Luft nach oben
Allen Unkenrufen zum Trotz ist das traditionelle Stelleninserat in der Personalrekrutierung immer noch die erste Wahl. Doch in der Umsetzung scheitern viele Unternehmen nach wie vor. Personalmarketing-Spezialist Henner Knabenreich und Sprachforscher Ivo Hajnal über die Ursachen dieser Malaise und mögliche Lösungsansätze.
Henner Knabenreich (links) und Prof. Dr. Ivo Haynal. Henner Knabenreich ist Inhaber der Beratungsagentur Knabenreich Consult GmbH und hat sich auf digitales Personalmarketing spezialisiert. In seinem preisgekrönten Blog «personalmarketing2null» schreibt er über Per-sonalmarketing, Employer Branding und Recruiting. Der Sprachwissenschaftler Ivo Haynal ist seit 2001 an der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck tätig. Zudem ist er Mitbegründer der Schweizerischen Textakademie und amtet als deren Präsident.
«Werbung kommt nie aus der Mode», behauptet Ivo Hajnal, Sprachwissenschaftler und Mitbegründer der Schweizerischen Textakademie. «Auch in Zeiten des Internets müssen Unternehmen Stellen öffentlich ausschreiben und diese bewerben.» Was sich geändert habe, sei die Form des Inserats und der Kanäle, über welche dieses verbreitet werde. Diese Meinung teilt auch Henner Knabenreich, scharfzüngiger HR-Blogger des branchenweit anerkannten und gefürchteten Kult-Blogs «personalmarketing2null» sowie Inhaber der Personalmarketing-Agentur Knabenreich Consult GmbH. Auch er prophezeit, dass «Stellenanzeigen uns noch über Jahre hinweg begleiten werden, selbst wenn Social Media weiter an Bedeutung gewinnen».
Stelleninseraten haftet der Ruf an, beliebig und austauschbar zu sein. So auch die Kritik von Ivo Hajnal: «Was ein Marketing-Manager ist, weiss doch jeder, der den Job schon mal gemacht hat und dafür qualifiziert ist.» Viel wesentlicher sei doch, darzustellen, was das Spezielle an der offenen Stelle sei. Viele Unternehmen würden es jedoch sträflich versäumen, den einzigartigen Verkaufsvorteil hervorzuheben. Jobausschreibungen sollten stärker den Mehrwert der Stelle betonen und wirkungsvoller auf das Zielpublikum zugeschnitten sein. «Dabei sollten alle Beteiligten verstehen und akzeptieren, dass das HR in der Regel am besten weiss, wie eine Stelle am Markt zu positionieren ist, um geeignete Dossiers zu erhalten», fordert Hajnal.
Kopier-(Un)kultur
Eine weitere Ursache für die Austauschbarkeit von Stelleninseraten orten die beiden HR-Experten in der «Kopier-Kultur» vieler Unternehmen. «Ich habe oft den Eindruck, dass jeder vom anderen abkupfert», so Henner Knabenreich. «Die Jüngeren schreiben von den Älteren ab», diagnostiziert auch Ivo Hajnal. «Damit entsteht eine Ausschreibungskultur, die weder innovativ ist noch auf die ausgeschriebene Stelle und das anvisierte Zielpublikum passt.» Zwar würden viele HR-Fachleute dies gerne ändern, am Schluss fehle aber die Zeit, weshalb sie «den Weg des geringsten Widerstands gehen».
Austauschbar wirken viele Stelleninserate auch, weil sich die Unternehmen «fast ausschliesslich sehr egozentrisch darstellen», sagt Henner Knabenreich. Vieles könnte zum Besseren gewendet werden, wenn Unternehmen ihre üblichen selbstbeweihräuchernden Texte à la «wir sind die Schönsten und die Besten und Marktführer sind wir sowieso» mit einer zielgruppengerechten Ansprache ersetzen: «Einen Software-Entwickler holt man eben mit einer anderen Botschaft ab als einen Controller.» Bei der Ausformulierung dieser Inhalte solle man deshalb keinesfalls die Linie und die Teammitglieder übergehen, «denn nur sie wissen, welche Kenntnisse und Fähigkeiten ein Software-Entwickler oder ein Controller mitbringen muss und wie man diesen begeistert». Wolle man auf Unternehmenstexte nicht ganz verzichten, müsse man sie zumindest kurz und knapp halten, fordert Ivo Hajnal: «Zwei bis drei Sätze genügen.» Denn von ernsthaft interessierten Kandidaten sei zu erwarten, dass sie recherchieren und sich über das Unternehmen informieren.
