Am Ziel
Nichts weniger, als das gesamte HR zu modernisieren, hat sich Diego Cicco als neuer Personalchef der Swica Gesundheitsorganisation zum Ziel gesetzt. Bei Generali, UBS und dem Seespital Horgen hat sich der Jurist mit Walliser Wurzeln dafür beharrlich das nötige Rüstzeug geholt.
Diego Cicco, HR-Leiter, Swica: «Der Headhunter musste mich zum Gespräch bei Swica überreden.» (Bild: Marcel Meury)
Auf dem Campus des schweizweit grössten Krankentaggeldversicherers Swica treffen im satten Grün einer weitläufigen Parkanlage Häuser aus der Jahrhundertwende auf moderne Bürokomplexe. Seit Mai 2016 ist dieser Ort die Wirkstätte des neuen Swica-HR-Leiters Diego Cicco. Der Kontrast zwischen Tradition und Moderne, zwischen Natur und Urbanität zieht sich auch wie ein roter Faden durch Ciccos Leben. In der «heilen» Walliser Bergwelt in Brig als Sohn einer Oberwalliserin und eines Italieners sowie als Enkel eines Romand dreisprachig aufgewachsen, ist die «Grossstadt» Zürich seit bald zwanzig Jahren sein Lebenszentrum. Wie passt das zusammen? «Ich bin nicht direkt nach Zürich gekommen», sagt Cicco in breitestem Walliserdeutsch, «sondern habe einen Umweg über Bern gemacht, wo ich Jura studiert habe.» Nach Zürich führt den bekennenden Bergler letztlich die Liebe zu einer Mitstudentin, die hier ihren ersten Job annimmt. Also startet auch er im Schweizer Wirtschaftszentrum seine Karriere. Zunächst als Auditor bei Ernst & Young, bevor er knapp 30-jährig in die Versicherungswelt zu Generali wechselt.
Es ist die Branche, der er in seiner beruflichen Karriere mit wenigen Unterbrüchen treu bleiben wird – trotz seines studentischen Schwurs, nie für eine Versicherung, eine Bank oder ein Treuhandunternehmen zu arbeiten. Es sei die Vielfalt der Berufe, die ihn an der Versicherungsbranche fasziniere. So auch bei seiner neuen Arbeitgeberin, der Swica Gesundheitsorganisation, wo er sich als HR-Chef dafür verantwortlich fühlt, dass so unterschiedliche Profile wie Care Manager Hand in Hand mit Controllern und Marketeers arbeiten. Als Personalchef des schweizweit grössten Krankentaggeldversicherers und Pionier des betrieblichen Gesundheitsmanagements hat für ihn aber auch der Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt eine grosse sinnstiftende Bedeutung.
Vertrauen auf Vorschuss
Nichts weniger, als «das gesamte HR von Swica zu modernisieren», hat sich der neue Swica-HR-Chef als ehrgeiziges Ziel gesetzt. So soll etwa die Personalbeschaffung auf neue Beine gestellt werden, Swica in einen ständigen Dialog zu potenziellen Mitarbeitenden treten und der Employer Brand des Versicherers gestärkt werden. Ein besonderes Augenmerk richtet Diego Cicco dabei auf die latent Suchenden, denn im Gegensatz zu Ländern wie Italien oder Spanien seien in der Schweiz viele Mitarbeitende ständig auf dem Absprung. Auch die Weiterentwicklung seines HR-Teams beschäftigt ihn. Um mit der Linie am Tisch zu sitzen, sie bei Reorganisationen zu beraten und Entwicklungen zu antizipieren, genüge es nicht mehr, ein «HR-Administrations-Team» zu sein. «Es sind andere und zusätzliche Kompetenzen gefragt», sagt Cicco. Um diese Veränderungen in seinem Team voranzubringen, ist es ihm wichtig, «eine Atmosphäre zu schaffen, wo jeder seinen Beitrag leisten, Erfolge feiern und in seiner Rolle aufblühen kann». Es gehe vor allem darum, den Mitarbeitenden Vertrauen in ihre Fähigkeiten zu schenken. Vertrauen schenken dürfe jedoch nicht bedeuten, «die Leute allein zu lassen und damit zu überfordern». Zwar gäbe es sicher viele Leute, die sich überschätzten, aber ebenso viele, die sich zu wenig zutrauten. Auch er sei froh gewesen, als sich nach seinem Berufseinstieg bei Generali die Gelegenheit ergab, die Stelle als Geschäftsführer von zwei Fondsleitungsgesellschaften zu übernehmen. Man habe ihm das Vertrauen entgegengebracht, dass er dies könne, obwohl er damals keinerlei Spezialwissen in diesem Fachgebiet hatte.
