Interview mit Anja Mücke

«Agilität kann helfen, ist aber keine Allzweckwaffe»

Anja Mücke, Professorin am Institut für Personalmanagement und Organisation der Hochschule für Wirtschaft FHNW, spricht im Interview über ihr gerade bei Springer erschienenes Buch «Agilität im HR-Management. Grundlagen, Konzepte, Impulse».

FHNW: Frau Mücke, Ihr Buch beschäftigt sich mit der Agilität im HR-Management. Was genau verstehen Sie darunter?

Anja Mücke: Es gibt nicht die eine Definition, was Agilität genau bedeutet. Dies hängt damit zusammen, dass sich unterschiedliche Disziplinen und Professionen der Thematik angenommen haben und bei den einen das Thema Anpassungsfähigkeit im Vordergrund steht, während es bei den anderen die Kundenzentrierung oder die kontinuierliche Verbesserung ist. Zusammenfassend kann Agilität als die Fähigkeit einer Organisation und ihrer Mitglieder betrachtet werden, sich schnell und kontinuierlich an Markt- und Umweltveränderungen anzupassen und dadurch ihre Widerstandsfähigkeit zu erhöhen. Hierbei stellt sich die Frage, was dies für das HRM einer Organisation bedeuten kann. Gefordert ist es auf drei Ebenen:

  • Erstens in seiner Rolle als Transformationsförderer und -gestalter: Wenn die Organisation als Ganzes oder einzelne Bereiche agiler werden möchten, kann das HRM in diesem Transformationsprozess einen wichtigen Beitrag leisten. Ansatzpunkte für die Transformation liegen in Strategie, Struktur, Kultur, Führung, Prozess sowie in den HR-Instrumenten.
  • Zweitens bezüglich der Agilität in den HR-Instrumenten und -Prozessen: In agil arbeitenden und aufgestellten Organisationen passen traditionell ausgerichtete HR-Prozesse und -Instrumente wie zum Beispiel die Personalentwicklung oder das Performance Management nicht mehr, da die Ansprüche sich gewandelt haben. Die «HR-Produkte» müssen entsprechend hinterfragt, verändert oder neu gedacht werden – zum Beispiel, wie in teambasierten Netzwerkstrukturen Laufbahnen und Entwicklungswege gestaltet werden können. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie der HR-Prozess und die jeweiligen Instrumente in sich agiler gestaltet werden können, damit sie schneller und einfacher veränderbar werden, um selbst agil auf veränderte Umweltbedingungen reagieren zu können.
  • Und drittens bei der Agilität in der HR-Organisation selbst: Wie diese agiler arbeiten und sich entsprechend aufstellen kann.

Ihr Buch verspricht, die Grundlagen und Konzepte agiler Ansätze zu vermitteln. Was hat Sie dazu inspiriert, dieses Buch zu schreiben?

Mücke: «Agilität» oder «agil» sind Schlagworte, die im Alltag, in der Unternehmenspraxis viel und gerne verwendet werden – analog zu Schlagworten wie «kompetent» oder «nachhaltig». In der weiterführenden Diskussion wird oft weiteres Vokabular genutzt, bei dem Personen, die sich noch nicht mit Agilität beschäftigt haben, häufig nur Bahnhof verstehen. Als ich mich mit «Agilität» und ins­besondere «Agilität im HRM» näher beschäftigt habe, war ich zuerst eher erschlagen und überfordert als erhellt. Es gab die Wahl zwischen Blogbeiträgen oder Fachbüchern mit mehreren 100 Seiten, die sich dabei meist einem ganz bestimmten Aspekt von Agilität vertieft widmen. Auch die schiere Anzahl und Auswahl an möglichen Quellen ­empfand ich als lähmend. Ich persönlich hätte zum Einstieg damals gerne etwas gehabt, das das Wichtigste in Kürze möglichst einfach erklärt und vertiefende Literaturhinweise oder zumindest relevante Stichworte, Autorinnen und Autoren liefert, damit man selbst weiter recherchieren kann. Dies war meine Motivation, dieses Buch zu schreiben: einen fundierten, aber kompakten, beschreibenden Überblick über Agilität im HR zu geben mit konkreten Hinweisen, wo man bei Bedarf nachlesen, weiterlesen und sich vertiefen kann.

