HR-Debatte

Braucht es ein Lohntransparenzgesetz?­

Nationalrätin Silvia Schenker meint, dass sich die Lohngleichheit nur mit einer gesetzlich vorgeschriebenen ­Lohntransparenz erreichen lässt. Dagegen wehrt sich Roland A. Müller. Der Direktor des Arbeitgeberverbands befürchtet eine Aufweichung des Datenschutzgesetzes und eine mediale Skandalisierung der Löhne.

Silvia Schenker

Nach wie vor ist die Lohngleichheit zwischen Mann und Frau nicht gewährleistet. Die neuesten Erhebungen der Lohnstruktur aus dem Jahre 2012 ergaben eine Lohndifferenz von 18,9 Prozent. Das bedeutet gegenüber 2010 sogar eine Zunahme der Differenz um 0,5 %. Das ist nicht nur sehr enttäuschend, sondern widerspricht dem Gleichstellungsgesetz, welches seit 18 Jahren gilt.

Wie lange wollen und können wir uns diese Ungleichbehandlung von Frauen noch leisten? Spätestens mit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative sollte jedem Arbeit­geber klar sein: Auf die Erwerbsbeteiligung der Frauen können wir nicht verzichten, sonst droht ein Mangel an Arbeitskräften, der in Zukunft nicht mehr mit Rekrutierungen im Ausland behoben werden kann.

Es ist höchste Zeit für konkrete Schritte in der Lohngleichheit zwischen Mann und Frau. Im Jahre 2011 reichte ich im Nationalrat eine Motion ein, welche die Lohntransparenz fördern sollte. Der Bundesrat sollte die Unternehmen verpflichten, ihre Lohnstruktur offenzulegen. Damit wäre ein wichtiger Schritt hin zur Lohngleichheit getan. Denn nur, wo die Lohnstruktur respektive die Lohnpolitik der Betriebe transparent ist, wird die Ungleichheit bei den Löhnen erkannt, und es können Massnahmen dagegen ergriffen werden. Leider war der Bundesrat und mit ihm die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat der Meinung, es gebe keinen diesbezüglichen Handlungsbedarf. Der Bundesrat setzt auf freiwillige Massnahmen. Immerhin räumte er in seiner Antwort auf meine Motion ein, dass geeignete Massnahmen zu prüfen sind, sollte der freiwillige Lohngleichheitsdialog nicht die ­erwünschten Fortschritte bringen.

Für mich ist klar, dass den schönen Worten nun Taten folgen müssen. Ohne gesetzliche Verpflichtungen zu innerbetrieblichen Lohnanalysen kommen wir nicht voran. Gemäss einer Studie von Interface legen die Zahlen zum diskriminierungsbedingten Lohnunterschied in der Schweiz nahe, dass sich sowohl Arbeitgebende als auch Arbeitnehmende oft nicht bewusst sind, dass in ihrer Firma Lohndiskriminierung vorliegt. Darum ist die Transparenz so wichtig und unverzichtbar.  Die Erfahrung in den politischen Debatten zeigt, dass der Anspruch auf Lohngleichheit auch bei den Bürgerlichen meist nicht bestritten wird. Die Meinungen gehen aber weit auseinander, wenn es um gesetzliche Vorschriften geht. Arbeitgebende sollen die Freiheit behalten, die Lohnpolitik zu gestalten, heisst es dann meist. Vielleicht wird ein Umdenken stattfinden, wenn die Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmung zur Zuwanderung konkreter wird und deren Folgen auf dem Arbeitsmarkt sichtbarer sind.

Wenn es in Zukunft noch stärker gelingen soll, Frauen dazu zu motivieren, trotz familiären Verpflichtungen im Arbeitsmarkt zu verbleiben, dann müssen die Arbeitsbedingungen attraktiv sein. Der Grundsatz, dass für gleichwertige Arbeit gleiche Löhne bezahlt werden, ist ein wichtiger Mosaikstein. Natürlich gehört noch anderes dazu, damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch wirklich gelebt werden kann. Auch da gibt es noch einigen Handlungsbedarf.

