HR Today Nr. 11/2021: Schwerpunkt – Pandemie: Ausblicke

Arbeitsmodelle von Morgen

Wie und von wo wir arbeiten, veränderte sich teils schon vor Pandemieausbruch. Noch herrscht in den meisten Unternehmen Unklarheit darüber, wie neue Arbeitsmodelle aussehen könnten. Die Personalverantwortlichen von AXA Schweiz und der Ringier AG über künftige Arbeitswelten. Ausserdem: Der Branchenverband HotellerieSuisse und der Verein Work Smart Initiative lancierten diesen Juli das Projekt «work-here», das flexibles Arbeiten auch in Hotels, Cafés und Eventlocations fördert.

AXA Schweiz: Das «Smart Working»-Arbeitsmodell

«Flexible Arbeitsmodelle wie Teilzeitarbeit oder Homeoffice sind bei uns seit Jahren etabliert», sagt Corina Merz, verantwortlich für Employer ­Attractiveness bei AXA Schweiz. Schon vor dem Lockdown im März 2020 arbeiteten 47 Prozent aller Mitarbeitenden regelmässig im Homeoffice. «Durchschnittlich einen Tag pro Woche.» Als Folge der Pandemie ergänzte der Versicherungsdienstleister im letzten Oktober seine bisherigen Arbeitsmodelle mit dem «Smart Working»-Prinzip: «Teams können nun selbst entscheiden, wann und wo sie arbeiten. Einzig die betrieblichen Bedürfnisse, eine produktive Teamzusammenarbeit und individuelle Präferenzen bestimmen den Arbeitsort», erklärt Merz. Einhergehend mit dem neuen Arbeitsmodell erhalten AXA-Mitarbeitende unabhängig von ihrem Beschäftigungsgrad jedes Jahr ausserdem 200 Franken. «Diese Pauschale können sie für die ergonomische Ausstattung ihres heimischen Arbeitsplatzes einsetzen oder um die laufenden Homeoffice-Kosten zu decken.» AXA-Mitarbeitende erhalten diese Entschädigung auch dann, wenn sie mehrheitlich in den Räumlichkeiten des Versicherungsdienstleisters arbeiten. «Hier können sie die 200 Franken beispielsweise für Noise-Cancelling-Kopfhörer für ruhiges Arbeiten im Grossraumbüro einsetzen», sagt Merz.

Sich selbständig or​ganisieren

Entschieden habe sich AXA Schweiz für das «Smart Working»-Arbeitsmodell, weil es den modernen Arbeitsgewohnheiten und dem Bedürfnis nach vermehrtem Homeoffice entspreche, sagt Corina Merz. «Das hat in der Corona-Krise zugenommen und viele AXA-Mitarbeitende wollen auch weiterhin zwei bis drei Tage von zu Hause aus arbeiten», konstatiert die Verantwortliche für Employer Attractiveness. Die Lancierung des neuen Arbeitsmodells sei bei den Mitarbeitenden gut angekommen und erste Umsetzungsschritte seien bereits im Gange. «Unsere Teams machen sich heute schon Gedanken darüber, wie sie sich nach Aufhebung der aktuell gültigen Schutzkonzepte nach dem ‹Smart Working›-Prinzip organisieren möchten», sagt Merz. In selbstorganisierten Teamworkshops hätten Mitarbeitende beispielsweise geklärt, ob sie sich regelmässig zu einem Teamtag treffen und welche Meetings künftig virtuell, physisch oder hybrid stattfinden sollen. «Um die Büroinfrastruktur zu planen und bei Bedarf anzupassen, stehen wir mit den Mitarbeitenden zudem ständig im Dialog und holen ihre Feedbacks ein.» Noch ist das neue Arbeitskonzept nicht komplett umgesetzt: «Die aktuellen Schutzbestimmungen sind bei der Bürobelegung weiterhin zu beachten, deshalb arbeitet ein grosser Teil unserer Mitarbeitenden nach wie vor remote.»

