Heft Nr. 9/2015: Recruiting

Aktuelle Recruiting-Studien 
im Vergleich

Was sind die aktuellen Trends im Recruiting und welche Erwartungen haben Bewerber an die Unternehmen? Auch dieses Jahr haben sich wieder zahlreiche Studien mit diesen und vielen weiteren Fragen rund um die Personalbeschaffung befasst. HR Today hat sechs dieser Studien etwas genauer unter die Lupe genommen.

Wie viele Recruiting-Studien unisono betonen, betrachten Unternehmen und Recruiter den Fachkräftemangel als derzeit grösste Herausforderung und damit verbunden auch die Suche nach passenden Talenten, gefolgt von der Mitarbeiterbindung und der demografischen Entwicklung.

Trend 1: Mobile Recruiting

Wer sich mit Rekrutierung befasst, kommt wohl kaum um den Trend des Mobile Recruitings herum. Wie die deutsche Agentur Wollmilchsau in ihrer Schweizer «Mobile Recruiting Studie 2015» herausgefunden hat, nutzen zwei Drittel der Internetnutzer in der Schweiz das Internet mobil. Gut ein Drittel der Google-Nutzer sucht unterwegs nach Stellenangeboten. Doch seitens der Unternehmen wird viel Potenzial verschenkt: Nur 23 Prozent der untersuchten Unternehmen haben eine mobiloptimierte Karriereseite, nur 14 Prozent haben eine fürs Smartphone optimierte Jobbörse. Handytaugliche Bewerbungsformulare bieten nur neun Prozent der untersuchten Unternehmen an: «Je mehr Aufwand der Bewerbungsprozess mit sich bringt, desto unwahrscheinlicher ist die Bewerbung», heisst es in der Recruiting-Studie.

Ein hoher Aufwand beim Bewerbungsprozess habe somit einen direkten, negativen Einfluss auf die Anzahl der eingehenden Bewerbungen, verringere die Auswahlmöglichkeiten aus qualifizierten Bewerbern und führe schliesslich zu höheren Ausgaben für weitere Recruiting-Massnahmen. Wenn Unternehmen einen mobiloptimierten Karrierebereich oder eine mobiloptimierte Jobbörse oder ein mobiloptimiertes Bewerbungsformular anbieten, ist das gemäss der Studienautoren schön und gut, «aber sie bewirken nur dann den versprochenen Nutzen, wenn der Bewerbungsprozess als Ganzes mobiloptimiert ist. Im Klartext: Die Karriereseite und die Jobbörse und das Bewerbungsformular müssen den Bedürfnissen mobiler Bewerber gerecht werden».

Auch der jährlich erscheinende «Trend Report» der Prospective Media Services AG sieht Mobile Recruiting weiterhin als grossen Trend: Demnach nutzt bereits jeder vierte Arbeitnehmer das Smartphone zur Stellensuche. Wie der «Trend Report» weiter zeigt, wird Google immer wichtiger für die Jobsuche. Viele potenzielle Bewerber geben einfach ein Stichwort wie etwa «HR-Leiter» bei Google ein und suchen so nach Stellen. Ein Problem haben somit alle Firmen, deren Websites nicht mobiloptimiert sind, denn diese werden bei der Google-Suche benachteiligt.

Auf «mobile» setzen, das propagiert auch die «Arbeitsmarktstudie» von Job Cloud. Die Betreiber der Stellenplattform jobs.ch stellen fest, dass die Kandidaten mobil unterwegs sind: So greifen 47 Prozent der monatlich 3,5 Millionen Besucher auf jobs.ch via Smartphone auf die Stellenplattform zu. Gemäss Studie sollten die Stelleninserate deshalb auch so optimiert werden, dass sie auf kleineren Mobile-Displays angenehm zu lesen sind. Um an die besten Kandidaten heranzukommen, sollten Personaler zudem proaktiver vorgehen, ihre Arbeitsmittel digitalisieren und ihre Arbeitgebermarke entwickeln, wie es in der Arbeitsmarktstudie von Job Cloud weiter heisst.

Trend 2: Candidate Experience

Ein weiteres grosses Schlagwort in der Recruiting-Szene ist die Candidate Experience. Dabei geht es darum, wie die Bewerber den Rekrutierungsprozess erleben – leider nicht immer positiv. Wie der «Trend Report» von Prospective zeigt, erwarten Arbeitnehmer eine qualifizierte Rückmeldung auf ihre Bewerbung innert zehn Tagen. Lange Wartezeiten sind demnach für Kandidaten mit Abstand das Schlimmste beim Bewerbungsprozess. Ebenso ärgerlich ist es für Bewerbende, überhaupt keine Antwort beziehungsweise Absage zu erhalten. Der Bewerbungsprozess sollte innert 20 Werktagen abgeschlossen werden. Denn eine zeitnahe Antwort auf eine Bewerbung sei auch ein Zeichen von Wertschätzung dem Kandidaten gegenüber.

