Innovation fördern

Bitte stören! Wie Arbeitsteams von konstruktiven Widersprüchen profitieren

Vielfältige Perspektiven sind in einer zunehmend komplexen Geschäftswelt für die Zukunftsfähigkeit von Organisationen entscheidender denn je. Erfolgreiche Teams setzen dabei nicht nur auf Fachspezialisten, sondern integrieren auch sogenannte «Störer», die bestehende Prozesse und Denkmuster konstruktiv hinterfragen.

Traditionell besteht ein Team aus Spezialistinnen und Spezialisten, die tiefgehendes Wissen in ihrem jeweiligen Fachgebiet mitbringen. Diese Fachkompetenz ist zweifellos wichtig, doch ebenso entscheidend sind Mitglieder, die als «Störer» fungieren und bestehende Prozesse hinterfragen. Ein Team, das nur aus Spezialisten besteht, kann leicht in eine Komfortzone geraten, in der bestehende Denkmuster nicht mehr infrage gestellt werden. Hier kommen die Störer ins Spiel. Sie sorgen dafür, dass das Team nicht in Routine verfällt, sondern ständig nach anderen und im Idealfall nach besseren und effizienteren Wegen sucht.

Die Bedeutung von Diversität und konstruktiver Störung wird durch aktuelle Studien untermauert. Eine Untersuchung von McKinsey zeigt (Diversity wins: How inclusion matters, 2020), dass Unternehmen im oberen Quartil für geschlechtliche und ethnische Diversität mit 25 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit überdurchschnittlich profitabel sind. Eine andere Studie von Deloitte aus dem Jahr 2022 zeigt, dass Millennial-Führungskräfte eine Kultur der Inklusion und des Empowerments fördern, was zu höherer Mitarbeiterzufriedenheit und besseren Geschäftsergebnissen führt.

Störfaktoren als Katalysatoren für Innovation

Konstruktive Widersprüche spielen also eine entscheidende Rolle in der Teamdynamik. Sie bringen unterschiedliche Meinungen und Ansätze ein, die den kreativen Austausch fördern und Innovation vorantreiben. Und ein Störfaktor ist dabei eben nicht einfach eine störende Person, sondern jemand, der durch kritisches Hinterfragen und neue Ideen zur Weiterentwicklung des Teams beiträgt. Diese Art Reibung führt zu Diskussionen und Auseinandersetzungen, die das Team zwingen, über den Tellerrand zu schauen und neue Wege zu finden. So entstehen neue Erkenntnisse und Lösungen, die ansonsten unentdeckt geblieben wären.

Es ist aber auch wichtig, zwischen konstruktiver Störung und reiner Verhinderung zu unterscheiden. Während Verhinderer Fortschritt blockieren, bringen konstruktive Störer das Team voran, indem sie bestehende Annahmen hinterfragen. Die Kunst liegt darin, ein Umfeld zu schaffen, in dem diese Art von produktiver Störung willkommen ist und gezielt für Innovationsprozesse genutzt werden kann.

Dabei ist es entscheidend, das richtige Mass zu finden. Eine Analogie zum Fussball verdeutlicht dies: Es geht eben nicht darum, nur die Top fünf Prozent der Besten zu haben, sondern darum, ein Team zusammenzustellen, das sich gegenseitig ergänzt und inspiriert. Impulse zu setzen und neue Denkanstösse zu bieten, sind oft wichtiger als reine Fachexpertise.

Erfolgreiche Teamkonstellationen: Rollen und Verantwortlichkeiten

In erfolgreichen Teams braucht es unterschiedliche Rollen. Neben den «Störern» gibt es auch Spezialisten und Netzwerkerinnen, die sich optimal ergänzen und ein Umfeld schaffen, in dem Innovation gedeihen kann. Der Spezialist bringt tiefgehendes Wissen mit, die Netzwerkerin sorgt für die notwendige Verknüpfung von Ideen und Ressourcen, und der Störer hinterfragt bestehende Denkmuster und Prozesse. Die richtige Balance zwischen diesen Rollen zu finden, ist entscheidend für den Erfolg eines Teams.

Aufgabe der Unternehmen ist es, ein Umfeld schaffen, in dem alle drei Rollen ihre Stärken entfalten können. Dies erfordert eine offene Unternehmenskultur, die Vielfalt und Widerspruch fördert. Führungskräfte spielen dabei eine entscheidende Rolle: Sie müssen in der Lage sein, die verschiedenen Persönlichkeiten und Fähigkeiten im Team zu erkennen und gezielt einzusetzen.