Vom Juristen zum Head of Training
Nach seinem Eintritt bei Generali arbeitet Cicco im juristischen Bereich und erklimmt die Karriereleiter bis zum Geschäftsführer Investment, bevor er ins HR wechselt. Der Einstieg ins HR geschieht eher beiläufig mit einem Anruf des CEO, der ihn um seine Meinung zu einem internen Revisionsbericht zur Aus- und Weiterbildung bittet. Ein umfangreiches Dokument von hundert Seiten, das Diego Cicco über Nacht durchliest. Ihm wird klar, dass ein grösseres Projekt zu lancieren ist: «Ich hatte 24 Stunden Zeit, um mich zu entscheiden, ob ich die Projektleitung übernehmen will.» Eine Chance, die Diego Cicco packt, wobei er immer noch dem Vertrieb unterstellt ist. Es ist der CEO persönlich, der ihn von allen bisherigen Verpflichtungen befreit und dafür sorgt, dass sich Cicco ausschliesslich diesem Weiterbildungsprojekt widmen kann. Vom Head of Training bringt es Diego Cicco in den folgenden zehn Jahren bis zum stellvertretenden HR-Leiter. Als der HR-Chefposten neu zu besetzen ist, stösst er jedoch an Grenzen, denn der CEO entscheidet sich für einen Linienvorgesetzten. Dieser Entscheid lässt in Diego Cicco den Entschluss reifen, das Unternehmen nach vierzehn Jahren zu verlassen.
Für seine weitere Karriere sollte sich dieser Entscheid jedoch als Glücksfall erweisen. Zwar sei der Neustart nicht einfach gewesen, denn ausserhalb der ihm bekannten Generali-Welt habe er sich ein neues internes Kontaktnetz aufbauen, sich in eine neue Unternehmenskultur einleben und sich neue Abläufe und Fachkenntnisse aneignen müssen. Habe man diese Herausforderungen aber gemeistert, werde man offener für Veränderungen. Sein nächster beruflicher Schritt führt ihn von Generali zu UBS, wo er als Leiter Employee Relations Manager tätig wird. «Ich wollte mir meinen HR-Rucksack füllen, um irgendwann die HR-Leitung in einem Unternehmen zu übernehmen», so Ciccos erklärtes Ziel. Zwar habe er bei Generali beinahe alle HR-Themen bearbeitet, «eine grössere Restrukturierung oder einen massiven Stellenabbau hatte ich aber noch nie durchgeführt.» Auch mit Gewerkschaftsvertretern habe er kaum zu tun gehabt. «Das konnte ich bei UBS als Leiter Employee Relations zur Genüge ausleben und das in einem internationalen Umfeld.» Während seiner zweijährigen Station bei UBS beschäftigt sich Cicco mit einer HR-Weiterbildung und erlangt an der HWZ Zürich bei Matthias Mölleney einen Master of Advanced Studies in Human Resources Leadership – stets mit dem klaren Ziel vor Augen, sich auf die Aufgabe einer HR-Leiter-Funktion vorzubereiten.
Zur Person
Diego Cicco (46) wächst in Brig auf und besucht dort Primarschule und Gymnasium. 1992 beginnt er an der Universität Bern ein Jus-Studium und steigt danach in Zürich bei Ernst & Young ein. Es folgt ein Wechsel zum Versicherungsunternehmen Generali, wo er verschiedene juristische Stellen innehat, bevor ihm mit der Abwicklung eines Weiterbildungsprojekts der Einstieg ins HR gelingt. Nach verschiedenen Stationen im Personalbereich wird er 2011 zum stellvertretenden HR-Leiter befördert. 2014 wechselt er als Leiter Head Employee Relations Schweiz zu UBS und absolviert zeitgleich einen MAS in Human Resources Leadership. Anfang 2016 tritt er beim Seespital Horgen die Stelle als Leiter HR an, die er jedoch nach drei Monaten verlässt, um seine aktuelle Position als HR-Leiter bei Swica anzunehmen. Diego Cicco ist Vater eines zweijährigen Sohnes und lebt mit seiner Familie in Adliswil.
