Am gleichen Strick ziehen
Allzu oft arbeiten IT und HR nicht zusammen, wenn es um die digitale Transformation im Unternehmen geht. Das Fallbeispiel des Migros-Genossenschafts-Bunds (MGB) zeigt die Vorteile einer solchen Kooperation.
Mitarbeitende sollen gehegt und gepflegt werden. Erfolgreiches Personalentwicklung bedingt aber auch eine gewisse Flexibilität der Arbeitnehmenden. (Bild: iStock)
Zu langsam, zu teuer, zu wenig innovativ. Ein Ruf, der vielen IT-Abteilungen anhaftet, so auch jener des MGB. Im Zeitalter der digitalen Transformation keine idealen Voraussetzungen, um als Technologiepartner mit dem HR die Zukunft zu gestalten. Um den Wandel der IT vom klassischen Service Provider zum Business-Innovationspartner voranzutreiben, gründete der MGB 2019 die Abteilung «Organisation, Skill & Resource Management», welche die digitale Transformation des Betriebs zusammen mit der Linie und dem HR unterstützen soll. Die Entwicklung der notwendigen (digitalen) Kompetenzen ist dafür ein elementarer Bestandteil.
«Digitale Tools»
Ein erster Schritt bildet die Digitalisierung der Zusammenarbeit. Digitale Arbeitsmittel sollen den Mitarbeitenden beim MGB dazu dienen, orts- und zeitunabhängig zusammenarbeiten. Um diese effektiv und effizient einzuführen, arbeiten HR und IT beim MGB co-verantwortlich zusammen. Etwa beim organisationsweiten Rollout von Microsoft Office 365. Dadurch ist die mit dem digitalen Arbeitsmittel bezweckte Kulturentwicklung von Anfang an ein integraler Bestandteil.
«Digitale Strategie»
Damit die Transformation zum Business-Innovationspartner gelingt, hat die IT mit einigen Herausforderungen zu kämpfen. Denn die erforderlichen strategisch notwendigen Kompetenzen von Mitarbeitenden lassen sich nicht vom HR definieren. Vielmehr hat das HR die Rolle eines Ermöglichers.
Deshalb entwickelt die MGB-IT-Leitung zusammen mit HR jährlich ein Zielbild der innerhalb der IT notwendigen Kompetenzen. Dieses wird monatlich besprochen und wenn nötig angepasst. Anschliessend werden daraus Massnahmen abgeleitet, um diese Kompetenzen aufzubauen. Beispielsweise mit der Rekrutierung neuer Mitarbeitenden oder durch zusätzliche Re- und Upskill-Programme anhand eines detaillierten Bedarfsplans. In seiner digitalen Strategie entwickelt der MGB beispielsweise neue Stellenprofile wie Enterprise-Architekt, Service Manager oder passt Stellenprofile an – etwa der SAP Spezialisten. Um Mitarbeitende für diese damit einhergehenden Veränderungen zu wappnen, hat der MGB ein Entwicklungsprogramm geschaffen.
Beispielsweise für Service Manager, die nun die Gesamtverantwortung für den IT-Service tragen. Das auf die veränderten Stellenprofile abgestimmte Weiterbildungsprogramm umfasst verschiedene Module, durch die Mitarbeitende einen kurzen Einstieg in die Theorie erhalten und elementares Basiswissen mit offizieller Zertifizierung (ITL 4, SIAM) durch Learning Videos vermittelt bekommen. Dazu zählen weiterführende Lernworkshops sowie ein individuelles Coaching und Mentoring durch erfahrene Service Manager. Entstanden ist das Entwicklungsprogramm in enger Zusammenarbeit des HR und der IT mit einer Fachkommission, der Community of Practice für Service Management, die bei der Bedarfsanalyse und der Trainingsausgestaltung ihr Praxiswissen eingebracht hat.
«Digitale Welt»
Die beschriebenen Massnahmen zum digitalen Wandel betreffen nicht nur die IT, sondern das ganze Unternehmen. So benötigen Mitarbeitende Kompetenzen, die sie in einem stark digitalen und dynamischen Umfeld von Maschinen und Algorithmen abheben, beispielsweise Problemlösungskompetenz, Kreativität, kritisches Denken, Kollaborationskompetenz, Lern- und Veränderungskompetenz oder eine generelle Alphabetisierung im digitalen Umfeld («digital literacy»). Auf der anderen Seite müssen kulturelle Rahmenbedingungen angepasst werden, um den Erfolg von Organisationen zu ermöglichen. Das heisst beispielsweise, schnelle Entscheidungswege zu schaffen, den Mut haben, Neues auszuprobieren und daraus zu lernen, um sich zu verbessern. All das gelingt jedoch nur, wenn eine Vertrauenskultur vorherrscht und nicht bevormundende Kontrollsysteme den Menschen das eigenständige Denken abgewöhnen.