Recruiting-Strategien im Wandel: Von «Cultural Fit» zu «Cultural Add»

Die traditionellen Ansätze im Recruiting konzentrieren sich oft auf den «Cultural Fit», also darauf, Kandidatinnen und Kandidaten zu finden, die gut zur bestehenden Unternehmenskultur und dem jeweiligen Team passen. Dieser Ansatz hat zwar seine Vorteile, kann aber auch dazu führen, dass Teams zu homogen werden und dadurch an Innovationskraft verlieren.

Ein alternativer Ansatz, der zunehmend an Bedeutung gewinnt – gerade vor dem Hintergrund von Agilität, Flexibilität und New Work – ist der «Cultural Add». Dieser zielt darauf ab, bewusst Vielfalt und Widerspruch in Teams zu fördern. Statt also nur nach Kandidatinnen und Kandidaten zu suchen, die gut ins bestehende Team passen, sollten Unternehmen vor allem Wert darauflegen, Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven und Denkweisen einzustellen. Für HR-Fachleute ergeben sich daraus einige Empfehlungen für den Rekrutierungsprozess:

  1. Interviewfragen entwickeln, die auf kreatives Denken und Problemlösung abzielen, zum Beispiel «Wie könnte ein bestehender Prozess im Unternehmen verbessert werden?»
  2. Fallstudien oder Rollenspiele nutzen, um zu beobachten, wie Kandidatinnen und Kandidaten mit unkonventionellen Situationen umgehen.
  3. Auf Bewerbende mit interdisziplinären Hintergründen oder ungewöhnlichen Karrierewegen achten.
  4. Team-Interviews integrieren, um die Interaktion potenzieller Störer mit bestehenden Teammitgliedern zu beobachten.
  5. Probearbeiten oder Projektaufgaben implementieren, um die Dynamik potenzieller Störer in der Praxis zu erleben.

Der Weg zum erfolgreichen Team

Die Integration von konstruktiven Widersprüchen ist ein kontinuierlicher Prozess, der Mut und Offenheit erfordert. HR- und Führungskräfte sollten den Fokus auf «Cultural Add» legen und bewusst Vielfalt in ihren Teams fördern. Dies kann, wie gezeigt, durch angepasste Recruiting-Strategien und die Schaffung einer offenen Unternehmenskultur erreicht werden. Zusätzlich können regelmässige Team-Workshops und Feedbackrunden helfen, die Dynamik im Team zu reflektieren und bei Bedarf anzupassen. Auch die Aus- und Weiterbildung spielt eine wichtige Rolle. Mitarbeitende sollten darin geschult werden, konstruktiv zu hinterfragen und mit unterschiedlichen Meinungen umzugehen. Gleichzeitig müssen Führungskräfte lernen, wie sie ein Umfeld schaffen können, in dem konstruktive Störungen willkommen sind und produktiv genutzt werden. Herausforderungen bewältigen

Vielfalt und konstruktive Widersprüche sind entscheidend für den Erfolg von Teams in der modernen Arbeitswelt. Durch die gezielte Integration von Störfaktoren können Unternehmen ihre Innovationskraft steigern und sich in einer komplexen Geschäftswelt behaupten. Die Integration von Störern in bestehende Teams kann aber auch auf Widerstände stossen. Hier einige Strategien, um damit umzugehen:

  1. Klare Kommunikation der Vorteile von Diversität und konstruktiver Störung für Innovation und Wachstum.
  2. Schulung von Führungskräften in Konfliktmanagement und der Moderation von kontroversen Diskussionen.
  3. Etablierung von «Safe Spaces» für den Austausch unkonventioneller Ideen, beispielsweise regelmässige Brainstorming-Sessions.
  4. Implementierung eines Mentoring-Programms, bei dem erfahrene Störer neue Teammitglieder unterstützen.
  5. Schaffung von Anreizsystemen, die innovatives Denken und konstruktives Hinterfragen belohnen.

Es erfordert Mut und Offenheit, bestehende Strukturen zu hinterfragen und neue Wege zu gehen. Doch Unternehmen, die diesen Weg beschreiten, werden langfristig von einer höheren Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit profitieren. Die Fähigkeit, bestehende Denkmuster zu hinterfragen und neue Wege zu gehen, ist der Schlüssel zu nachhaltigem Erfolg in einer sich ständig verändernden Geschäftswelt.

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Christian Friedrich
Christian Friedrich ist seit 2017 bei der Haufe Akademie und verantwortet als Geschäftsführer den Bereich Digital Learning Solutions. Hier motiviert ihn der Gestaltungsspielraum und seine Aufgabe, die Dinge anzugehen, die die Zukunftsfähigkeit von Menschen und Unternehmen stärken.
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