Betriebliches Gesundheitsmanagement – Massnahmen

Arztzeugnisse reloaded

Um Arbeitnehmende wiedereinzugliedern, benötigen Arbeitgeber medizinische Informationen. Oft sind diese jedoch nicht vorhanden. Mit dem «Detaillierten Arztzeugnis» das von Arbeitgeber- und Ärzteverbänden gemeinsam erarbeitet wurde, liegt nun erstmals ein Tool vor, das die Reintegration planbarer macht.

Fehlzeiten, die durch Krankheit oder Unfall entstehen, stellen einen wesentlichen unternehmerischen Kostenfaktor dar. Durch pauschale und undifferenzierte Arbeitsunfähigkeitszeugnisse geht mangels Absprache zwischen Arzt und Betrieb oft viel Arbeitsproduktivität verloren. Wiedereingliederungen erfolgen zu spät oder es wird nicht berücksichtigt, dass viele Arbeitnehmer trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung teil­arbeitsfähig sind. Das resultiert in vermeidbaren Ab­wesenheiten.

Detaillierte Arztzeugnisse

In immer mehr Kantonen werden detailliertere Arztzeugnisse ausgestellt. Diese ermöglichen eine präzisere Beurteilung der Arbeitsfähigkeit. Bisher gibt es solche Arztzeugnisse in St. Gallen, Solothurn, im Aargau und in den beiden Basel. Neu sollen sie auch in der Zentralschweiz eingeführt werden. Die Kosten für ein detailliertes Arztzeugnis belaufen sich auf 65 Franken, die vom Arbeitgeber zu bezahlen sind. Auf Wunsch des Arztes stellt der Arbeitgeber eine Arbeitsplatzbeschreibung aus, die detaillierte Angaben über die Tätigkeit des Mitarbeiters enthält. Die Erstellung eines detaillierten Arbeitsunfähigkeitszeugnisses setzt jedoch das Einverständnis des Betroffenen voraus.

Arztzeugnis und Arbeitsplatzbeschreibung: http://www.swiss-insurance-medicine.ch

Kürzer ist oft besser

Bei einem jungen Kaufmann, der einen Beinbruch erlitten hat und einen Gips trägt, ist etwa nur die Frage des Arbeitswegs zu klären. Besteht eine Mitfahrgelegenheit, kann er problemlos im Büro arbeiten. Dazu muss sein Arbeitsplatz so angepasst werden, dass er trotz Handicap bequem und ergonomisch sitzt. Das Bein hoch zu lagern reicht schon. Eine Heilung durch die frühzeitige Arbeitsaufnahme lässt sich unter kontrollierten Bedingungen oftmals sogar beschleunigen. Zum Beispiel nach einem handchirurgischen Eingriff, wenn der Betroffene seine Hand regelmässig bewegen muss. Auch bei vielen psychischen Erkrankungen hat ein Wiedereinstieg nach kurzer Abwesenheit am Arbeitsplatz oft eine stabilisierende Wirkung und sichert die längerfristige Arbeitsfähigkeit. Um die Wiedereingliederung zu planen und Einsatzmöglichkeiten abzuschätzen, benötigt der Arbeitgeber jedoch medizinische Informationen.

Dafür stellt das detaillierte Arztzeugnis, das von Arbeitgeber- und Ärzteverbänden gemeinsam erarbeitet wurde, ein geeignetes Instrument dar. Es muss vom Arbeitgeber beschafft werden und ist auf der Website der Swiss Insurance Medicine (SIM) downloadbar. Die Kosten für die Ausstellung des Arztzeugnisses trägt der Arbeitgeber.

Mit dem Ausfüllen eines detaillierten Arztzeugnisses teilt der behandelnde Arzt dem Arbeitgeber mit, welche Tätigkeiten der Mitarbeitende nicht ausführen darf oder welche nur bei reduzierter Arbeitsfähigkeit zulässig sind, ohne ihn zu gefährden. Dies beinhaltet auch, welche körperlichen Belastungen zu reduzieren sind. Ob jemand beispielsweise Lasten von zehn Kilogramm ab Boden oder ab fünf Kilogramm über Schulterhöhe hantieren darf. Dazu muss der Arbeitgeber aber auch Transparenz schaffen und dem Arzt mitteilen, welche betrieblichen Anforderungen und Möglichkeiten bestehen. Dazu hat die SIM das Formular «Arbeitsplatzbeschreibung» entwickelt.