Welche Kernbotschaften möchten Sie den Leserinnen und Lesern vermitteln?

Mücke: Hinsichtlich Kernbotschaften war es mir wichtig, einen möglichst beschreibenden und nicht wertenden Input zu bieten, also nicht im Sinne von beispielsweise «das ist die beste Methode». Dies hängt mit einer weiteren zentralen Kernbotschaft zusammen, nämlich der der Anforderungsorientierung. Agilität kann helfen, ist aber keine «Allzweckwaffe». Es ist deshalb wichtig, sich den Anforderungen und Rahmenbedingungen bewusst zu sein, die eine Problem­stellung mit sich bringt. Nur so kann entschieden werden, ob und in welchem Ausmass agile Vorgehensweisen und Methoden Sinn machen oder nicht. Denn auch in einer durch VUCA (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität) geprägten Welt gibt es Aufgaben und Problemstellungen, bei denen sich zum Beispiel Standards und Checklisten bewährt haben.

Wem würden Sie dieses Buch zur Lektüre empfehlen?

Mücke: Allen, die einen kompakten Überblick und eine Einordnung zum aktuellen Stand der Theorie und Praxis zum Thema Agilität im HRM bekommen wollen. Das Buch liefert Orientierung und Hilfestellung dabei, die aktuelle Agilitätsdebatte für die eigene HR-Arbeit einordnen zu können.

Ihr Institut und «HR Today» veranstalten am 19. September 2024 einen Impulsevent zum Thema Agilität im HRM. Was dürfen die Teilnehmenden erwarten?

Mücke: Die Ergebnisse der diesjährigen Trendstudie werden exklusiv im Rahmen der Veranstaltung präsentiert. Wir haben eine Impulsbefragung bei Schweizer Unternehmen und Organisationen durchgeführt, ob und inwieweit Agilität ein Thema in ihrem HRM ist. Zudem bieten spannende Podiumsgäste einen Einblick in ihre agile Reise im HRM gewähren. Beim anschliessenden Apéro besteht die Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen, weiter zu diskutieren und sich zu vernetzen. Und «last but not least» gibt es Exemplare meines Buches zu gewinnen.

Buchtipp: Anja Mücke, «Agilität im HR-Management», Springer, 2024, 67 Seiten.

Impulsevent zur Trendstudie «Agilität – (k)ein Thema im HRM?»

Die diesjährige Trendstudie der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) und von «HR Today» untersucht, ob Agilität ein Thema im HRM ist: Inwieweit unterstützt das HRM die Organisation als Ganzes oder einzelne Einheiten darin, agiler zu werden? Und inwiefern ist das HRM als Organisationseinheit selbst agil? Wir laden Sie herzlich ein zum Impulsevent am 19. September 2024 um 17.15 Uhr an der FHNW in Olten, bei dem Sie die Ergebnisse der Umfrage aus erster Hand erfahren. Im Anschluss findet eine Podiumsdiskussion mit HR-Expertinnen und -Experten statt, in der aktuelle Cases aus den Unternehmen diskutiert werden. Mit dabei sind:

  • Stefan Kollbrunner, HR Strategy and Transformation Lead bei AXA Schweiz
  • Cornelia Kramer, Strategische HR-Beraterin bei der BLS
  • Micol Rezzonico, Leiterin HR und Organisationsentwicklung bei Inventx
  • Sandra Tschumi, Lead People bei inova:solutions
  • Anja Mücke, Professorin am Institut für Personalmanagement und Organisation der Hochschule für Wirtschaft FHNW (Moderation)

Die Veranstaltung dauert bis ca. 18.45 Uhr mit anschliessendem Apéro. Die Teilnahme ist kostenlos. Wir freuen uns auf Sie! Weitere Informationen und Anmeldung

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Timna Rother

Timna Rother ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Personalmanagement und Organisation, Hochschule für Wirtschaft FHNW.

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