Umgang mit Hunden als Ausgleich für gestresste Stadtmenschen
Im Mittelpunkt von Lotti Anderssons Leben stehen jedoch die Huskies. «Die Tiere sind meine Partner. Mit ihnen arbeite ich, sie bestimmen den Tagesrhythmus», betont sie. Dass es sich bei den Huskies nicht um brave Schosshündchen handelt, zeigte sich beispielsweise auf einer Wanderung. Wir waren mit dreien unterwegs, als sie plötzlich in ein hektisches Gebell ausbrechen: Sie entdeckten eine Elchkuh. Sofort bildeten sie eine Jagdformation, einer von links, einer von rechts und einer von hinten und trieben das Tier vor sich her. Dem Opfer blieb nichts anderes übrig, als sich in einen See zu stürzen und schwimmend sein Heil zu suchen.
Hänsel, Libby, Wanda, Chennai und wie sie alle heissen, haben alle einen eigenen, ausgeprägten Charakter. «Sie sind wie Menschen», teilt Lotti ihre Erfahrungen mit, «die einen wollen andauernd gelobt und gestreichelt werden, andere wissen genau um ihren Wert, wieder andere sind scheu, frech oder etwas arrogant.» Sie vergleicht ihre Arbeit mit derjenigen von Personalverantwortlichen. Sie müsse ihre Partner jeden Tag einschätzen, ideale Teams für die Schlitten zusammenstellen, Stimmungen, Gesundheitszustände und Launen erspüren. «Ich bin der Leithund; wenn ich sie anschreie, reagieren sie wie kleine Kinder. Sie ziehen den Schwanz ein, jaulen und ich sehe, dass sie sich offensichtlich nicht wohl fühlen.»
Mitte August beginnt das Training für die Schlittenfahrten. Jeweils zehn Hunde werden vor einen 4-Wheeler gespannt, und rennen los. Es ist offensichtlich, dass ihnen das Bewegen ein Bedürfnis ist. Machtkämpfe, wer wo angespannt ist, gibt es kaum. «Gute Leithunde haben eine natürliche Autorität. Sie wollen mit dem Musher zusammenarbeiten, Verantwortung übernehmen». Für gestresste Stadtmenschen sei der Umgang mit einem Gespann eine ausgezeichnete Erfahrung. «Denn dem Hund ist es egal, ob du schön, dick, gut gekleidet, witzig oder eloquent bist. Er nimmt dich als Person wahr und man sagt, dass er die Aura eines Menschen sehen kann.»
Ob sie nicht manchmal des Lebens abseits grosser Städte mit ihrer Kultur überdrüssig sei, will ich wissen. «Absolut nicht, diese Erfahrungen habe ich gehabt. Schliesslich hat alles seine Zeit und jetzt liebe ich das Leben hier in Lappland. Ich bin froh, dass ich auf meinen inneren Ruf gehört habe und Vertrauen ins Leben und mich selbst gefunden habe.»
Lotti Andersson
wuchs in Visp im Wallis auf und liess sich zur Designerin ausbilden. Mit 24 Jahren begann sie bei Hanro als Schnittmusterzeichnerin und setzte dort ihre ersten Kollektionen um. Später arbeitete sie als selbständige Designerin, ehe Hanro sie als Unterwäschedesignerin engagierte. Nach sechs Jahren verdingte sie sich bei diversen Firmen als Verkaufsleiterin. Wieder holte sie Hanro zurück, diesmal als Marketingleiterin für Herrenunterwäsche. Mit 41 wanderte Lotti Andersson nach Skandinavien aus und erlernte das Mushing-Handwerk. 2005 übernahm sie das Snow Trail Dogcamp in Gällivare, Schweden, mit damals rund 70 Alaska-Huskies. Sie bietet im Winter verschiedene Mushing-Programme an, vom «Huskie ABC» bis zu mehrtägigen Hundeschlittenausflügen durch die verschneiten Wälder Lapplands.