Ringier AG: Die «Mobile Office Policy»

Vor der Pandemie hätten die meisten Mitarbeitenden im Medienunternehmen Ringier vor Ort gearbeitet, erzählt Chief People Officer Susanne Jud. «Nur einzelne Abteilungen und Teams waren gelegentlich im Homeoffice.» Diesen Arbeits-Status-quo warf die Pandemie im März 2020 über den Haufen: Von da an waren die über 7000 Ringier-Beschäftigten überwiegend im Homeoffice. Eine Veränderung, welche die Mitarbeitenden mehrheitlich schätzten, wie eine Umfrage bei den CEOs der einzelnen Ringier-Gesellschaften wie Blick oder Radio Energy Anfang 2021 ergab. «Gemäss der Befragung wollen unsere Mitarbeitenden auch nach der Pandemie zwei bis drei Tage pro Woche zu Hause arbeiten.» Deshalb entschied das oberste Firmenorgan, das Group Executive Board der Ringier AG, mobiles Arbeiten nach Ende der gesetzlichen Homeoffice-Pflicht zu einem festen Teil der Arbeitskultur in der Schweiz zu machen.

Regelmässiger Austausch bleibt

Per 1. September 2021 lancierte Ringier deshalb eine neue «Mobile Office Policy», die das Beste aus der Homeoffice-Zeit mit dem Besten der traditionellen Office-Welt verbinden soll, betont die Chief People Officer. «Damit unsere Mitarbeitenden dort arbeiten, wo sie sich konzentrieren können, sich wohlfühlen und die Infrastruktur gesundes Arbeiten zulässt.» Das bedeute: Anwesenheit im Büro (zu mindestens 40 Prozent) oder an einem individuell gewählten Arbeitsort (bis zu 60 Prozent). «Dadurch soll es zu keiner Entfremdung kommen. Mitarbeitende können sich trotz flexibler Arbeitsmodelle weiterhin austauschen. Solche Teamtage sind wichtig für unsere Kultur», sagt Susanne Jud. Eine Homeoffice-Pflicht gibt es dagegen nicht: «Wer lieber 100 Prozent im Büro ist, kann das nach wie vor tun.»

Noch ist die «Mobile Office Policy» bei Ringier nicht implementiert: «Leider hat sich unsere Hoffnung nicht erfüllt, dass sich die Corona-Lage bis zum Herbst entspannt.» Somit gelten bei Ringier weiterhin verbindlichen Schutzmassnahmen und eine Office-Belegung von maximal 50 Prozent. «Sobald es wieder möglich ist, schalten wir in den ‹Mobile Office›-Modus um», betont Susanne Jud. Weitere Veränderungen schliesst sie bei den Arbeitsmodellen nicht aus: «Die letzten anderthalb Jahre haben uns gezeigt, dass man flexibel bleiben und sich der jeweiligen Situation anpassen muss.»

Weniger Leerzeiten

«Mit ‹work-here› bieten wir Arbeitnehmenden qualitativ gute und bezahlbare Abeitsplätze ausserhalb des Büros und des Privatbereichs», erzählen Danny Schweingruber, Co-Präsident der Work Smart Initiative, und Vinzenz van den Berg, Fachspezialist Kommunikation bei HotellerieSuisse. Dafür werden bestehende Räumlichkeiten in Hotels, Cafés oder einer Eventlocation umgenutzt, die untertags wenig bis gar nicht frequentiert sind. «Wir wollten keine zusätzliche Infrastruktur aufbauen», betonen die beiden. Die Räumlichkeiten stehen Arbeitsplatzsuchenden für einen kurzen Zwischenstopp zwischen zwei Terminen, aber auch als ganztägiger Rückzugsort zur Verfügung: «Inklusive Getränken, Strom und WLAN.»

