etwa die Ausbildung, nicht aber das Alter.»

Dabei sieht sie in älteren Mitarbeitern nur Vorteile: «Wir haben Erfahrung, haben viele mögliche Situationen im Beruf bereits erlebt und sind auch dementsprechend erfahrener im Umgang mit Problemen.» 

Ältere Leute lernen genauso gut wie jüngere und sind sehr flexibel, zitiert Heide Henauer Studien. Zudem arbeiten altersdurchmischte Teams effektiver und bringen bessere Resultate. Gerade ältere Mitarbeiter seien auch eher treu, da sie kein Interesse hätten, noch mehrmals den Job zu wechseln, sagt Heide Henauer. Ausserdem hätten diese die Familienphase abgeschlossen und seien deshalb weniger abgelenkt. Von jüngeren Mitarbeitern werden ältere oft geschätzt, sie gelten als ruhender Pol. Dennoch gebe es immer noch viele Vorurteile gegen ältere Mitarbeiter, weiss Heide Henauer: Sie seien unflexibel, unfähig, Neues zu lernen, und oft krank.

Die Zahl älterer Mitarbeiter wird zunehmen, allein schon aufgrund der demografischen Entwicklung. In der Schweiz wird der Anteil der über 60-Jährigen im Jahr 2020 gemäss einer Manpower-Studie doppelt so gross sein wie der Anteil der unter 20-Jährigen. Zwar seien sich die Firmen des Problems bewusst, doch ein Umdenken habe noch nicht stattgefunden, moniert Heide Henauer. «Die Unternehmen glauben immer noch, dass sie alle Stellen mit jungen ausländischen Fachkräften besetzen können.» Dabei gebe es viele gut ausgebildete und motivierte Fachkräfte über 50 im Inland. «Objektiv gesehen gibt es nichts, was gegen ältere Mitarbeiter spricht», betont Heide Henauer. Dennoch würden ältere Stellensuchende regelrecht diskriminiert. «Da müsste sich auch die Politik einschalten», findet sie.

Heide Henauers Blatt hat sich auch ohne politischen Beistand gewendet: Vergangenen Freitag bekam sie die Zusage für eine befristete Stelle im Bereich Change Management. Bereits am Donnerstag kann sie anfangen.

Weiterer Artikel zum Thema: «Die 10 häufigsten Arbeitgeberfragen zu älteren Mitarbeitenden»

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