Zeit für Veränderung

Change-Projekte zum Erfolg führen

Manager, Führungskräfte und Projektleiterinnen stehen oft vor der Herausforderung, Veränderungsprozesse in ihren Unternehmen zu planen und zu steuern. Elf Tipps für erfolgreiche Change-Projekte.

1. Nicht jedes Projekt ist ein Change-Projekt

Der Begriff «Change» ist ein Modewort. Entsprechend inflationär wird er gebraucht. Das schafft Verwirrung. Bezeichnen Sie nur solche Projekte als Change-Projekte und -Prozesse, die für den Unternehmenserfolg strategisch relevant sind und auch auf einen kulturellen Wandel in der Organisation abzielen. Hierfür ein Beispiel: Wenn ein Unternehmen seine Büros neu streicht, dann ist das zwar auch ein Projekt, aber kein Change-Projekt. Anders ist es, wenn ein Bereich neu strukturiert wird, weil die Mitarbeitende künftig nicht nur Auftragseingänge bearbeiten, sondern auch Kunden beraten sollen, weshalb sie auch ein neues Selbst- und Rollenverständnis brauchen. Dann ist dies ein Change-Projekt und -Prozess.

Tipp: Ermitteln Sie bei jedem grösseren Veränderungsvorhaben dessen Auswirkungen für die Mitarbeiter und auf deren künftige Rolle. Checken Sie zudem, ob das Projekt wirklich ein Change-Projekt ist.

2. Bei jeder Veränderung gibt es Verlierer

Insbesondere die Top-Manager von Unternehmen neigen, wenn grössere Veränderungen anstehen, dazu, so zu tun, als gäbe es in dem Prozess nur Gewinner. Das stimmt nicht. Bei jedem Change-Projekt gibt es auch Verlierer – oder zumindest Personen, die sich als solche empfinden – weshalb sie Angst vor der Veränderung haben und mehr oder minder offen dagegen opponieren.

Dabei muss es sich nicht stets um die existenzielle Angst handeln, arbeitslos zu werden. Auch die Befürchtung mühsam erworbene Privilegien und Einflussmöglichkeiten zu verlieren, löst bei Mitarbeitenden oft Widerstände aus; ebenso die Notwendigkeit, liebgewonnene Gewohnheiten sowie (Arbeits-)Routinen, die dem Mitarbeitenden Sicherheit vermitteln, aufzugeben.

Tipp:Seien Sie, soweit möglich, offen und ehrlich, und setzen Sie sich ernsthaft mit den Mitarbeitenden sowie ihren Befürchtungen und Bedenken auseinander. Und: Stempeln Sie Mitarbeiter, die sachlich begründete Einwände äussern, nicht sogleich als «Blockierer» ab. Auch das tun Manager leider oft.

3. Die Führungskräfte und Mitarbeitende aktiv einbinden

In sozialen Systemen wie Unternehmen werden tiefgreifende Veränderungen nur erreicht, wenn diese von den Mitarbeitenden und Führungskräften (mit-)getragen werden. Eine Voraussetzung hierfür ist: Die Mitarbeiter erkennen den Sinn sowie die Notwendigkeit der angestrebten Veränderung und akzeptieren die hiermit verbundenen Ziele.

Tipp: Binden Sie speziell die Führungskräfte, soweit möglich und nötig, von Beginn an in den Prozess ein. Verwenden Sie ausreichend Energie darauf, ihnen zu vermitteln, worum es in dem Projekt geht. Denn die Führungskräfte müssen im Arbeitsalltag die nötige Veränderungsenergie bei ihren Mitarbeitern erzeugen und bewahren. Das gelingt ihnen nur, wenn sie selbst von der Notwendigkeit der Veränderung überzeugt sind.

4. Die Mitarbeitende auch emotional ansprechen

Top-Manager begründen ihre Entscheidungen oft nur rational – also zum Beispiel mit Aussagen wie: «Durch das Einführen der neuen Software verringern sich unsere Bearbeitungszeiten um 20 Prozent». Solche Argumente überzeugen die Geldgeber, doch die Mitarbeitenden nur bedingt. Zumindest werden sie hierdurch nicht emotional berührt und stimuliert. Anders ist es, wenn die Argumentation lautet: «Mit der neuen IT können Sie die Kunden viel individueller beraten. Das wirkt sich auch positiv auf die Kundenzufriedenheit und somit auf die Atmosphäre in den von Ihnen geführten Gesprächen aus.»