Unausgeschöpftes Pot​enzial

Aktuell finden sich rund 30 Gastgebende auf der Webseite von «work-here» (siehe Interview Schweizer Jugendherbergen). Konkrete Nutzerzahlen gäbe es jedoch nicht, da das Pilotprojekt erst angelaufen sei, sagen Schweingruber und van den Berg. «Die Nachfrage ist aber durchaus auszumachen.» Dass Menschen überall arbeiten und das Pendeln reduzieren wollen, belegen zudem verschiedene Studien: «2019 waren in der Schweiz rund 3,6 Millionen Menschen beruflich unterwegs. Der Zeitaufwand für einen Arbeitsweg betrug 30 Minuten.» Wege, welche Arbeitnehmende als Belastung empfänden, sagen Schweingruber und van den Berg. «Könnten sie das Pendeln reduzieren und ihre Aufgaben in der gleichen Qualität erledigen, wäre das für sie entlastend.»

Unter den teilnehmenden Gastgebern befinden sich vor allem solche aus der «gebeutelten» Stadthotellerie. Bei diesen soll es gemäss Schweingruber und van den Berg nicht bleiben: «Wir bauen unser Angebot kontinuierlich aus.» Dafür sei der Dialog zwischen Anbietern der Räumlichkeiten und potenziellen Kunden gefragt.

Schwieriges Fle​xwork

Obschon die Hotellerie externen Arbeitnehmenden Räumlichkeiten für flexibles Arbeiten bereitstellt, profitieren die eigenen Mitarbeitenden bislang wenig davon. Die Gründe: fixe Arbeitszeiten, Vor-Ort-Kundenservice oder Zimmerstunden. «Nicht alle Berufsgruppen eignen sich für flexibles Arbeiten», sagt van den Berg unumwunden. «Ein Koch oder eine Köchin wird nie ohne Küche kochen.» Allfällige Büroarbeiten könnten aber ortsunabhängig erledigt werden. Das eigne sich in Hotels vor allem für Angestellte im Backoffice. «Derzeit beschäftigen wir uns mit neuen Arbeitsmodellen und bieten unseren Verbandsmitgliedern Hand, wenn sie solche implementieren wollen», betont Vinzens van den Berg. Möglich werde das auch durch die Digitalisierung: «Beispielsweise, wenn Gäste zu Randzeiten selbst ein- oder auschecken.» work-here.ch

Die Schweizer Jugendherbergen beteiligen sich am Projekt «work-here». Director of Sales Katharina Leu über die Beweggründe.

Warum beteiligen Sie sich am Projekt «work-here»?
Katharina Leu: Die Schweizer Jugendherbergen sind immer auf der Suche nach neuen Trends. Tagsüber haben wir zudem genügend Platz und eine gute Infrastruktur, um mobiles Arbeiten zu ermöglichen. Gäste können somit bei uns arbeiten und ihren Aufenthalt mit Ferien und Freizeit kombinieren. Durch das Schweizer Jugendherbergen-Netzwerk können wir dieses Angebot zudem schweizweit anbieten.

Wie gut kam das Angebot an?
Durch die Einschränkungen der Corona-Massnahmen konnten wir dieses Angebot erst kürzlich kommunizieren. Gäste, die es bereits genutzt haben, waren jedoch sehr zufrieden.

Was versprechen Sie sich davon?
Wir wollen neue Kundengruppen ansprechen, die uns noch nicht kennen und nicht wissen, dass die Schweizer Jugendherbergen ein Ort für gemütliches Zusammensein sind.

Flexible Arbeitsmodelle auch bei den Jugendherbergen?
Der Grossteil unserer Mitarbeitenden arbeitet an der Front. Das erlaubt wenig Flexibilität. Gewisse Abläufe lassen sich in der Beherbergungsindustrie nicht von zu Hause aus

erledigen. Administrative Aufgaben schon eher.

 

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Christine Bachmann 1

Christine Bachmann ist Chefredaktorin von Miss Moneypenny. cb@missmoneypenny.ch

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