Auf zur Chancenkultur
Störungen und Krisen als Chance für die Zukunft sehen, scheitern lernen und eine auf Vertrauen basierende Unternehmenskultur schaffen – ein Blick in die Zukunft mit Florian Kondert, CEO der Future Day GmbH.
HR Today Nr. 9/2019: Fehlerkultur. Fehler machen, daraus lernen und wie der Phönix aus der Asche auferstehen. (Bild: 123rf)
Alle sprechen von Fehlerkultur. Zukunftsforscher Florian Kondert nicht: «Für mich ist dieser Begriff nicht stimmig. Denn ein Fehler liegt in der Vergangenheit. Wir können ihn nicht rückgängig machen. Somit gibt es ausser Betroffenheit und der Schuldfrage keine weiteren Räume zu untersuchen.» Viel lieber möchte er den Begriff der Chancenkultur kultivieren. Dieser eröffne neue Räume und zwar ohne dass die Präsenz eines Fehlers ignoriert werden müsse. «Aus Fehlern lernt man, das wissen wir alle. Möglich ist das aber nur, wenn wir diese offenlegen. Wir müssen aufhören, Fehler zu verstecken oder gar zu verharmlosen», betont Kondert. Damit das gelinge, brauche es in der Führungsetage starke Katalysatoren. «Wenn die Signale nicht von oben kommen, werden Mitarbeitende nie eine neue Haltung einnehmen.»
Radikale Akzeptanz
Selbstredend übernimmt der Zukunftsforscher unternehmensintern bei diesem Thema eine Vorbildfunktion: «In meiner Position und aufgrund meiner Profession fälle ich extrem viele Entscheide und muss Optionen auskundschaften sowie jene ausprobieren, die es wert sind, tiefer erforscht zu werden. Ich bin also per se anfällig fürs Scheitern und Fehlermachen.» Deshalb setze er aufs Konzept der radikalen Akzeptanz: «Ich anerkenne und mache in meinem Team transparent, dass meine Handlungen und Entscheidungen bei Weitem nicht fehlerfrei sind.» Insbesondere in den ersten Stadien. Deshalb versuche er, früh ins Extreme zu gehen. Scheitere ein Ansatz, sei er froh, das schnell zu erkennen und zumindest einen bestimmten Weg nicht mehr weiterverfolgen zu müssen. «Das spart mitunter viele Ressourcen.»
Anders verhalte es sich indes bei Kundenprojekten, gibt Kondert unumwunden zu. «Hier geht meine persönliche Fehlertoleranz gegen null.» Doch egal ob beim Kunden oder bei internen Entscheidungen: «Wer demütig ist und erkennt, dass Perfektion ein seltenes Zufallsprodukt ist, kann Vorkehrungen treffen, um eigene Schwächen zu kompensieren.» Das wiederum bringe den Aspekt der Verletzbarkeit ins Spiel: Für eine konstruktive Auseinandersetzung mit Fehlern sei Vertrauen in sich selbst und in andere unerlässlich – sozusagen als physiologische Grundlage für Stabilität. «Meine Mitarbeitenden werden aufgefordert, kritisch mit meinen Impulsen umzugehen. Sie wissen, dass wir alle gemeinsam Verantwortung tragen. Ich brauche ihre Hilfe, genauso wie sie meine.» Das führe zu einer starker Verbundenheit.
Krisen sind Chancen
«Das Management von morgen braucht eine Neukonfiguration nach dem Ansatz der Antifragilität, um erfolgreich in die Zukunft zu navigieren», so Kondert. Das bedeute, dass sich Systeme beziehungsweise Unternehmen meist nur verändern, wenn sie mit einer Krise konfrontiert sind. In Unternehmen gelte eine solche als Worst-Case-Zustand, der unter allen Umständen vermieden werden müsse.
«Menschen verhalten sich in einer Krise, als ob sie einen Tornado überlebt hätten. Das ist paradox, weil das Signal der Krise den Drang darstellt, in eine neue Phase zu wechseln und eine Chance für eine besseren Neukonfiguration ist», sagt der Zukunftsforscher.
Doch wie kann die Fehler- beziehungsweise Chancenkultur institutionalisiert werden? «Die Digitalisierung kann durchaus als Hebel wirken. Allerdings gehen wir oft von falschen Voraussetzungen aus.» Etwa davon, dass die Motivation primär extrinsischer Natur sei. «Unternehmen experimentieren mit Leadership-Boards bei Ideenwettbewerben, vergeben Preise für die häufigsten Beiträge oder Ähnliches.» Dabei seien intrinsische Faktoren weit wirksamer und nachhaltiger.
Positive Auswirkungen auf die Chancenkultur ergeben sich, wenn sich Unternehmen nicht zu schnell mit Lösungen befassen. «Mit der Suche danach verpassen wir vielleicht wichtige Erkenntnisse oder Einsichten, die uns für eine optimale Lösung dienlich wären.»
Um weniger Fehler zu produzieren, müsse man sich strukturiert und intensiv mit existierenden oder potenziellen Problemen auseinandersetzen – und nicht zu verbissen auf Ergebnisse fokussieren. «Auch wenn sie unbequem ist, diese Herangehensweise führt zu den wenigen Fragen, um die es wirklich geht», meint Kondert. So seien viele der vermeintlichen Probleme gar keine. Zudem würde viel Energie in unnötige oder falsche Dinge investiert.
Um dies zu vermeiden, brauche es im Team vor allem eines: Vertrauen. «Nur wenn wir veraltete Ellbogen-Mentalitäten abschaffen und Führungspersonen sowie Mitarbeitende auf Augenhöhe kommunizieren, kann es Sparring-Rituale geben, welche die notwendigen Lernkreisläufe schaffen.»
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