Tipp: Präsentieren Sie als Führungskraft oder Top-Manager den Mitarbeitenden nicht nur betriebswirtschaftliche und technische Daten, um sie zu überzeugen. Verwenden Sie auch Bilder. Arbeiten Sie zudem gezielt den Nutzen für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heraus. Denn nur so gewinnen Sie diese als Mitstreiter.

5. Als Top-Manager Präsenz zeigen

Top-Manager übertragen meist, nachdem eine Veränderung beschlossen und verkündet wurde, die Verantwortung für deren Umsetzung auf die ihnen nachgelagerten Führungsebenen. Und sie selbst? Sie ziehen sich wieder in ihren Elfenbeinturm zurück und widmen sich anderen Aufgaben. Dabei beginnt nach dem Verkünden einer Veränderung erst die Knochenarbeit. Entsprechend schnell fühlen sich die Führungskräfte, wenn das Top-Management wenig Präsenz zeigt, alleine und im Stich gelassen – zu Recht. Ähnlich verhält es sich bezogen auf die Mitarbeitende.

Wenn das Top-Management nicht immer wieder die Wichtigkeit der Veränderung unterstreicht und das nötige Engagement einfordert, das Projekt aus Mitarbeitersicht also keine «starken» Promotoren hat, dann setzt sich die notwendige «Masse» weder in Bewegung, noch bleibt sie in Bewegung. Das heisst, das Projekt scheitert.

Tipp: Praktizieren Sie, insbesondere wenn Ihre Organisation eine Veränderung durchläuft, ein «Management by Walking around». Zeigen Sie Präsenz. Werben Sie immer wieder für die Veränderung und leben Sie diese aktiv vor.

6. Mit Widerständen und Problemen rechnen

Bei (fast) jedem Change-Projekt gibt es Probleme und Widerstände, mit denen die Verantwortlichen im Vorfeld nicht gerechnet haben – denn solche Prozesse lassen sich am grünen Tisch nur bedingt planen. Hinzu kommt: Bei vielen Veränderungen wird den Betroffenen erst im Projektverlauf klar, welche Auswirkungen diese für sie als Person haben und wie viele Gewohnheiten sie zum Beispiel aufgeben müssen, die ihnen lieb und teuer sind.

Tipp: Kalkulieren Sie beim Planen Ihrer Change-Projekte unvorhergesehene Widerstände und Probleme ein, so dass Sie auf diese mit der nötigen Ruhe und Gelassenheit reagieren. Haben Sie zudem den Mut, wenn unvorhergesehene Probleme auftreten, Ihren Projektplan zu hinterfragen und von der vorhergesehenen Route abzuweichen.

7. Offen geäusserte Bedenken wertschätzen

Top-Manager lieben es meist nicht, wenn betroffene Mitarbeitende Bedenken äussern oder gar Widerstände gegen ihre Vorhaben zeigen. Sogar sachlich begründete Bedenken und Einwände wischen sie nicht selten mit einer Handbewegung beiseite. Und die Mitarbeiter, die Bedenken äussern? Sie werden von ihnen oft mit solchen Etiketten wie «Bremser» oder «die verstehen nicht, worum es geht» versehen.


Dabei sollten Sie als Top-Manager oder Führungskraft dankbar sein, wenn Mitarbeitende offen ihre Bedenken äussern – denn sie sind in der Regel das Sprachrohr vieler Kollegen, denen hierzu der Mut fehlt. Werden Bedenken offen artikuliert, dann kennen Sie die wahren Bedürfnisse der Mitarbeitende. Also können Sie hierauf reagieren und die Mitarbeitende ins Boot holen und so Hindernisse auf dem Weg zum Ziel beseitigen. 

Tipp: Machen Sie sich bewusst, dass offen artikulierte Bedenken Ihnen helfen, das Projekt zu steuern – denn sie signalisieren Ihnen, auf welche Fragen die Mitarbeitende gerne eine Antwort hätten. Ermutigen Sie deshalb Ihre Mitarbeitende, Einwände und Bedenken offen zu äussern.

