HR-Debatte

Führungskraft mit Teilzeitpensum

«Teilzeitmann»-Kampagnenleiter Jürg Wiler kreuzt argumentativ die Klingen 
mit Interimsmanager Urs Bürge.

Der Mann zeigte Mut: Kurz vor den Regierungsratswahlen 2012 in Basel kündigte Kandidat Baschi Dürr an, er werde bei einem Wahlerfolg weiterhin einen halben Tag pro Woche zu Hause bleiben. Um nach den Kindern zu schauen. Regierungsrätin Eva Herzog reagierte scharf: Das Pensum für dieses Amt sei zu gross, der Terminkalender zu dicht für ein solches Arbeitszeitmodell. Dürr wurde klar gewählt – trotz oder gerade wegen seiner Aussage.

Hartnäckig hält sich hingegen die Mär, dass Leistungsfähigkeit mit Rund-um-die-Uhr-Präsenz verbunden ist. Aber die Vorstellung, dass eine Führungskraft immer für ihr Unternehmen zur Verfügung steht, ist ein Auslaufmodell. Viele Chefs arbeiten ja bereits Teilzeit. Denn sie sind oft bei ihrer eigentlichen Aufgabe abwesend, weil sie in Verwaltungs- und Stiftungsräten sitzen oder Lehraufträge haben. Und früher waren sie im Militär.

Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber weshalb soll es dann ein Problem sein, wenn Menschen Zeit mit ihrer Familie verbringen, Zeit für die Erholung oder für die Pflege von Angehörigen verwenden oder um anderen Interessen nachzugehen? Das ist Lebensqualität. Und ein Stück Freiheit, die den Stress wegnimmt. Gerade Führungskräfte laufen Gefahr, ihren Motor immer auf Hochtouren laufen zu lassen und sich damit zu überfordern. Wenn sie ihn etwas runterfahren, sind sie länger leistungsfähig. Das ist entscheidend in unserer beschleunigten und immer dichter werdenden Welt.

Grundsätzlich profitieren alle Beteiligten von Teilzeit. Die Beschäftigten, weil sie eine gute Lebensbalance haben, die Unternehmen, weil solche Beschäftigte motivierter, effizienter und kreativer arbeiten, und auch die Wirtschaft insgesamt, weil es letztlich immer um Leistung geht. Nicht umsonst gehen Studien von einer Rendite von acht Prozent für Unternehmen aus, welche Teilzeitmitarbeitende beschäftigen. Teilzeit ist also für Arbeitgeber betriebswirtschaftlich rentabel.

Natürlich ist im Alltag mehr Koordination nötig und oft entsteht auch ein administrativer Mehraufwand. Wer in Teilzeit führt, muss sich auf seinen Kernjob konzentrieren, denn Mehrfachaktivitäten bergen das Risiko, dass sich Kaderleute überfordern. Daher ist auf Engagements in Nebenämtern wie Vereinen, Vorständen und Politik zu verzichten und Projektarbeit auf dem Minimum zu halten. Es gilt, Reserven zu bewahren, um in Ausnahmesituationen die Extrameile gehen zu können.

Teilzeit trägt dazu bei, dass Chefs stärker Verantwortung delegieren, ohne sich aus der Verantwortung zu stehlen. Dazu muss die Stellvertretung die nötigen Kompetenzen haben und Verantwortung  wahrnehmen. Zudem braucht es ein Vertrauensverhältnis. Philosophie und Wertehaltung müssen übereinstimmen. Wenn das Know-how auf mehrere Köpfe verteilt ist, entwickeln Teilzeitarbeitende bei strategischen Fragen bessere Lösungen, machen weniger Fehler und können mehr bewältigen – und das ist Gold wert, wenn mal einer ausfällt. Wer sich dosiert darauf einlässt, wird die Erfahrung machen, dass Teilzeit funktioniert – auch in der Chefetage. Doch für den ersten Schritt braucht es Mut.

  • Jürg Wiler ist Leiter der Kampagne 
«Teilzeitmann» Schweiz.

 

Aus der Sicht des Arbeitgebers bringen Teilzeitmodelle grundsätzlich einige Probleme mit sich: in der Mitarbeiterführung, dem Informationsfluss zwischen Kunden und Unternehmung und der internen Kommunikation.

Meist ist es so, dass Kunden oder Geschäftspartner genau dann Unterstützung oder Tipps benötigen, wenn der zuständige Ansprechpartner im Teilzeitpensum nicht an seinem Arbeitsplatz ist.
In diesem Sinn ist es schwierig, die Kundenbetreuung und die externe Kommunikation zu gestalten. Hinzu kommt aber auch die formelle interne Kommunikation, denn Teilzeitpensen erschweren beispielsweise auch die Koordination und das Sitzungsmanagement.

Durch Abwesenheiten kann auch die informelle Kommunikation in einer Unternehmung nicht mehr reibungslos funktionieren. Dabei ist diese gerade in der Führung von äusserster Wichtigkeit. Kein Kommunikationsweg ist schneller als der informelle.

Im Weiteren sind auch die korrekte Ausführung und Aufrechterhaltung von Prozessen und die Arbeitsverteilung mit Problemen und Schwierigkeiten behaftet. Teilzeitpensen und die damit verbundenen Abwesenheiten stellen übermässig hohe Anforderungen an die Teams und Mitarbeiter, die am Arbeitsplatz sind. Trotz elektronischer und IT-unterstützter Hilfsmittel sind der persönliche Kontakt und Dialog entscheidend für den Unternehmenserfolg.

Teilzeitpensen werden oft als Argument ins Feld geführt, wenn es um Mitarbeitermotivation geht. Mitarbeiter sind aber grundsätzlich nicht über ein reduziertes Pensum, die Rahmenbedingungen, zu motivieren, sondern vielmehr über Aufgaben und Herausforderungen, die den Kompetenzen und Fähigkeiten der betroffenen Mitarbeiter entsprechen.

Problematisch ist es, komplexe Prozesse auf kleine oder kleinste Arbeitspensen herunterzubrechen und inhaltlich so anzupassen, dass eine Reduktion auch wirklich Sinn macht und nicht bloss als «Beschäftigungstherapie» zu verstehen ist. So oder so fordern Teilzeitpensen viel zusätzlichen Aufwand und auch Flexibilität seitens der Unternehmen. Selbstverständlich gibt es aber auch Möglichkeiten, die Arbeit so zu organisieren, dass  nicht immer alle Mitarbeiter vor Ort sein müssen. So liesse sich beispielsweise ein Tag pro Woche im «Home Office» organisieren. Die fehlende Zeit vor Ort in der Unternehmung für Gespräche und Sitzungen könnte über Skype- oder Video-Konferenzen ausgeglichen oder ersetzt werden.

Für jede Unternehmung ist es schlussendlich überlebenswichtig, dass Kunden und Partner auf einen hohen Grad der Erreichbarkeit und Zuverlässigkeit zählen können. Wirtschaftliche Erfolge sichern Arbeitsplätze und das Wohl unserer Gesellschaft. 

  • Urs Bürge ist selbständiger Interimsmanager bei Schweizer KMUs sowie Prüfungsexperte und Dozent in der Erwachsenenbildung.
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Jürg Wiler ist Leiter der Kampagne 
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