Dass ein wertschätzender Recruiting-Prozess für eine positive Arbeitgeber-Reputation ausschlaggebend ist, hebt die Studie «Best Recruiters» hervor. Schnelles und personalisiertes Feedback zeuge von Professionalität; würden Bewerbungen ignoriert und nicht beantwortet, schade das dem Employer Brand erheblich. Nicht nur der betroffene Bewerber werde ein schlechtes Bild des Unternehmens haben, sondern möglicherweise auch sein Kollegenkreis, mit dem er sich über das Erlebte austausche.

Trend 3: Social Media

Social Media spielen zwar vermehrt eine Rolle in der Kandidatensuche, die häufigsten Rekrutierungskanäle in der Schweiz sind aber weiterhin Jobportale (96 Prozent) und die eigene Firmenwebsite (82 Prozent). Das zeigt die «Social Media Recruiting-Studie 2015» von Online-Recruiting.net. Unter Schweizer Recruitern sind die Jobportale jobs.ch und jobwinner.ch mit jeweils über 80 Prozent die beliebtesten Online-Portale, wie die «Best Recruiters»-Studie ergab.

Auch der «Trend Report» der Prospective Media Services AG zeigt, dass allgemeine Online-Stellenbörsen (74 Prozent) das in der Deutschschweiz meistgenutzte Tool für die Jobsuche sind. Doch mit 71 Prozent bereits an zweiter Stelle folgen überraschenderweise Print-Inserate. Auf fachspezifischen Online-Stellenbörsen schauen sich 55 Prozent um, 51 Prozent auf der Firmen-Webseite. 24 Prozent suchen via Personalvermittler oder Headhunter und immerhin 16 Prozent via Social Media. Dabei nutzen Arbeitnehmer in erster Linie Facebook (61 Prozent), gefolgt von Xing (59 Prozent) und Linkedin (51 Prozent).

Umgekehrt treten Arbeitgeber auch vermehrt professionell in den sozialen Netzwerken auf: Facebook und Linkedin werden von 27 Prozent, Xing wird sogar von 33 Prozent der Firmen genutzt. In den Sozialen Medien steckt viel Potenzial. Medienkompetenz und Authentizität könnten durch einen professionellen Social-Web-Auftritt unter Beweis gestellt werden und so das Arbeitgeberimage stärken. Zudem können gemäss der Studie «Best Recruiters» Talente über Social Media direkt angesprochen werden. Jeder Dritte konnte gemäss «Social Media Recruiting-Studie 2015» von Online-Recruiting.net schon mindestens eine Stelle dank Social Media besetzen.

Fast jeder dritte Bewerber würde sich gemäss «Trend Report» gerne mit einem Link auf sein Social Network-Profil bewerben. Da das Ausfüllen von Bewerbungsformularen auf dem Smartphone ein mühsames Unterfangen ist, schlagen auch die Wollmilchsau-Experten eine Xing- oder Linkedin-Bewerbung vor: Die Bewerber müssen ihre Daten nicht mühsam in das Bewerbungsformular einfügen, sondern sie können sie direkt aus ihrem Xing- oder Linkedin-Profil – oder einem anderen Social-Media-Profil – importieren. Diese Möglichkeit bieten allerdings nicht mal fünf Prozent der untersuchten Firmen an. Immer wichtiger für die Suche nach guten Mitarbeitern wird Active Sourcing, das von immer mehr Firmen bei der Jobsuche eingesetzt wird. Auch erkennen immer mehr Unternehmen die Bedeutung ihrer eigenen Mitarbeiter und beziehen diese in die Jobsuche mit ein. 73 Prozent der befragten Arbeitnehmer hätten ein Inserat schon mal einem Freund oder Bekannten empfohlen, so der «Trend Report».

Kennzahlen

Gemäss «Trend Report» messen nur 22 Prozent der befragten Unternehmen den Erfolg ihrer Rekrutierungsstrategien. Beliebte Kennzahlen sind «Time to hire», «Cost per hire», «Anzahl eingehender Bewerbungen» oder «Quelle der Bewerbungen». Für Matthias Mäder, Geschäftsführer von Prospective, ist die Messung der KPI zentral, «sagen sie doch viel über den Erfolg der getroffenen Massnahmen aus». Vier von fünf Arbeitnehmern informieren sich über die Firmen-Website über ihren potenziellen Arbeitgeber. Andere Informationsquellen sind auch beliebt: 69 Prozent suchen über Suchmaschinen und jeder Fünfte konsultiert Arbeitgeber-Bewertungsplattformen wie Kununu sowie Social Networks. Darauf haben Firmen reagiert: Zwei Drittel der Unternehmen betreiben mittlerweile Webmonitoring und prüfen Suchmaschinen-Ergebnisse.