Von Floskeln und Plattitüden
Zu den formellen Mängeln vieler Jobausschreibungen zählen beide Experten den Hang zur Redundanz: «Vieles wird auf mehrere Arten erzählt», bemängelt Sprachwissenschaftler Ivo Hajnal. So muss ein Kandidat etwa gleichzeitig kommunikativ und teamorientiert sein, auf Menschen zugehen oder freundlich sein. «Stelleninserate sind voller weisser Schimmel», bringt es Hajnal auf den Punkt.
Henner Knabenreich sind besonders «Textwüsten» ein Dorn im Auge. Insbesondere, wenn sie gespickt sind «mit Floskeln, Wünschen und Forderungen an den Kandidaten, die den Eindruck erwecken, er sei bloss ein Bittsteller». Als Beispiel für solch abgedroschene Floskeln schüttelt Knabenreich spontan folgende Begriffe aus dem Ärmel: «Marktführer», «Global Player», «spannende Aufgabe», «flexibel», «motiviert», «belastbar», «tolles Team» ...
Zudem hätten Kandidaten bei der Interpretation von Stellenausschreibungen oft «einen steinigen und schweren Weg vor sich», meint Knabenreich. So müssten sich Bewerber öfters mit unverständlichen Stellentiteln auseinandersetzen – etwa «Ressourcenmanager» oder «Assistent Reservierung Spezial AVBK» oder gar sein Aufgabengebiet interpretieren, wenn von ihm «Allroundfähigkeiten» verlangt werden.
Doch nicht nur Redundanzen, Floskeln und rätselhafte Stellentitel vergraulen die Bewerbenden, sondern auch fehlende Kontaktangaben: «Sucht ein Bewerber einen Ansprechpartner oder eine Webadresse, wird er oft nicht fündig», so Knabenreichs Beobachtung. Und auch Lohnnebenleistungen, mit denen der Arbeitgeber punkten könnte, würden in Stelleninseraten erstaunlicherweise kaum erwähnt.
HR unter Zugzwang
Beherrscht das HR seinen Job nicht? «Das HR steht unter Zugzwang», gibt Ivo Hajnal zu bedenken. «Austauschbare Inserate kommen oft so zustande, weil das HR einerseits nicht über die notwendige Schreibinspiration verfügt, zugleich aber bei der Gestaltung des Stelleninserates die Wünsche unterschiedlichster Stakeholder aus der Linie oder der Unternehmenskommunikation berücksichtigen muss. Am Schluss entsteht dann eben ein Text, der einen Kompromiss darstellt.» Zudem werde oft vergessen, dass Unternehmen viele fremde Plattformen nutzen, die es technisch verunmöglichen, Stelleninserate differenziert zu gestalten. Etwa dann, «wenn sich das Unternehmen auf fremden Plattformen wie Xing, Linkedin oder Facebook bewegt und damit dessen Regeln unterworfen ist».
Trotz dieser Sachzwänge liessen sich zumindest viele Worthülsen umgehen, «indem das Unternehmen die Aufgaben konkret und praxisnah umschreibt», so die Empfehlung von Henner Knabenreich. Das erreiche man am besten, wenn man sich im Vorfeld die richtigen Fragen stelle. Etwa: «Weshalb soll ein Bewerber ‹teamfähig› oder ‹belastbar› sein? Für welche Aufgaben benötigt er diese Eigenschaften?»
Die Formulierungen sorgfältig zu hinterfragen, fordert auch Ivo Hajnal: «Je präziser ein Stelleninserat formuliert ist, desto einfacher fällt es, den richtigen Gesprächspartner zu finden.» Das erreiche man, «indem man die richtigen Fragen stellt, die Kandidaten als Experten anspricht oder wünschenswerte Zustände schildert und vor allem, indem man einen Dialog herstellt.»