Stellenwechsel mit Gewissensbissen
Sein Wunsch geht bald nach dem Abschluss seines HR-Studiums in Erfüllung: Im Februar 2016 wechselt Diego Cicco von UBS zum Seespital Horgen und Kilchberg, wo er die HR-Leitung übernimmt und damit 1100 Mitarbeitende betreut. Besonders prägen ihn dort die Spannungen zwischen den verschiedenen Berufsgruppen. Etwa dann, wenn der Finanzleiter einem Chefchirurg erklären will, weshalb man keine neue Abteilung aufbauen oder kein neues technisches Gerät kaufen kann. «Ein Mediziner denkt nicht in erster Linie an einen Business-Case, sondern daran, was man für den Patienten sonst noch tun kann.» Als Personalleiter müsse man genau zwischen solchen unterschiedlichen Denkweisen vermitteln können: «Ich musste Brücken bauen zwischen einem ökonomisch denkenden Direktorium, patientenorientierten Ärzten und altruistisch motivierten Pflegenden.»
Im April 2016 ist dieses Kapitel für Diego Cicco noch vor Ablauf der Probezeit bereits wieder abgeschlossen. Ein Headhunter wirbt ihn für die HR-Leiterstelle bei Swica ab. Der Seitenwechsel vom Seespital zu Swica erfolgt jedoch nicht ganz ohne Gewissensbisse: «Der Headhunter musste mich zum Gespräch bei Swica überreden.» Allerdings sei er bald Feuer und Flamme gewesen. Besonders, weil ihm in Aussicht gestellt wird, in allen Landesteilen tätig zu sein und damit zwischen den unterschiedlichen Schweizer Kulturen vermitteln zu können. Als Walliser, der sich öfters «ännet des Röstigrabens» bewegt, habe er «eine Sensibilität für Minderheiten» und aufgrund seiner Herkunft eine kulturelle Nähe zu den italienisch-, französisch- oder deutschsprachigen Mitarbeitenden in den acht Regionaldirektionen.
Gratulation zum Weggang
Cicco sieht sich gegenüber seinen Mitarbeitenden als Coach, der sie in ihrem Selbstvertrauen stärkt, sich mit ihnen austauscht, Wertschätzung zeigt und auch Verständnis für belastende Privatsituationen hat: «Wir sind alles Menschen, die ein Privatleben haben, und dieses hängt man im Job ja nicht an die Garderobe.» Das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer basiert für Cicco auf einem «Geben und Nehmen». Es gäbe einfach Phasen, in denen ein Mensch leistungsfähiger sei als in anderen. Dann gehe es darum, eine positive Sichtweise beizubehalten.
Nebst dem Coaching von Mitarbeitenden ist es für Cicco auch eine herausfordernde Aufgabe, Menschen ziehen zu lassen. «Das können nicht alle Führungskräfte.» So seien manche regelrecht beleidigt, wenn jemand kündige. Für ihn bedeute eine Kündigung nur, dass jemand anderswo mehr Entwicklungsmöglichkeiten sehe. Deshalb gratuliere er seinen Mitarbeitern bei einem Weggang. «Ich habe die Kündigung eines Mitarbeitenden nie persönlich genommen.» Man komme in ein Unternehmen, leiste seinen Beitrag und gehe dann wieder, wenn der Leistungszyklus beendet sei. Wichtig sei, dass «Mitarbeitende immer neue Anreize haben», ob innerhalb eines Teams, einer Firma oder bei einem anderen Unternehmen. Seine eigene Biografie zeugt davon.
Nebst der Weiterentwicklung seines HR-Teams, dem Recruiting und dem Employer Branding will Cicco bei Swica das HR auch intern stärken: Damit neue Prozesse und Instrumente von der Linie als Mehrwert und nicht als Schikane empfunden werden, müsse HR kommunizieren, weshalb es etwas tue, und die Führungskräfte in der Anwendung schulen, aber auch bei der Umsetzung begleiten. Schliesslich gehe es um die Gleichbehandlung von Mitarbeitenden, um Fairness und Transparenz. Er habe gelernt, damit umzugehen, dass bei Mitarbeitenden nicht alle seiner HR-Entscheidungen auf Begeisterung stossen: «Wenn man etwas verändert, gibt es immer gefühlte Gewinner und Verlierer.» Das müsse man gelassen nehmen: «Man kann es nie allen recht und nie alles perfekt machen.»
Swica
Die Swica Gesundheitsorganisation mit Sitz in Winterthur gehört zu den grössten Kranken- und Unfallversicherern der Schweiz. Swica zählt schweizweit rund 1700 Mitarbeitende mit 1,3 Millionen Versicherten und 26 750 Unternehmenskunden. Als einer der ersten Träger des Labels «Friendly Work Space» von Gesundheitsförderung Schweiz hat sich Swica schon früh dem Thema Gesundheit von Mitarbeitenden verpflichtet und wurde 2015 bereits zum dritten Mal mit dem Label ausgezeichnet.