Um die kulturellen Grundlagen dafür zu schaffen und die allgemeinen Kompetenzen der Mitarbeitenden zu fördern, hat der MGB verschiedene Vorhaben realisiert. Mit der Leadership-Initiative haben Führungskräfte an einem zweitägigen Weiterbildungskurs beispielsweise neue Prinzipien der Führung und Zusammenarbeit entwickelt, um Mitarbeitenden die Grundlagen des transformalen Führens zu vermitteln. Daneben kuratiert der MGB Bildungsangebote auf einer neuen Lernplattform, die sich an modernen Methoden wie dem selbstgesteuerten Lernen, dem Blended Learning, orientieren.
Angeboten werden auf dieser Lernplattform ausserdem Bildungsmassnahmen zu Themen wie Kundenzentrierung, Agilität, Design Thinking, Beratungskompetenz, Kommunikationskompetenz oder digitale Alphabetisierung. Die Lernangebote reichen von kurzen digitalen E-Learning-Sequenzen mit Einführung ins Thema bis hin zu Angeboten zur Vertiefung mit Präsenzveranstaltungen und Coaching-Angeboten.
Erkenntnisse aus dem Fallbeispiel
Zusammengefasst: Die Entwicklung von «digitalen Kompetenzen» ist ein Kernelement für die erfolgreiche digitale Transformation des MGB. Die Zusammenarbeit der IT und HR befruchten sich gegenseitig, da die «organisationale» und die «technische» Expertise gleichermassen nötig sind, um die digitale Transformation zu bewältigen. Im aufgezeigten Fallbeispiel des MGB lassen sich beispielsweise drei konkrete Tipps für die eigene Unternehmenspraxis ableiten:
- Tipp 1: Die Einführung digitaler Arbeitsmittel («digitale Tools») gelingt in Zusammenarbeit von HR und IT besser. Bei der Migros zeigt sich beispielsweise, dass die Co-Verantwortung den Rollout von Microsoft Office 365 von einem IT-Projekt zu einer Kulturentwicklungsmassnahme wandelte. Dadurch wurden Entwicklungsmassnahmen im Projekt von HR und der IT geplant und umgesetzt. Damit konnte vermieden werden, dass Kompetenzen im Umgang mit digitalen Arbeitsmitteln nachträglich und ohne Projektorganisation mühsam entwickelt werden mussten.
- Tipp 2: Strategische Kompetenzen sind ein kontinuierlicher Auftrag der Linie, wie auch das Re- oder Upskilling der Mitarbeitenden, damit die Transformation der IT vom Service Provider zum Innovationspartner des Business gelingt. Diesen Auftrag kann die Linie allerdings nur wahrnehmen, wenn sie vom HR in Projekten zur Personalentwicklung wie bei der Ausbildung der Mitarbeitenden im Service Management unterstützt wird. Andererseits kann das HR die Leitungsteams der Linie als Business-Partner darin unterstützen, den Kompetenzbedarf auf einer strategischen Ebene zu diskutieren. Beim MGB dient der IT-Leitung beispielsweise ein Dashboard mit den wichtigsten Kennzahlen dazu, auf taktischer und operativer Ebene eine bessere Übersicht zum strategischen Personalbedarf zu gewinnen und daraus konkrete Massnahmen abzuleiten.
- Tipp 3: Kompetenzen für eine «digitale Welt» sind die Grundlagen für ein erfolgreiches Unternehmen. Die Erfahrung zeigt beim MGB, dass die Führungskräfte zentrale Stellhebel bei der Transformation des Unternehmens sind. Aus diesem Grund setzt der MGB mit seiner Leadership-Initiative bei den Führungskräften an. Diese sollen als Skalierer und Multiplikatoren einen gemeinsamen, kulturellen Rahmen in der Organisation fördern. Die Führungskräfte sind allerdings nur der Anfang. Für Mitarbeitende braucht es ebenso anregende und angemessene Lernangebote, damit sie in einer digitalen Welt erfolgreich sein können.
Digitale Kompetenzen entwickeln
Die als «digitale Tools» bezeichnete erste Dimension beinhaltet einen kompetenten Umgang mit digitalen Arbeitsmitteln. Diese verändern sich laufend und sind sehr funktionsspezifisch.
Die zweite Dimension «digitale Strategie» umfasst all jene Kompetenzen, die für ein Unternehmen essenziell sind, um in der digitalen Welt erfolgreich zu sein. Dazu gehört beispielsweise der bedarfsgetriebene Re- bzw. Upskill von Mitarbeitenden, um eine auf die digitale Transformation ausgelegte Unternehmensstrategie erfolgreich in der Organisation einzuführen.
Zur dritten Dimension «digitale Welt» gehören jene Kompetenzen, die grundsätzlich und transfunktional relevanter werden. So führt beispielsweise die zunehmende Automatisierung dazu, dass Kommunikationskompetenzen, Kollaborationskompetenzen oder Problemlösekompetenzen für uns alle wichtiger werden.