 

Roland A. Müller

Die Gleichstellung von Frau und Mann ist ein wichtiges Ziel. Dennoch dürfen wichtige Aspekte einer liberalen Wirtschaft, wie beispielsweise Lohnverhandlungen und die Entlöhnung für individuelle Fähigkeiten, nicht unter dem Deckmantel der Lohngleichheit umgangen werden. Denn der gezielte Einsatz solcher Praktiken ist zentral für die Optimierung der innerbetrieblichen Leistungen.

In der Diskriminierungsbekämpfung ist die Wirtschaft bereit, ihren Teil beizutragen. Die Forderung nach der gesetzlichen Lohntransparenz geht unter verschiedenen Gesichtspunkten jedoch zu weit.
Ein Aspekt ist die Vereinbarkeit der Offenlegungspflicht mit dem Datenschutz. Das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Schweiz gewährleistet, dass die Bevölkerung selber entscheiden kann, welche persönlichen Informationen öffentlich bekannt werden und welche nicht. Der umfassende Schutz von persönlichen Daten würde durch eine Offenlegungspflicht in diesem Bereich aufgehoben.

Die Einführung einer betriebsinternen oder generellen Offenlegungspflicht bringt zudem die Gefahr mit sich, dass die veröffentlichten Daten regelmässig zu einer nicht qualifizierten Diskussion führen. Schlimmstenfalls werden sie medial auf­bereitet und skandalisiert, obschon die Lohnunterschiede gerechtfertigt gewesen wären. Um dies zu vermeiden, müsste die Diskriminierung ausschliesslich durch Fachleute mit einem geeigneten Prüfungsinstrument analysiert werden.

In der Frage nach einem Prüfungsinstrument wird ein weiteres Problem deutlich: Die bisher anerkannten Instrumente zur Diskriminierungsüberprüfung – wie die Regressionsana­lysen – widerspiegeln nicht, beziehungsweise nur ansatzweise die tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten. Zentrale Lohnfaktoren wie der Anstellungsgrad, die berufliche Stellung, Weiterbildungen, Führungserfahrungen und Sprachkenntnisse bleiben unberücksichtigt. Andere Kriterien wie die Berufskategorien werden nur pauschal betrachtet. Für eine erste Überprüfung ­mögen solche Instrumente geeignet sein. Es liegt aber auf der Hand, dass sie zur genauen Analyse ungeeignet sind und für die Feststellung einer Geschlechterdiskriminierung von der Wirtschaft als alleiniges Instrument nicht getragen werden können, denn sie berücksichtigen viele individuelle und mannigfaltige Aspekte des Wirtschaftslebens nicht genügend.

Das Bundesamt für Statistik spricht in seiner Diskriminierungsanalyse deshalb auch nicht von einer Diskriminierung, sondern vom «unerklärbaren Teil» der Lohnungleichheit. Die geschilderten Umstände zeigen, dass eine Offenlegungspflicht nicht zweckmässig ist. Zudem erzielen Zwangsmassnahmen oftmals die gegenteilige Wirkung. Das weitere Vorgehen aus Sicht der Wirtschaft ist klar: Primär müssen Instrumente zugänglich gemacht werden, die den wirtschaftlichen Bedürfnissen Rechnung tragen. Vorhandene Instrumente, welche die individuellen Fähigkeiten einer Person in einer konkreten Anstellungsfunktion berücksichtigen, gehen in die richtige Richtung. Im Weiteren müssen die Unternehmen für diese Thematik sensibilisiert werden, um den gewünschten Effekt zu erzielen.

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Silvia Schenker ist Nationalrätin und Mitglied der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit sowie der staatspolitischen Kommission. Schenker arbeitet bei der Kindes- und ­Erwachsenenschutzbehörde in Basel-Stadt.
 

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Roland A. Müller ist Direktor des Schweizerischen ­Arbeitgeberverbands (SAV), der über 100 000 KMU vertritt. Müller ist Rechts­anwalt und Titularprofessor für Arbeits- und Sozialversicherungsrecht an der Universität Zürich.

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