Kultur und Kandidat müssen passen

Die Studie von Careerplus zeigt auf, dass der «Cultural Fit» für Unternehmen immer wichtiger wird: Der Kandidat soll zur Kultur passen. Das unterstreicht auch die «Best Recruiters»-Studie: Bewerber sollen sich mit den Werten ihres zukünftigen Arbeitgebers identifizieren. Daher empfehlen die Autoren, diese auch klar zu kommunizieren. Um an weitere Informationen über den Bewerber zu gelangen, sucht bereits jeder zweite Personalverantwortliche im Internet nach Informationen zum Bewerber. Weist ein Kandidat ein kritisches Arbeitszeugnis vor, führt das laut Careerplus bei 63 Prozent der Kandidaten zu einer Absage – ohne nach den Gründen zu fragen. Zwar liefern Arbeitszeugnisse zu Aufgabengebiet, Funktion und Anstellungsdauer recht verlässliche Informationen. Aber: «Die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung ist stark von der persönlichen Meinung des Verfassers beeinflusst und liefert somit nur unsichere Informationen über die tatsächlich erbrachten Leistungen», so das White Paper von Careerplus. Für viele Personaler ist auch ein unvollständiges oder unübersichtliches Dossier ein Ausschlusskriterium. Bei einem Drittel der Befragten führen Rechtschreibefehler zu einem Absagebrief.

Über die Studien

Die deutsche Digitalagentur Wollmilchsau hat für ihre Schweizer Mobile Recruiting Studie 2015 die Karrierewebseiten von 179 börsenkotierten Unternehmen mit Hauptsitz in der Schweiz auf ihre Mobile Candidate Experience hin untersucht. Erhoben wurden die Daten im vierten Quartal 2014. www.wollmilchsau.de

Bereits zum siebten Mal hat die Prospective Media Services AG, eine Spezialistin für Recruiting Solutions, den Trend Report herausgegeben. Anfang 2015 wurden dafür 1792 Arbeitnehmer sowie 281 Arbeitgeber mittels Fragebogen zu aktuellen Trends im Online-Recruiting befragt. Prospective führt zudem jedes Jahr im Herbst die Recruiting Convention im Zürcher Lakeside durch, wo in Referaten von Experten die neusten Trends vorgestellt werden. www.trendreport.prospective.ch

Seit 2010 führt Job Cloud gemeinsam 
mit dem Link Institut jedes Jahr in der gesamten Schweiz eine Umfrage über Trends bei der Arbeitsplatzsuche durch. Dieses Jahr wurden 1319 Personen zwischen 16 und 60 Jahren bei der aktiven und passiven Suche nach Arbeit befragt. Zu Job Cloud gehören unter anderem die Stellenplattformen jobs.ch und jobup.ch. www.jobs.ch

Die Schweizer Personalberatung Careerplus hat eine Umfrage unter KMU durchgeführt, um die aktuelle Praxis der Personalverantwortlichen zu durchleuchten. Die Ergebnisse wurden im White Paper Möglichkeiten und Grenzen bei der Personalauswahl veröffentlicht. www.careerplus.ch

Die Studie Best Recruiters ermittelt 
– wie der Name schon sagt – die besten Recruiter der Schweiz. Anhand von 89 Kriterien wurden zwischen Oktober 2014 
und Januar 2015 die Recruiting-Massnahmen von 518 Schweizer Arbeitgebern untersucht. In Kooperation mit Kuno Ledergerber von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften wurden dafür die Kriterien und deren Gewichtung für ausgezeichnete Recruiting-Qualität in der Schweiz definiert. Bewertet werden Unternehmen anhand von vier Säulen: Recruiting-Präsenz (Bewerber-Ansprache auf Karriere- und Social-Websites), Online-Stelleninserate (ansprechend, aussagekräftig), Umgang mit Bewerbern sowie Feedback im Bewerbungsverfahren. www.bestrecruiters.ch

Mit ihrer Firma Online-Recruiting.net 
hat Inhaberin Eva Zils für ihre Social Media Recruiting-Studie 2015 insgesamt 289 Schweizer Personaler befragt. Die Umfrage führte sie mittels Fragebögen von Mitte Januar bis Mitte Februar dieses Jahres durch. www.online-recruiting.net

 

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