Martin Kuonen
Wann sollen Dinge geändert, Massnahmen ergriffen oder wann soll Gegensteuer gegeben werden? Wenn etwas nicht funktioniert, keine Abhilfe in Sicht ist oder die Dinge aus dem Ruder zu laufen drohen. Dies gilt auch für die Beantwortung der Grundsatzfrage, ob Arbeitgeber verpflichtet werden sollen, sich an der Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden zu beteiligen. Herrscht also bei der Weiterbildung eine Malaise?
Der Mikrozensus «Aus- und Weiterbildung 2011» zeigt auf, dass fast 80 Prozent unserer ständigen Wohnbevölkerung zwischen 25 und 64 Jahren an nichtformaler oder informeller Bildung teilnimmt. Das Bundesamt für Statistik führt in der Publikation «Berufliche Weiterbildung in Unternehmen der Schweiz» zudem aus, dass Schweizer Unternehmen 2011 die Weiterbildung ihres Personals mit 83 Prozent unterstützten. Weil sich vier Fünftel der Schweizer freiwillig weiterbilden und sich mehr als vier Fünftel der hiesigen Unternehmen finanziell oder auch in Form von gewährter Zeit vertrauensvoll, freiwillig und ausreichend an der Weiterbildung ihrer Beschäftigten beteiligen, braucht es keine gesetzlichen Verpflichtungen.
Es braucht keinen zusätzlichen Wink mit dem Zaunpfahl durch den Gesetzgeber. Arbeitgeber sind sich bewusst, wie wichtig es ist, den Mitarbeitenden Perspektiven zu bieten. Die Entwicklung der Kompetenzen, unabhängig von der Position im Unternehmen, ist eine Investition in die Zukunft und der Schlüssel für den wirtschaftlichen Erfolg. In absehbarer Zeit wird die erwerbstätige Bevölkerung aufgrund demografischer und politischer Entscheide stagnieren oder sogar schrumpfen. Deshalb haben Arbeitgeber ein ureigenes Interesse, in die Weiterbildung zu investieren. Durch Arbeitgeber gewährte Weiterbildungsmöglichkeiten werden auf dem Arbeitsmarkt noch stärker zu einem Wettbewerbsvorteil. Schon heute unterstützen viele Arbeitgeber als Mitglieder von Berufs- oder Branchenverbänden oder als Unterstellte eines Gesamtarbeitsvertrages indirekt die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden. Denn Mitglieder- und Vollzugskostenbeiträge dienen oftmals dazu, Weiterbildung kostengünstiger zu ermöglichen.
Primär trägt jeder Einzelne die Verantwortung für seine Weiterbildung und kann diese weder an den Arbeitgeber noch an den Staat delegieren. Obligatorische Weiterbildung untergräbt die Eigenverantwortung. Niemand kann zu seinem Glück gezwungen werden. Unmotiviertes Absitzen von befohlenen, zwangsfinanzierten Weiterbildungsaktivitäten ist für niemanden ein Gewinn und wird sich auf Produktivität und Betriebsklima negativ auswirken.
Das Bundesgesetz über die Weiterbildung braucht keine gesetzliche Verpflichtung der Arbeitgeber, die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden zu begünstigen (Art. 5 Abs. 2). Sie ist nicht im Interesse der Mitarbeitenden und ist sogar gefährlich, weil mit Gerichtsurteilen durch die Hintertüre ein Anspruch auf bezahlte Weiterbildung eingeführt werden könnte. Tragen wir Sorge zu unserem liberalen Arbeitsrecht und der freien Vertragsgestaltung.