Reintegration gelungen – dank Gesundheitsmanagement

Die Reintegration nach Krankheit oder Unfall gelingt am besten im Rahmen eines Gesundheitsmanagements, indem die Ziele, die Zuständigkeiten und die Abläufe in Bezug auf die Gesunderhaltung und Gesundheitsförderung festgehalten sind. Dazu gehört die lückenlose Erfassung von unfall- oder krankheitsbedingten Fehlzeiten, ein frühzeitiges, unterstützendes Eingreifen bei wiederkehrenden oder länger dauernden Gesundheitsproblemen und der Beizug von medizinischen Fachleuten. Immer häufiger sind Betriebe auch von psychischen Problemen bei Mitarbeitenden betroffen. Dabei reicht auch ein detailliertes Zeugnis häufig nicht aus, um die notwendigen Massnahmen im Betrieb zu veranlassen.

Betriebsärzte oder überbetrieblich tätige Arbeitsmediziner bieten bei komplexeren Fragen Unterstützung. Wie bei anderen Krankheitsbildern bilden Arbeitsärzte das Bindeglied zwischen Betrieb, Mitarbeitenden und behandelnden Ärzten. Bei Vorliegen einer Einverständniserklärung des Mitarbeitenden kann der Arbeitsmediziner Abklärungen vornehmen, um Massnahmen am Arbeitsplatz zu erarbeiten, die Qualität der Therapie zu überprüfen, die Reintegration fachlich zu unterstützen oder Arbeitsunfähigkeitszeugnisse auf Unklarheiten oder Mängel zu kontrollieren. Nach Rücksprache mit dem Arbeitgeber kann bei Bedarf ein Coaching oder ein Case Management herangezogen werden.

Checkliste

Um Mitarbeitende möglichst rasch wieder im Betrieb zu integrieren, sollte möglichst proaktiv gehandelt werden. Folgendes gilt es dabei zu beachten:

  • Abläufe bei krankheits- und unfallbedingten Fehlzeiten festlegen und diese intern kommunizieren. Das beinhaltet die Meldung an den Vorgesetzen, die Regelung, ab wann der Mitarbeitende ein Arztzeugnis einreichen muss, bis hin zum Rückkehrgespräch.
  • Bei Abwesenheiten durch Krankheit oder Unfall, die länger als sieben Tage dauern, gilt es, den Arzt proaktiv über den Mitarbeitenden zu informieren und ein Stellenanforderungsprofil zu erstellen. Dazu sind die physischen und psychischen Belastungen am ursprünglichen oder alternativen Arbeitsplatz zu schildern. Dazu kann das Formular «Arbeitsplatzbeschreibung» verwendet werden. Die darin gemachten Angaben ermöglichen es dem Arzt, die Arbeitsunfähigkeit korrekt einzuschätzen.
  • Bei einer länger andauernden Arbeitsunfähigkeit sollte die verbleibende Arbeitsfähigkeit durch einen Arzt eingeschätzt werden, damit diese im Unternehmen optimal genutzt werden kann. Im Arbeitsunfähigkeitszeugnis ist ersichtlich, welche Arbeitsintensität oder Anwesenheitszeit zumutbar ist, zudem sind dort mögliche Leistungs- oder Funktionseinschränkungen des Mitarbeitenden festgehalten.
  • Im Arztzeugnis sollten Angaben über die Dauer der Arbeitsunfähigkeit oder das Datum der nächsten Beurteilung enthalten sein.

 

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Dr. med. Urs Hinnen ist als Arbeitsmediziner im Zentrum für Arbeitsmedizin, Ergonomie und Hygiene (AEH) tätig. Das Unternehmen bietet Dienstleistungen zur Erhaltung und Förderung von Gesundheit, Motivation und Produktivität im Betrieb an. www.aeh.ch

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