HR Today Nr. 1/2022: Debatte

Braucht es eine Willkommensprämie?

Sie sind in einigen Betrieben eine gängige Praxis: Willkommensprämien für neue Mitarbeitende. Doch bringen sie langfristig effektiv etwas oder schaden sie mehr? Drei Ansichten.

Christof Burkard, Dozent und Berater für Arbeits- und Sozialversicherungsrecht: «Wer kein Vertrauen in eine Person hat, kann mit einer Prämie nicht ­nachhelfen.»

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Der Schreibende verinnerlichte einst während des Studiums noch den Grundsatz: «Pacta sunt servanda», zu Deutsch: «Verträge sind einzuhalten.» Offenbar ist es mit der Vertragstreue nicht mehr weit her: Es kommt häufiger vor, dass Arbeitnehmende ihre Stelle nach unterzeichneten Arbeitsverträgen nicht antreten. Die Idee, künftigen Mitarbeitenden zum tatsächlichen Stellenantritt eine Prämie zu zahlen, halte ich für hochgradig kontraproduktiv und unnütz. Wer kein Vertrauen in eine Person hat, kann mit einer Prämie nicht nachhelfen. Vergessen geht zudem, dass gemäss Obligationenrecht der Viertel eines Monatslohns bei demjenigen einforderbar wird, der eine Stelle schuldhaft nicht antritt. Diese Bestimmung führt in der Praxis im besten Fall dazu, dass Arbeitnehmende, die es sich anders überlegen, die angetretene Stelle in der Probezeit ohne jede Kostenfolge kurzfristig wieder künden. Dieser Weg stellt den Arbeitgebenden somit keinen Deut besser. Es geht um die Frage der Vertragstreue, die sich meines Erachtens nicht erkaufen lässt. In dieser Hinsicht hat die Getränkekette «Drinks of the World» 2016 den gegenteiligen Weg beschritten. Neuen Mitarbeitenden offerierte das Unternehmen nach bestandener Probezeit beim Abschlussgespräch einen Bonus, wenn diese gleich wieder gehen. Das Unternehmen suchte echte Loyalität. Bleiben sollten nur Mitarbeitende, die bereit waren, auf 2000 Franken zu verzichten, um dort weiter zu arbeiten. Natürlich war das auch Werbung. Nicht nur für Bewerbende, sondern auch für die Medien. Abgesehen davon steckte aber noch mehr dahinter: So gewann die Firma Mitarbeitende, die sich bewusst für das Unternehmen entscheiden, und verlor nur jene, die sich ohne echtes Interesse beworben haben. Zudem macht die Prämie deutlich: Betriebstreue ist eine Frage des Commitments und nicht des Geldes. Zusammengefasst: Prämien schaden.

Florian Schrodt, Personalmarketing, Verkehrsbetriebe Zürich: «Bewerbende dürfen erwarten, dass man sich mit ihren Bedürfnissen auseinandersetzt.»

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Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Diesen Satz habe ich in meiner Jugend oft zu hören bekommen. Ich versuche ihn heute noch zu beherzigen. Auch im Beruf. Nun ist es so, dass viele Unternehmen bei der Personalsuche den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen scheinen und das Wesentliche aus den Augen verlieren. Das führt dazu, dass man viele Lösungen vorschlägt, die das eigentliche Problem nicht lösen. Neulich las ich, dass Employer Branding das Resultat aus der erlebten Kultur, der Candidate und Employee Experience, der Führungswirksamkeit, der Führungskultur sowie der Kommunikation sei. Braucht es demnach Antrittsprämien? Blödsinn. Personaler sollten sich stattdessen vergegenwärtigen, was Bewerbende im Recruiting-Prozess noch heute erleben. Beispiele gefällig? Auf Hochglanz polierte Inserate, die für jeden gefällig sein sollen, aber nichtssagend sind, weil sich Recruiter mit den Profilen nicht auseinandergesetzt haben, sodass diese Anzeigen vor «copy and paste»-Texthülsen nur so strotzen. Bestenfalls erhalten Bewerbende ein Eingangsbestätigungsmail. Dann herrscht mehrere Wochen Funkstille. Hiring Manager, die Wochen brauchen, um Bewerbungen anzuschauen. Kandidatinnen und Kandidaten, die im Bewerbungsprozess trotz Eignung versumpfen, weil die Rekrutierenden abwarten möchten, ob sich nicht doch noch bessere Kandidaten bewerben. Hiring Manager, die vollkommen unvorbereitet im Bewerbungsgespräch sitzen. Reizen Unternehmen auf den Arbeitnehmermärkten ihr Blatt so aus, braucht sich niemand zu wundern, dass Kandidatinnen und Kandidaten es ihnen gleichtun. Der viel beschworene Fachkräftemangel ist dann weniger ein marktgemachtes als vielmehr ein hausgemachtes Problem. Bewerbende dürfen erwarten, dass man sich mit ihren Bedürfnissen auseinandersetzt und Wertschätzung, Transparenz sowie Verbindlichkeit lebt. Dann braucht es auch keine Motivationsprämien beim Stellenantritt. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es eben wieder heraus.

Yves Gogniat, Laux Lawyers AG: «Für Arbeitgebende kann es durchaus verlockend sein, eine Willkommensprämie anzubieten.»

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Es kommt immer wieder vor, dass Arbeitnehmende eine Stelle nicht antreten oder gleich wieder künden. Im ersten Fall gilt das rechtliche Grundprinzip, dass einmal abgeschlossene Verträge einzuhalten sind. Im Arbeitsrecht gibt es bis heute jedoch keine einheitliche Gerichtspraxis zur Kündigung vor dem Stellenantritt. Tritt ein Arbeitnehmender eine Stelle nicht an, kann er schadenersatzpflichtig werden. Da der Schaden für einen Arbeitgebenden meist schwierig zu beweisen ist, sieht das Gesetz eine Pauschalentschädigung eines Viertel-Monatslohns vor. Eine solche Pauschalentschädigung deckt den Aufwand einer erneuten Stellenbesetzung aber kaum. Tritt ein Arbeitnehmender eine Stelle nicht an, ist das Risiko für ihn somit meist nicht hoch. Er kann das Risiko sogar nochmals reduzieren, wenn er die Stelle antritt und anschliessend von den Probezeit-Kündigungsfristen Gebrauch macht. Daher kann es für einen Arbeitgebenden durchaus verlockend sein, neuen Arbeitnehmenden eine Willkommensprämie anzubieten, um sicherzustellen, dass sie tatsächlich auftauchen. Eine solche Sondervergütung ist rechtlich meist zulässig und kann frei vereinbart werden. Es stellt sich aber die Frage, ob ein solches System nicht kontraproduktiv ist, wenn neue Arbeitnehmende nur bis zum Erreichen der Bonusschwelle bleiben. Dadurch würde nicht nur ein nutzloser Bonus verteilt, es würden auch Ressourcen für die Einarbeitung vergeudet. Ausserdem macht eine Willkommensprämie nur einen Teil der Vergütung aus: Ein Arbeitnehmender vergleicht immer die Gesamtentschädigung. In vielen Fällen ist eine Willkommensprämie deshalb nur ein kurzfristiger Anreiz. Insbesondere, da jüngere Arbeitnehmende nebst der Vergütung immer mehr andere Faktoren berücksichtigen und diese mehr gewichten als einen hohen Lohn.

 

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