8. Change-Manager brauchen ein Rückgrat und Erfahrung

Im Betriebsalltag wird die Verantwortung für grössere Change-Projekte oft jungen Projektmanagern mit wenig Erfahrung übertragen – als Chance, sich zu bewähren. Das hat zur Konsequenz, dass die Projektmanager von den «Bereichsfürsten» oft nicht die nötige Unterstützung erfahren – auch weil diese die aufstrebenden Jungmanager nicht selten als Konkurrenz erfahren. Zudem agieren die jungen Projektmanager häufig methodisch sowie strategisch und taktisch ungeschickt, weil sie noch wenig Projekterfahrung haben. Die Folge: Im Projektverlauf treten unnötige Probleme auf und die Projektziele werden entweder nicht oder nur zeitlich verzögert erreicht.

Tipp: Übertragen Sie die Verantwortung für strategisch relevante Change-Projekte möglichst erfahrenen Projektmanagern, die das erforderliche Standing in Ihrer Organisation haben. Stellen Sie jungen Projektleitern Mentoren zur Seite, die in Ihrem Unternehmen etwas zu sagen haben.

9. Die Führungskräfte beim Führen unterstützen

Beim Ausprobieren neuer Verhaltensweisen stellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meist fest: So wie ich es bisher gemacht habe, funktionierte es besser, schneller. Das ist normal, denn die Mitarbeitenden haben noch keine Routine mit dem neuen Vorgehen entwickelt. Ähnlich verhält es sich, wenn Unternehmen in einem Bereich ein neues Verfahren einführen. Dann sinkt in der Regel zunächst die Leistung und somit Motivation. Dann sind die Führungskräfte als «Ermutiger» gefragt, die ihre Mitarbeitende motivieren, unterstützen und ihnen eine Perspektive aufzeigen.

Tipp: Bereiten Sie Ihre Führungskräfte auf ihre oft ungewohnten Führungsaufgaben in Change-Projekten vor. Vermitteln Sie ihnen das erforderliche Know-how über die typischen Verlaufsphasen eines Change-Prozesses, damit sie das Verhalten ihrer Mitarbeiter richtig einschätzen und angemessen darauf reagieren. Gewähren Sie ihnen die nötige Unterstützung – zum Beispiel indem Sie ihnen einen Coach zur Seite stellen.

10. (Teil-)Erfolge feiern

Kulturelle Changeprozesse vollziehen sich gerade in grösseren Organisationen sehr langsam – häufig so langsam, dass die Betroffenen das Gefühl haben: Da bewegt sich ja gar nichts. Entsprechend wichtig ist es, nicht nur Etappenziele auf dem Weg zum grossen Ziel zu formulieren, sondern deren Erreichen auch zu kommunizieren und zu feiern, damit die Motivation gewahrt bleibt.

Tipp: Nehmen Sie sich ab und zu bewusst die Zeit mit den Mitarbeitenden zu reflektieren, welche Teilerfolge sie gemeinsam seit Projektbeginn schon erreicht haben. Seien Sie, wenn ein Etappenziel erreicht wurde, auch mal grosszügig, und organisieren sie zum Beispiel einen Umtrunk.

11. An die Zukunft denken, aus dem Projekt lernen

Wie erfolgreich ein Unternehmen langfristig ist, hängt heute stark davon ab, wie schnell es sich zum Beispiel Marktveränderungen anpasst und wie rasch und erfolgreich es solche Projekte meistert. Entsprechend wichtig ist es, aus den durchgeführten Projekten für die Zukunft zu lernen. Nutzen Sie die Chance, Veränderungsprojekte nach ihrem Abschluss kritisch zu reflektieren, denn nur so können Sie Ihre Projekt- und Change-Management-Kompetenz sowie die Ihrer Organisation kontinuierlich erhöhen.

Tipp: Evaluieren Sie nach Projekten detailliert: Was lief gut, was weniger gut? Klären Sie, was Sie in Zukunft besser machen können/möchten und leiten Sie hieraus neue Projektmanagement-Standards ab.

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Dr. Albrecht Müllerschön ist Inhaber der Müllerschön Managementberatung, Starzeln (Baden-Württemberg). Der Wirtschaftspsychologe ist Autor mehrerer Personal-Fachbücher und war Lehrcoach an der Uni Tübingen.

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